Start-ups und andere Inspirationen

Mehr als in anderen Staaten standen bei der luxemburgischen Staatsvisite in Finnland die Wirtschaftsbeziehungen im Mittelpunkt. Neben konkreten Geschäftsaussichten konnte sich die Luxemburger Delegation dabei auch einen Eindruck von der finnischen „Innovationsindustrie“ machen. Die Macher der Start-up-Gemeinde Espoo nahe Helsinki warnten die Besucher aus dem Großherzogtum allerdings davor, dass ihre Modelle nicht eins zu eins kopier- und anwendbar seien.

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 05/14/2016

 

„Kommt vorbei, lasst euch inspirieren und macht einfach“ – Kasper Suomalainen, der junge, hippe und redefreudige Leiter von „Startup Sauna“ vertritt ein simples und auf den ersten Blick überaus sympathisches Motto. „Startup Sauna“ hat allerdings nichts mit der berühmten, global exportierten finnischen Erfindung eines Schwitzbades zu tun, sondern ist die Bezeichnung eines Start-up-Projekts, das sich weltweit einen Namen gemacht hat. Angesiedelt an der Aalto-Universität im finnischen Espoo nahe Helsinki wurde das Projekt von den Studenten selbst aufgebaut. Nur das industriell angehauchte Gebäude hat die Universität vor fünf Jahren zur Verfügung gestellt. Mittlerweile sind hier etliche kleine, innovative Unternehmen entstanden.

„Safe-to-fail-Klima“

Durch das Projekt werden die Studenten laut Suomalainen an die Geheimnisse des Unternehmer- und Innovationsgeistes herangeführt. Durch Crashkurse, Praktika, Coaching- und Mentoringprogramme sowie Treffen mit Investoren ist die „Sauna“ rasch zur Referenz in der finnischen Start-up-Szene aufgestiegen. Jeder kann zwar vorbeikommen „einfach machen“ und losinnovieren – in die begehrten Förderprogramme werden mittlerweile aber nur weniger als ein Prozent der Interessenten aufgenommen; 2015 wurden 14 von 3 000 Bewerbern zugelassen. Jenen, die es schaffen, stehen dann rund 80 Coaches und ein weltweites Netzwerk von Self-Made-Unternehmern zur Seite. „Startup Sauna“ kooperiert mit der renommierten Stanford University, Google und vielen anderen Instituten und Unternehmen.

Ein Mal im Jahr veranstaltet das Projekt eine Investorenkonferenz. Aus der ganzen Welt reisen Player der Start-up-Branche an. Laut Suomalainen werden die Start-up-Unternehmer „von A bis Z begleitet“. Dabei herrsche ein Klima des „safe to fail“; niemand muss es mit seiner Geschäftsidee auf Anhieb schaffen. Angesichts der hohen Nachfrage der Start-up-Schmiede dürften jene, die scheitern, aber schnell weg vom Sauna-Fenster sein.

Kasper Suomalainen weist auch auf ein „gängiges Missverständnis“ hin. Finnland gelte zwar als „Vorbild für was auch immer“. Sein Projekt sei aber „kein Modell“. „Vielleicht ist es das beste Modell für Finnland, es kann aber nicht kopiert werden“, sagt er. „Start-ups müssen von den Menschen selbst und im Kontext der jeweiligen Landeskultur entwickelt werden.“ Die Besucher aus Luxemburg lauschten und nickten. Dennoch war in der Delegation immer wieder die Rede vom „Vorbild Finnland“, an dem man sich „orientieren“ könne.

Finnische Vorzeigeuniversität

Das Start-up-Programm funktioniert zwar unabhängig von der restlichen Aalto-Universität, passt aber zum Konzept der Forschungs- und Lehreinrichtung. Die Uni ist 2010 gegründet worden und geht auf eine Fusion von drei renommierten finnischen Hochschulen zurück. Rund 20 000 Studenten, 5 000 Mitarbeiter und 400 Professoren konzentrieren sich hier auf die Ausbildung und die Forschung in „Zukunftsbereichen“, die multidisziplinär und konsequent an die Anforderungen des Arbeitsmarktes konzipiert sind. „Alles ist ausgerichtet auf Innovation“, sagt Hannu Seristö, Vizepräsident der Universität. Auch er betont vorweg, dass das Konzept „nicht eins zu eins in anderen Staaten umsetzbar“ sei.

Die Kernbereiche der Uni sind Wirtschaftsinnovationen, ICT und Digitalisierung sowie die Entwicklung von Technologien zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen und Materialien. An dieser Stelle kommt ein anderes Projekt, „Design Factory“, ins Spiel, das auch die Luxemburger Delegation besuchte. Ähnlich wie in „Startup Sauna“ werden Studenten hier Arbeitsbereiche und kompetente Partner aus aller Welt angeboten – der Schwerpunkt liegt allerdings auf Maschinenbau und Ingenieurwesen.

Die Universität ist stolz auf das, was sie in den vergangenen sechs Jahren geleistet hat. Der Campus liegt etwas abgelegen vom Stadtzentrum Espoo, das wiederum nur 20 Minuten Fahrt von der Hauptstadt Helsinki entfernt ist. Mit der Gründung der neuen Universität und deren Wachstum wächst aber auch die Stadt. Eine neue Straßenbahn und Wohnsiedlungen sollen das Anwachsen des Innovationsstandorts sinnvoll begleiten.

Das Nokia-Vermächtnis

Alle Gesprächspartner berichten aber auch von dem anderen, „alten Espoo“. Bisher war die Stadt nämlich von der bisherigen finnischen Erfolgsgeschichte, dem Konzern Nokia geprägt. Das Unternehmen, das bis 2011 der globale Mobiltelefon-Marktführer war, ist seit einigen Jahren in der Krise. Die Mobilfunksparte wurde 2014 an Microsoft verkauft. 2016 fusionierte der Rest des Unternehmens mit dem französischen Konzern Alcatel-Lucent. „Nokia“ ist für die Finnen heute ein Synonym für die verspätete Anpassung an ökonomische Realitäten. Die luxemburgische Delegation besuchte den Nokia-Hauptsitz zwar im Rahmen der Staatsvisite, aber nicht um Manager des Unternehmens zu treffen, sondern um das Bildungsprojekt „Me and My City“ kennenzulernen, das eher zufällig in den Räumen des einstigen Weltmarktführers untergebracht ist.

Eine letzte Station des Staatsbesuchs führte die Delegation dann in das staatliche Forschungszentrum VTT. Hier wurde in geheimen anmutenden, unterirdischen Bunkern vor James-Bond-Kulisse eine Absichtserklärung zur Kooperation zwischen VTT und dem „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (List) unterzeichnet. Und auch hier betonte ein Vorstandsmitglied das „Vermächtnis“ von Nokia und schwor auf die neue, wettbewerbsfähige, aber nicht so einfach kopierbare „Innovationsindustrie“ seines Landes.

CHRISTOPH BUMB

 

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