Die Profi-Bestäuber

Das Interesse an Imkerei ist groß, wie die Teilnehmerzahl an entsprechenden Kursen belegt. Gleichzeitig ist immer wieder vom „Bienensterben“ die Rede, worauf erst kürzlich wieder der „Lëtzebuerger Landesverband fir Beienzuucht“ (FUAL) hingewiesen hat. Ein Forschungsprojekt liefert erstaunliche Einsichten in die komplexe Materie und widerlegt so manches hartnäckige Vorurteil.

Source : Tageblatt
Publication date : 02/23/2015

 

Eines der Vorurteile ist, am Bienensterben sei die Landwirtschaft schuld. Das mag einer der Gründe für das Agrarministerium gewesen zu sein, 2011 das Forschungsprojekt „Bee First“ am heutigen „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (LIST) in Auftrag zu geben. Welche Faktoren bei der Arbeit des Imkers und welche Umweltfaktoren führen dazu, dass Bienenvölker sterben? Zu dieser Fragestellung wurden alle Imker in Luxemburg befragt und „Landnutzungsformen“, zu denen auch die Landwirtschaft gehört, ausgewertet.

Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht die Landwirtschaft trotz des Einsatzes von Pestiziden am meisten zum Bienensterben beiträgt, sondern andere Landnutzungsformen wie Industrie, Infrastrukturen des Transports oder Freizeiteinrichtungen wie Golf- und Kinderspielplätze oder Campingplätze den Lebensraum der Tiere bedrohen. Das bedeutet: „Wenn ein Imker beispielsweise Bahnlinien in der Nähe seiner Bienenstellplätze hat, wird er im Winter mit hohen Verlusten rechnen müssen“, sagt Marco Beyer, Experte für Pflanzenschutz am LIST. 14-15 Prozent Verluste beim Bienenbestand im Winter werden von erfahrenen Imkern als „normal“ betrachtet und hängen mit natürlicher Sterblichkeit der Tiere zusammen.

Derlei Aussagen widersprechen dem Bild vom Imker als Naturmensch, einer Arbeit mit Tieren inmitten unberührter Idylle. „Bienen fliegen bis zu fünf Kilometer weit weg auf der Suche nach Pollen oder Nektar“, sagt Beyer, „da lässt es sich kaum vermeiden, auf das ein oder andere zu treffen.“ Das ließe darauf schließen, dass die Bilanz für den dicht besiedelten Süden in puncto Bienen schlechter ausfällt als für den Norden des Landes. Dem ist nicht so.

Obwohl der Norden nicht so großflächig zusammenhängende Industrieanlagen hat wie der Süden, schlägt hier vor allem die Abholzung des Waldes zu Buche. „In zwei von drei untersuchten Jahren haben wir im Norden höhere Verluste festgestellt als im Süden“, sagt Beyer für den Untersuchungszeitraum 2010-2013. Der Kriterienkatalog für das Forschungsprojekt enthält 137 unterschiedliche Formen, wie Land genutzt wird. Im Norden kommen vor allem die Vielzahl von touristischen Einrichtungen (Camping- oder Golfplätze), künstliche Gewässer und die Folgen von gezielter Abholzung sowie Baumreduzierung durch Windschlag zusammen. Hinzu kommt der hohe Anteil von Silikattrockenrasen im Norden, der den Bienen ebenfalls nicht guttut. In der Landwirtschaft wirkt sich vor allem Sommergetreide, das im Frühjahr gesät und im Sommer geerntet wird, „bienenschädigend“ aus. Das immer wieder zitierte Vorurteil, Rapsanbau sei schlecht für die Biene, bestätigen die gesammelten Daten nicht.

Traumhobby: Imker

So weit die Forschung. In der Praxis verzeichnet der „Lëtzebuerger Landesverband fir Beienzuucht“ ein starkes Interesse an Kursen zur Imkerei. 55 Teilnehmer bei der Auftaktveranstaltung zur Hobbyimkerei in Beringen, davon träumen andere Vereinigungen. Das Durchschnittsalter liegt bei 30-35 Jahren.

Es sind also keine „Rentner“ auf der Suche nach einem neuen Hobby. „Es gibt verschiedene Motivationen, zu den Kursen zu kommen“, sagt Beyers Kollege Michael Eickermann. Für diese Altersklasse gilt, dass sie familiär geprägt ist. „Da hat der Großvater oder der Vater schon geimkert“, sagt der Agrarwissenschaftler, der selbst Bienen hält. Seine Völker stehen in Oberkorn auf Flächen, die er mit einem Bauern zusammen ausgesucht hat. Von der Generalschelte auf die Landwirtschaft hinsichtlich der Bienenzucht hält er nichts. „Das Verhältnis Imker und Landwirt könnte wesentlich besser sein“, sagt er. Ein anderes Motiv, einen solchen Kurs zu belegen, ist es, der Natur etwas wiedergeben zu wollen. „Das sind Menschen, die sehen, da hapert es und die denken, da muss man etwas tun“, sagt der Hobbyimker. Andere suchen nach einer Beschäftigung, die ihnen den Aufenthalt in der Natur ermöglicht. Bienen sind nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier, weil sie Blüten bestäuben und damit für Früchte sorgen.

Das erklärt auch das Interesse. Pflaumen, Birnen, Äpfel oder Kirschen würde es, wenn viele Bienen sterben, in dem Maße nicht mehr geben. Der Prophezeiung Einsteins, dass nach den Bienen der Mensch stirbt, will Eickermann sich nicht anschließen. „Aber es wird wesentlich weniger Fruchtertrag geben“, sagt Eickermann. Folglich müssten auch Unternehmen zum Bienenschutz herangezogen werden.

Hier schließt sich der Kreis zur Forschung. „Bee First“ leistet sicherlich keinen Großteil, liefert aber einen kleinen Beitrag zur Lösung der großen Frage, wie die Natur monetär zu bewerten ist. Mit den „Emissionsrechten“ wurde bereits ein Kriterium für die Luft geschaffen. Wie sieht es mit dem Rest aus? „Wenn wir die Natur in monetären Einheiten erfassen, wird damit irgendwann auch gehandelt werden wie mit Finanzprodukten auch“, entwirft Beyer Zukunftsmusik.

Das stimmt angesichts des „grünen Images“, das viele Firmen und Institutionen gerne nach außen kommunizieren, umso nachdenklicher.

Bienen in der Stadt

Ein Bienenvolk umfasst etwa 40.000 Bienen. Zunehmend halten sie auch in den Städten Einzug. Bienen auf dem Balkon oder Dach zu halten, ist ein Trend. Ein Bericht des Naturschutzbundes aus dem Jahr 2011 stellt einen Hobby-Imker aus Hamburg vor, der die "Bienenkiste" für Stadtbewohner entworfen hat.Sie erleichtert das Halten der Tiere im urbanen Kontext. In Berlin wurde 2010 das Projekt "Berlin summt" gestartet. Auf dem Dach des Doms und des Musikinstrumentenmuseums leben derzeit Bienenvölker. Das geht aus der Homepage des Projektes hervor. Der Trend macht auch vor Luxemburg nicht halt. Auf dem Dach der städtischen Jugendherberge leben Bienen. Für 6,50 Euro gibt es das 250 Grammglas des "Pafendaller Hunneg" in dem Gästehaus. Das findet sich auf der Internetseite der Jugendherbergen www.youthhostels.lu.

Auch im Garten der Europäischen Investitionsbank (EIB) auf Kirchberg leben Bienen. Pressesprecher Richard Willis beziffert die Zahl auf rund 200.000, um die sich "Enthusiasten" der Bank kümmern, wie er sagt. Etwa 330 Imker und 700 Bienenstände gibt es insgesamt im Land. Das sind laut LIST die Zahlen des Veterinärmedizinischen Dienstes Luxemburgs. Dort müssen Bienenvölker registriert werden, schon allein, um mögliche Krankheiten oder Seuchen besser zu bekämpfen. "Bienenstände" sind die Plätze, an denen die Bienenvölker platziert werden.

Wiebke Trapp

 

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