Der Klimawandel und der Agrarsektor

Herausforderungen und Chancen in Landwirtschaft und Weinbau

Source : De Letzeburger Bauer
Publication date : 06/28/2024

 

Im Rahmen des vom LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) und der Section des Sciences des Institut Grand Ducal organisierten Konferenzzyklus zum Klimawandel, fand am vergangenen 11. Juni die vierte Konferenz statt. Im Mittelpunkt standen die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau und die Landwirtschaft. Welches der möglichen Klimaszenarien in Zukunft eintreten wird, ist von vielen Faktoren abhängig. Fest steht, die Vegetationsperioden verlängern und verschieben sich. Für die Landwirte und Winzer ergeben sich aus den Vorhersagen neue Herausforderungen.

Michael Eickermann vom LIST stellte unterschiedliche Klimaszenarien vor. Es gibt nicht nur ein einziges, sondern gleich eine Vielzahl. Auf einen gemeinsamen Punkt berufen sich alle Modelle: den Verbrauch von fossilen Energieträgern, und somit die Produktion von C02. Entsprechend, ob wir mehr oder weniger fossile Energieträger verwenden und welche Bemühungen in die Wege geleitet werden, wird die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur mehr oder weniger stark ansteigen.

Der Temperaturanstieg steht synonym für die Zunahme von Trockenperioden und somit einem steigenden Wasserbedarf für die Bewässerung. Auf der Tagesordnung wird vermutlich das fortschreitende Waldsterben stehen sowie das Auftreten von extremen Wetterereignissen mit kurzzeitigen, aber erheblichen Niederschlägen bis hin zu Sturzfluten. Gleichzeitig kommt es zur Verschiebung der Vegetationsperioden. Diese werden sich je nach eintretendem Szenario um 20 bis 60 Tage verlängern. Mit dem Vegetationsvorsprung, der sich heute bereits bemerkbar macht, nimmt das Risiko von Spätfrostschäden und somit drohenden Ernteausfällen zu.

Zunahme von Schädlingen

Nicht nur die Temperatur- und Wasserverhältnisse haben einen negativen Einfluss auf die Kulturen. Der potenzielle Zuwanderungstermin von Schädlingen verschiebt sich ebenfalls auf einen früheren Zeitpunkt. Sowohl in der Landwirtschaft als auch im Obst- und Gemüseanbau steht somit eine weitere Herausforderung vor der Tür: der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Einerseits nimmt die Belastung der Böden, Kulturen und des Grundwassers durch den frühzeitigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu. Auch steht die Frage im Raum, nach welchen Mitteln die Landwirte greifen sollen. Kommt es zu Beginn der Vegetationsperiode zu Frost, so ist die Wirksamkeit der Spritzmittel verringert.

Im Gemüseanbau kann die Gewächshausmottenschildlaus, die sogenannte Weiße Fliege, zu einer Plage werden. Sämtliche Entwicklungsstadien werden vermutlich schneller durchlaufen, was wiederum zu einem schnelleren Populationsaufbau führen wird. Gemüsebauern müssen demnach ihre Bekämpfungsstrategien, beispielsweise mit Schlupfwespen, anpassen. Wie das geschehen soll, weiß man heute noch nicht, so Eickermann.

Mögliche Anpassungsstrategien sind mehrjährige Fruchtfolgeversuche an mehreren Standorten, Untersaaten zur verstärkten Speicherung von Kohlenstoff im Boden sowie die gleichzeitige Vermeidung der Ausggasung Klimarelevanter Gase.

Chancen im Weinbau

Im Weinbau stellt man aufgrund der Weinbauchronik von 809 bis 1904 fest, dass es einen Klimawandel schon immer gab und die Weinqualität stark abhängig von den Temperaturbedingungen ist. Es gibt nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen, so Daniel Molitor vom LIST.

Beim Huglin-Wärmesummenindex, oder kurz Huglin-Index, wird die Temperatursumme über der Temperaturschwelle von 10°C berechnet und diese von April bis September summiert. Bei der Berechnung werden sowohl die Tagesmitteltemperatur als auch die Temperaturmaxima verwendet und die berechnete Summe mit der geografischen Breite geringfügig modifiziert. Jede Rebsorte benötigt demnach eine bestimmte Wärmesumme, um auf Dauer in einem Gebiet mit Erfolg kultiviert werden zu können.

In diesem Bereich sieht der Referent eine wichtige Chance für die Winzer. Denn die zunehmenden Temperaturen erlauben es traditionellen Rebsorten, vollständig auszureifen. Als Beispiel führt Molitor die Sorte Rivaner auf Erst ab den 1990er Jahren wird der Huglin-Schwellenwert für Rivaner überschritten. Für die Qualität der Weine spricht auch die Tatsache, dass zwischen 2014 und 2020 alle sieben Jahrgänge wärmer waren als der Jahrhundertjahrgang 1976. Der zunehmende Huglin-Index erlaubt es den Winzern, andere Rebsorten anzubauen, etwa jene aus südlichen Regionen.

Neben Chancen gibt es auch Herausforderungen. Ähnlich wie in der Landwirtschaft sind dies extreme Wetterkonstellationen sowie der Rückgang der Niederschläge in den Sommermonaten und somit dem verstärkten Auftreten von Dürreperioden. Auch kommt es zu einer Verfrühung der phänologischen Entwicklung, einer Verlängerung der Vegetations- und Reifephase sowie einer Zunahme der Mostgewichte und somit erhöhte Alkoholanteile sowie einer Abnahme der Säure. Fazit: Die gewohnte Weintypizität wird sich verändern und kann im extremen Fall sogar gefährdet werden.

Im Weinbau heißt es demnach, über Bewässerungsanlagen nachzudenken, neue Rebsorten, die in wärmeren Regionen gut gedeihen, anzupflanzen und gegebenenfalls neue Standorte zu definieren. Um den Wetterkapriolen zu resistieren, besteht die Möglichkeit zum Anbau sogenannter "Piwis", also pilzresistenter Trauben. Zudem muss der Winzer die Pflanzenschutzstrategien anpassen.

Auf zu einer pflanzenbasierten Ernährung

Abschließend ging Sabine Kessler vom "Institut fir Biologesch Landwirtschaft an Agrarökologie Luxemburg", kurz IBLA, auf neue Ansatzpunkte im Kampf gegen den Klimawandel ein. Einerseits gilt es, die Lebensmittelverschwendung massiv einzudämmen. Etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel kommt nicht mal im Handel an. Der Grund: die Banane ist zu krumm, die Gurke zu gerade, zu groß oder zu klein, so Kessler. Solche unsinnige Regeln führen zur Verschwendung von Ressourcen, und somit zur Verschwendung von Energie und einem unnützen Ausstoß von C02.

Innerhalb der Landwirtschaft ist die Fleischproduktion für 51 % der klimaschädlichen Emissionen zuständig, führt Kessler fort. Die Agrarfläche in Luxemburg teilt sich in etwa zu 50% in Graslandschaften und 50% Ackerfläche auf. Die Mehrheit der zu bewirtschaftenden Agrarfläche wird hierzulande für die Futtermittelproduktion genutzt. Jener Anteil für die direkte Humanernärung ist erschreckend gering.

Sabine Kessler vertritt daher die Meinung, dass der Fleischkonsum und die Aufzucht von Tieren für den menschlichen Verzehr sowie zur Milchproduktion schnell verringert werden müsse. Stattdessen müsse der Anteil an Ackerland für die humane Lebensmittelproduktion gesteigert werden. Nur so könne man langfristig die C02-Emissionen in der Landwirtschaft eindämmen. Kessler wirbt daher für den Anbau von hochwertiger Nahrung wie Erbsen, Soja, Ackerbohnen, Lupinen, Linsen und Kichererbsen. Diese Erzeugnisse müssten, um einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, dann lokal verarbeitet werden.

André Feller

 

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