Die Folgen des Klimawandels auf die Biodiversität

Lebewesen reagieren auf verschiedene Arten auf neue Lebensbedingungen 

Source : De Letzeburger Bauer
Publication date : 07/05/2024

 

In den vergangenen Wochen berichteten wir an dieser Stelle über den vom Institut Grand-Ducal und dem LIST organisierten Konferenzzyklus über die unterschiedlichen Folgen der veränderten klimatischen Bedingungen. Kürzlich referierten die Experten über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität und somit direkt und indirekt auf die Land- und Forstwirtschaft sowie den Weinbau. 

Professor Lucien Hoffmann, Vorsitzender der Section des Sciences des Institut Grand-Ducal, zitierte zu Beginn der Konferenz gleich mehrere Beispiele von Einflüssen auf die Biodiversität. Sollte es zu einem jährlichen Temperaturanstieg von 3 Grad Celsius kommen, so Hoffmann, hat dies zur Folge, dass sich südliche Arten rund 400 bis 500 km weiter nach Norden ausbreiten. Es würde demnach zu Arealverschiebungen von Pflanzen und Tieren kommen. 

Der Brombeer-Perlmuttfalter (Brenthis daphne), beispielsweise ist ein Schmetterling, dessen Lebensraum sich bisher in Südeuropa, im Nordosten der Türkei, Irak, Iran und weiten Teilen Zentralasiens bis nach Japan befand. Seit den stetig steigenden Durchschnittstemperaturen wurde dieser Falter 1980 im Süden Lothringens nachgewiesen, 1997 im gesamten Lothringen und im Jahr 2000 in Düdelingen, so Hoffmann. 

Auf dem Gebiet der Avifauna führt der Redner das Beispiel des Bienenfressers auf. Sein Verbreitungsgebiet reichte bisher von Südwest- und Vorderasien, Nordwestafrika sowie Süd- und Südosteuropa nordwärts bis Südostpolen. 2003 wurde er erstmals in Luxemburg nachgewiesen. Mit dem Klimawandel werden sich nicht nur neue Tier und Pflanzenarten Richtung Norden ausbreiten. Bisher heimische Arten werden unter steigenden Temperaturen aussterben, wie der Vorsitzende dies am Beispiel der Rotbuche und des Blauschillernden Feuerfalters (Lycaena helle) aufführt. 

Eine Pflanze, viele Standorte 

Lebewesen können auf verschiedene Arten auf neue Lebensbedingungen reagieren, erklärt Laura Daco vom Musée National d'Histoire Naturelle. Im Extremfall sterben Populationen von betroffenen Lebewesen, seien es Mikroorganismen, Pflanzen oder Tiere, aus. Gelingt es ihnen zu überleben, so geschieht dies durch die sogenannte phänotypische Plastizität oder durch eine Veränderung des Genoms. Bei ersterem bildet das betroffene Individuum je nach gerade vorherrschenden Umweltbedingungen ein unterschiedliches Erscheinungsbild bei gleichbleibender Erbinformation aus. Bei Pflanzen geschieht dies beispielsweise über eine andere Wuchsform, was als Plastizität bezeichnet wird. Im zweiten Fall passt sich eine Pflanze langfristig durch eine Veränderung des Erbguts an, dann spricht man von Evolution. Eine dritte Möglichkeit zu überleben, geht mit der Migration, also mit einem Standortwechsel einher. Soweit zur Theorie. 

Die Forschung von Daco konzentrierte sich auf die Effekte, die ein Standortwechsel auf den Gemeinen Wundklee hat, eine weit verbreitete Pflanze in Europa. Der Wundklee zeigt sich anpassungsfähig in verschiedenen Regionen und Höhenlagen quer durch Europa. Die Forscher, neben Daco noch Guy Colling vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und Professor Diethart Matthies von der Uni Marburg, sammeln seit 2015 Samen von 40 verschiedenen Wundklee-Populationen an diversen geografischen und klimatischen Standorten. Diese Populationen stammen von alpinen Bedingungen über subpolares Klima in Island bis zum gemäßigten Klima in Luxemburg. 

Die gesammelten Populationen wurden in einem Garten in Luxemburg ausgesät, um sie einer gemeinsamen Umwelt auszusetzen. Interessanterweise zeigten die einzelnen Populationen unterschiedliches Verhalten. Das Gartenexperiment enthüllte genetische Anpassungen in den Populationen, die auf eine fortlaufende Evolution hinweisen, so Daco. Zuzüglich der genetischen Unterschiede je nach Standort zeigten Wundkleepopulationen aus alpinen und subpolaren Regionen hingegen nur geringfügige Plastizität, was sie extrem anfällig für die sich schnell verändernden klimatischen Bedingungen machen.

Die Schlussfolgerung der Forscher legt nahe, dass verschiedene Pflanzenarten eher langsam auf neue Lebensbedingungen reagieren. Daher mahnen die Forscher mit Dringlichkeit, den Klimawandel möglichst schnell einzudämmen. 

Herausforderung für die Phytopathologen 

Serena Rauch, Phytopathologin in der Administration des Services Techniques de l'Agriculture (ASTA), betrachtete den Klimawechsel aus phytosanitärer Sicht. Arbeitsschwerpunkte der Dienststelle für Phytopathologie sind Untersuchungen von Krankheiten und Schadorganismen an Pflanzen. Die Abteilung der ASTA arbeitet in dem Zusammenhang mit anderen Verwaltungen wie Veterinäramt, Zoll und Gesundheitsamt zusammen. Im Vordergrund stehen dabei die Überwachung meldepflichtiger Quarantänekrankheiten und die Beschaffenheitsprüfung von Pflanzkartoffeln im Rahmen der Zertifizierung. Die Analysenergebnisse sind für die staatliche Beratung, die Wirtschaft, vor allem im Zusammenhang mit Qualitätssicherung und Umweltschutz, von großer Bedeutung, so Rauch. 

Sicherlich ist der Klimawandel eine der Ursachen, weshalb sich Krankheiten in pflanzlichen Kulturen aufgrund geänderter Lebensbedingungen ausbreiten. Ein anderer Grund ist der globalisierte und weltweite Handel von Waren sowie des weltweiten Personenverkehrs. Mikro- und andere Schadorganismen wie Insekten, Parasiten, Nematoden oder Phytoplasmen können so leicht eingeschleppt werden, warnt Rauen. 

Als Beispiel führt die Referentin das sogenannte Feuerbakterium (Xylella fastidiosa) aus den Gebieten Nord-, Mittel- und Südamerikas auf. Es hat in den letzten Jahren auch Europa erreicht. Erstmalig nachgewiesen wurde der Schaderreger 2013 in Italien, später in Frankreich, Spanien und Portugal. Es handelt sich um einen Erreger, der mit schweren Erkrankungen einer Vielzahl von Pflanzen im Zusammenhang steht. Serena Rauch unterstreicht, dass dieses Bakterium in der Lage sei, bis zu 300 Pflanzenarten zu befallen. 

Das Feuerbakterium besiedelt das Xylem-Netzwerk in Pflanzen und blockiert dort den Transport des Wassers von der Wurzel bis in die Blätter. In Folge des Befalls vertrocknen die Pflanzen innerlich und sterben ab. In Luxemburg seien vor allem die Weinreben von einem Befall dieses Bakteriums bedroht. Seit 2015 führt die ASTA in Luxemburg ein intensives Monitoring durch, um ein Vorkommen des Feuerbakteriums möglichst schnell zu entdecken. 

Aktuell sind der Verwaltung 407 pflanzliche Schadorganismen bekannt, wovon die Mehrzahl Insekten und Milben sind, gefolgt von Viren, Viroiden und Phytoplasmen. Am dritthäufigsten tritt ein Pilzbefall auf, so Rauch. Sie warnt, dass das Verbreiten neuer Schadorganismen vielfältige Risiken birgt. Diese bestehen nicht nur in der Bekämpfung der Krankheiten, sondern haben auch einen Impakt auf wirtschaftliche, soziale und Umwelt-Ressourcen. Allgemein sei das Risiko recht hoch, sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Waldwirtschaft, in der es aktuell nur noch 16% gesunde Bäume gibt, schlussfolgert die Phytopathologin. 

Henry-Michel Cauchie, Leiter der Abteilung Umweltmikrobiologie und Biotechnologie beim LIST, ging in seinem Beitrag auf eine weitere Gefahr für die Gesundheit ein: Die Übertragung von Erregern durch eingewanderte und importierte Stechmücken. Besonders gefährlich seien dabei blutsaugende Stechmücken aus der Familie der Culicidae. Beim Stich dieser Insekten können etwa Viren übertragen werden. Ein spezielles Augenmerk hat das LIST aktuell auf das sogenannte Denguefieber und das West-Nil-Fieber. Seit einigen Jahren tauchen beide Krankheiten zunehmend auch in Luxemburg auf, was zum Teil auf die Migration der Stechmücken zurückzuführen ist. Dies ist wegen der steigenden Temperaturen in unseren Breitengraden möglich. Eine für diese Gattungen beliebte Quelle, sich zu verbreiten, sind Auto- und Traktorreifen, in denen sie in kleinen stehenden Wasseransammlungen ihre Eier ablegen, die sich dann zu Larven entwickeln. 

Exotische Stechfliegen als Gefahr 

2023 wurde in Luxemburg in insgesamt zehn Fällen einer Ansteckung mit dem Denguefieber registriert. 2022 waren es erst zwei Fälle. Um eine weitere Ausbreitung der exotischen Stechmücken zu verhindern, führen die Autoritäten ein Monitoring durch, so Cauchie. Aktuell geschieht dies an zwei Standorten: Einerseits im Logistik Hub in Bettemburg sowie andererseits an der Autobahnraststätte der „Aire de Berchem". Diese Standorte wurden gewählt, weil hier die meisten Reisenden einen Zwischenstopp einlegen bzw. weil das Gros der Waren in Bettemburg umgeschlagen wird. Privatpersonen können über die Smartphone-Anwendung „Mosquito Alert" Sichtungen von exotischen Stechmücken an die Behörden übermitteln. Beim Aufspüren einer Tigermücke werden zum Beispiel präventive Maßnahmen in einem Umkreis von 300 m ergriffen, so Cauchie. 

Der Hydrologe Micha Bunusevac ging zum Abschluss der Konferenz auf die Wichtigkeit der Renaturierungen von Bächen ein. Aufgrund zahlreicher wasserbetriebener Mühlen in der Vergangenheit, waren viele Bäche und Flüsse in Luxemburg historisch bedingt begradigt. Steile Uferwände sind aber alles andere als förderlich für die Biodiversität, so der Hydrologe. Am Beispiel des Areals „Brill-Dumontshaff" zwischen Schifflingen und Foetz weiß man heute, dass sich die Renaturierung mehr als gelohnt hat. Die Artenvielfalt hat rasant zugenommen, genauso wie der Hochwasserschutz. In dieser Region war eine Flurbereinigung notwendig, so der Redner. Auch wenn die Bauern zunächst gegen die Renaturierung protestiert hätten, weil sie um den Verlust ihrer Weide- und Agrarflächen gefürchtet hätten, wurde eine für alle Seiten gute Lösung gefunden. Die Landwirte würden in dem neuen Naturschutzgebiet Galloway-Rinder halten und aufgrund dieser Spezialisierung gute Absätze in der gehobenen Gastronomie finden, so Bunusevac. Demnach eine Win-win-Situation für die Artenvielfalt und für die Landwirtschaft. 

Anhand zahlreicher Beispiele führte der Redner weitere Vorteile der Renaturierung auf. Grundsätzlich sind dies immer wieder die Zunahme der Biodiversität sowie eine Verbesserung des Hochwasserschutzes. Letzteres macht sich nicht nur punktuell und lokal am Standort der Renaturierung selbst bemerkbar, sondern kann auch etliche Kilometer flussabwärts positive Auswirkungen haben, wie das beispielsweise in Fels der Fall sei, so der Hydrologe. 

Anhand zahlreicher Muster lässt sich schlussfolgern, dass Renaturierungsmaßnahmen und Umleitung von Flüssen und Bächen eine von vielen Lösungen sind, dem Klimawandel wirkungsvoll zu begegnen.

Andre Feiler 

 

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