Das Sonnenorakel

Mit zwei Projekten tragen Luxemburger Forscherdazu bei, die Energiewende einfacherer zu gestalten. Sie machen Solarenergie planbar.

Source : Tageblatt
Publication date : 09/14/2016

 

Die Sonnenenergie mit all ihren bekannten Vorteilen hat ein gewichtiges Problem. Der Ertrag aus den Fotovoltaikanlagen unterliegt starken Schwankungen. Auch wenn die Sonne schier unglaubliche Mengen an Energie zur Erde schickt und dies voraussichtlich auch noch viele Milliarden Jahre machen wird, kommt nicht immer die gleiche Menge an Energie auf der Erde – und damit an den Solaranlagen – an.

Neben den Tages- und Jahreszeiten spielt das Wetter eine große Rolle. Logisch: Wenn es bewölkt ist, produziert eine Fotovoltaikanlage weniger Strom.

Stromnetzbetreibern bereitet dies Kopfzerbrechen. Sie müssen den Verbrauchern Strom liefern und also planen können, wann wo wie viel Strom produziert wird. Anders als bei einem Atomkraftwerk kann man bei einer Solaranlage nicht einfach die Leistung erhöhen, wenn mehr Strom gebraucht wird. Keine Sonne, kein Strom.

Die Forscher des luxemburgischen Forschungszentrums LIST sind das Problem angegangen und haben nun ein Modell vorgestellt, mit dem sich der Strom, der in den nächsten Tagen von Solaranlagen geliefert wird, besser vorhersagen lässt. Das Projekt trägt den Namen „PV-Forecast“ – zu Deutsch „Fotovoltaik-Vorhersage“. Verantwortlich für das Projekt sind die Forscher Daniel Koster und Frank Minette.

Kofinanziert wurde das Projekt des LIST von der Fondation Enovos, einer philanthropischen Stiftung des Energiekonzerns.

Obwohl Luxemburg nicht ganz so sonnenverwöhnt sei wie etwa Länder in Südeuropa, erklärte Enovos-Geschäftsführer Jean Lucius gestern bei einer Pressekonferenz, sei Solarenergie für Luxemburg wichtig. Insbesondere da sie einige Nachteile der Windenergie nicht habe – zum Beispiel den Bedarf an Land zum Bau von Windkraftanlagen.

Das neue Modell, das am LIST geschaffen wurde, kann die regionale zu erwartende Leistung aus Fotovoltaik über einen Zeitraum von 72 Stunden – also drei Tagen – vorhersagen.

„Basierend auf verschiedenen physikalischen und technischen Modellen kann der Algorithmus die zu erwartende stündliche Leistung aller Fotovoltaikanlagen in Luxemburg vorhersagen sowie spezialisierte Prognosen für eine Auswahl von 23 Fotovoltaik-Referenzsystemen generieren“, heißt es in einem Dokument des LIST.

Das Modell wurde über zwei Jahre lang getestet, und den Forschern gelang es, nachzuweisen, dass ihr Modell die tatsächliche Leistung sehr genau – mit einer sehr geringen Abweichung – vorhersagen kann. Kurzfristige Prognosen sind naturgemäß genauer als langfristige.

Das Modell benutzt führt für seine Prognosen Wetterdaten und technische Daten der Solaranlagen zusammen. Daneben spielt zum Beispiel das thermische Verhalten der Verkabelung eine Rolle genauso wie das Verhalten von Wechselrichtern oder der Umstand, ob Schnee auf der Anlage liegt.

LIST hat das Modell entwickelt und an Luxemburg getestet. Nun liegt der Ball bei den Netzbetreibern. Derzeit befinde sich LIST in Verhandlungen mit Enovos über die Verwendung des Modells, hieß es gestern. Aber auch andere Netzbetreiber könnten das Modell im Prinzip auf ihre Region anwenden.

Mehr Überblick für Esch/Alzette

Nach der Arbeit am PV-Forcast haben sich die Forscher des LIST bereits einem neuen Projekt gewidmet. Sie wollen Gemeindeverwaltungen eine IT-Plattform zur Verfügung stellen, mit der sie ihre erneuerbaren Energien besser planen können. Der Name dieses Projektes lautet Secure – Smart Energy Cities and Regions.

Die Entscheider können sich damit etwa sehr detaillierte Karten anzeigen lassen, die alle für Solaranlagen relevante Daten enthalten. So etwa die Sonneneinstrahlung, Schatten, der zum Beispiel durch Bäume verursacht wird, die Neigung von Dächern oder auch den geschätzten Energieverbrauch von Gebäuden. Dieser wird statistisch geschätzt.

Als Fallbeispiel haben die Forscher sich Esch/Alzette ausgesucht und konnten gestern bereits einige Karten vorzeigen. Verantwortlich für dieses Projekt ist der Forscher Ulrich Leopold.

Esch soll Stromproduzent werden

Der Stromanbieter und Enovos-Konkurrent Südstroum will die Bildung von Solar- Kooperativen aktiv voran treiben.

Südstroum will nicht mehr nur Energie aus dem Ausland verkaufen. Mittels eines neuen Konzepts will der Betrieb die Produktion von erneuerbaren Energien in Esch fördern.

Die Bürger sollen sich an den neuen Solar-Kooperativen beteiligen und Dividenden erhalten können.

„Wir wollen so viel Energie in Esch produzieren wie möglich“, sagte Torsten Schockmel, zuständig für Finanzen und Verwaltung bei Südstroum, im Juni gegenüber dem Tageblatt . „Wir wollen ein Maximum lokal produzieren.“

Da es derzeit aber nicht möglich sei, den kompletten Bedarf an Strom (inklusive Industrie) aus lokalen Quellen zu decken, laute das mittelfristige Ziel von Südstroum, alle Haushaltskunden mit lokalem Strom zu versorgen, erläuterte er.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Gesellschaft auf Fotovoltaik. Windräder könnten in Esch wohl leider keine aufgestellt werden, da Windräder weder zu nah an Wohngebieten noch in Naturschutzgebieten errichtet werden dürfen. Dabei könnte eine große „Windmühle“ aber bis zu fünf Prozent des lokalen Verbrauchs abdecken, bedauerte Schockmel.

Solarenergie wird bereits heute in Esch hergestellt. Es gibt Solaranlagen auf dem Dach von Privathäusern, auf dem des Rathauses und auf dem des CHEM.

cm


Yves Greis

 

Share this page: