Ein komplexes Wetterphänomen

Der Klimatologe Andrew Ferrone über ein nicht ganz verstandenes Klimaerereignis

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 07/06/2016

 

Für den Klimatologen Andrew Ferrone, Wissenschaftler am Luxemburger Forschungszentrum „LIST“, gibt es noch zu viele unbekannte Variablen, die das Wetterphänomen El Niño genau erklären könnten.

Wie kann ein Wetterphänomen wie El Niño das globale Klima beeinflussen?

Den größten Einfluss hat El Niño auf die Gebiete am Ost- und Westrand des tropischen Pazifiks. Die veränderte Meeresströmung in dieser Zeit führt zu einem veränderten Zustand der Atmosphäre. Diese wiederum führt zu einer Verstärkung der Niederschläge in Ecuador und Peru, während außergewöhnliche Trockenheit und Hitze im Raum Indonesien auftreten Das El-Niño-Ereignis hat aber auch in weit entfernteren Gebieten eine Auswirkung. Im südlichen Afrika und in Indien ist es typischerweise zu trocken und zu warm, während im Süden der USA und im Südosten Südamerikas mit zu feuchten Bedingungen gerechnet werden muss.

Es ist nicht das erste Mal, dass El Niño große Auswirkungen auf das Klima bis nach Europa hat (schon 1982/83 und 1997/98). Wie stark ist der El-Niño-Effekt 2015/16 einzuschätzen?

Um die Stärke eines El-Niño-Ereignisses zu messen, haben Wissenschaftler verschiedene Indexwerte eingeführt, um das Ereignis mit dem Normalzustand vergleichen zu können. Einige basieren auf Druckunterschieden, andere auf der Oberflächentemperatur des Südpazifiks. Anhand dieser Indexwerte ist El Niño 2015/16 von der Stärke her mit den Ereignissen von 1982/83 und 1997/98 vergleichbar. Für einige der Indexwerte ist das Ereignis 2015/16 das stärkste, für andere 1982/83 oder 1997/98.

Wie kann man sich das ständige Wiederkehren und die immer kürzer werdenden Abstände von El Niño erklären?

Die Wetterphänomene El Niño und La-Niña sind die entgegengesetzten Phasen einer Schwankung des Zusammenspiels zwischen Ozean und Atmosphäre im tropischen Pazifik. Man kann dies sehr grob mit einem Pendel vergleichen, das von einer Seite zur anderen schwingt. Leider ist die Schwingung im Fall von El Niño nicht so regelmäßig wie beim Pendel. Der Antrieb der Schwingung ist aktuell noch nicht verstanden und somit können langfristige Vorhersagen über die nächsten Jahrzehnte weder zu den Abständen noch zu der Stärke der Ereignisse gemacht werden.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen El Niño und dem Klimawandel?

Wie vorher beschrieben ist der Antrieb, der El Niño hervorruft, noch nicht verstanden und somit ist es auch nicht möglich, eine robuste Aussage über den Einfluss des Klimawandels auf das Phänomen zu machen. Der Anstieg der globalen Temperaturen führt allerdings zu einer erhöhten Verdunstung, die wiederum zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre führt. Dies führt generell zu einer Erhöhung der Unterschiede zwischen nassen und trockenen Regionen. Im Falle von El Niño wird erwartet, dass sich in den Regionen, die durch das Phänomen nasser werden es zu noch stärkeren Niederschlägen kommt, während in Regionen, wo Dürren auftreten sich diese verlängern werden.

Was bedeutet ein Super-El-Niño für Luxemburg? Müssen wir demnächst in Kontinentaleuropa mit bisher nicht gekannten Klimaereignissen wie z. B. Hurrikans rechnen?

In Europa und insbesondere in Luxemburg ist der Einfluss von El Niño nur sehr schwer festzustellen, da hier der Einfluss anderer meteorologischer Ereignisse eine viel wichtigere Rolle spielen. Insgesamt wird der Einfluss als gering eingeschätzt. Eine ähnliche Schwingung wie im Pazifik, gibt es auch im Atlantik, die sogenannte Nordatlantische Oszillation, die für das Wettergeschehen in Europa eine dominante Rolle spielt.

Die Klimaprojektionen des LIST für Luxemburg zeigen, dass sich die Niederschläge bis Ende des Jahrhunderts im Winter leicht erhöhen könnten, um 35 Liter pro Quadratmeter, während sie im Sommer um erhebliche 60 Liter pro Quadratmeter zurückgehen könnten. Auch zeigen die Projektionen eine Zunahme sowohl der Anzahl als auch der Intensität der Starkniederschläge im Vergleich zum aktuellen Klima.

INTERVIEW: CHRISTOPHE LANGENBRINK

 

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