Klimawandel in Luxemburg spürbar

Landwirtschaftsminister rechnet mit mehr Extremwetterereignissen - Darunter leiden nicht nur die Bauern und Winzer

Source : Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
Publication date : 07/30/2016

 

In Zukunft sei Experten zufolge »eher mit mehr als mit weniger Extremwetterereignissen zu rechnen als bisher«, erklärte Landwirtschafts- und Weinbauminister Fernand Etgen am Dienstag im Weinbauinstitut in Remich. Die Verschiebung von Klimazonen, häufigere und oft auch schwerere Unwetter und eine größere Variabilität des lokalen Klimas führen indes nicht nur zu massiven Ernteausfällen, auch die Ausbreitung tropischer und subtropischer Krankheiten wird durch die Erderwärmung befördert.

Steigende Temperaturen bergen zudem direkte Gesundheitsrisiken. Besonders betroffen sind Alte, kleine Kinder und chronisch Kranke. Die Zahl der »heißen Tage« pro Jahr, an denen die Temperatur mehr als 30 Grad erreichen kann, hat sich in unseren Breiten seit den 50er Jahren mehr als verdoppelt. In der Folge ist die Zahl der Hitzetoten deutlich gestiegen. So haben die extrem hohen Temperaturen im Sommer 2003 in ganz Europa etwa 52.000 Menschenleben gekostet. Ebenso nimmt durch steigende Temperaturen die Zahl der Tiere und Pflanzen zu, die bei Menschen allergische Reaktionen hervorrufen können.

In manchen Regionen Süddeutschlands breiten sich inzwischen wärmeliebende Insekten wie die aus Südasien stammende Tigermücke (Aedes albopictus) aus, die schwere Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber übertragen können. Für Landwirte und Winzer ist das Wetter unheimlich wichtig. Derart außergewöhnliche Wetterereignisse wie in den vergangenen Wochen machen ihnen zu schaffen - egal, ob es viel regnet, wie in diesem Jahr, oder ob es wie letztes Jahr schon im Frühjahr sehr trocken und sehr heiß ist. Zwar können solche Wetterkapriolen in einem begrenzten Umfang durch spezielle Anbaumethoden ausgeglichen werden, aber wie es am Dienstag in Remich hieß, haben manche Winzer in diesem Jahr »alles richtig gemacht und dennoch ist alles kaputt«. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts haben die Winzer in Europa mit dem aus Kalifornien, USA eingeschleppten Eipilz Falscher Mehltau (Plasmopara viticola), umgangssprachlich auch nach dem alten Gattungsnamen Peronospora genannt, zu kämpfen. Doch an ein solches Ausmaß des Befalls ihrer Reben könnten sich selbst die Alten unter den Winzern nicht erinnern, hieß es am Dienstag in Remich.

Hinzu kommt die Gefahr durch einen möglichen Befall durch die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Das in Südostasien beheimatete Insekt wurde 2014 zum ersten Mal in Luxemburg nachgewiesen. Trockenheit und Hitze wie im Jahr 2015 drücken die Überlebensrate des Schädlings und bremsen die Vermehrung des Insekts, das auch gesunde Früchte ansticht und seine Eier ablegt. Feuchte und gemäßigte Temperaturen wie in diesem Jahr bewirken das Gegenteil.

Nicht nur reifende Trauben können von der Kirschessig fliege befallen werden, auch Kirschen, Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Pfirsiche, Pflaumen, Nektarinen, Aprikosen und andere kurz vor der Ernte stehende Früchte werden geschädigt. Im Rahmen eines 2015 angelaufenen großflächigen Monitoring-Programms des Weinbauinstituts IVV und des Forschungszentrums LIST an der Luxemburger Mosel wurden am 19. Juli die ersten Kirschessigfliegen des Jahres in Köderfallen festgestellt, die in der Nähe von Brombeerhecken standen.

Nach Auswertung der gefangenen Fliegen und der Befallsbonituren an den Beeren überwachen die Wissenschaftler den Populationsaufbau, um den Winzern davon ausgehend den richtigen Bekämpfungszeitraum empfehlen zu können. Der kurze Generationszyklus der Kirschessigfliege macht sie nämlich zu einem mit heutigen insektiziden schwer bekämpfbaren Insekt.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die globale Temperatur um rund ein Grad erhöht. Allein 0,6 Grad dieser Erwärmung ist seit Ende der 70er Jahre erfolgt. Das sollte man sich allerdings nicht als kontinuierlichen Anstieg sondern als steigenden Trend vorstellen, der die monatlichen, jährlichen und mehrjährigen Schwankungen im globalen Mittelwert überlagert. Wir können den Klimawandel also nicht mehr aufhalten. Selbst wenn sofort alle Emissionen von Treibhausgasen eingestellt würden, änderte sich das globale Klima noch für Hunderte Jahre weiter. Die Anpassung daran geht uns also alle an.

oe

 

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