Dominiert bald der Rotwein an der Mosel?

Den immer trockener und heißer werdenden Sommern muss sich auch der Weinbau anpassen.

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 08/11/2022

 

Bislang haben die heimischen Winzer von den Folgen des Klimawandels weitgehend profitiert. So hat der tendenzielle Anstieg der Temperatur unter anderem dazu beigetragen, dass die Qualität der Moselweine mittlerweile deutlich besser ist als noch vor 30 oder 40 Jahren. Nun aber gerät die Angelegenheit so langsam ins Kippen. "Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem die positiven Aspekte mit den zukünftigen Herausforderungen auf Augenhöhe sind", sagt Daniel Molitor. Der Agrarwissenschaftler arbeitet am Luxembourg Institut of Science and Technology (LIST) und untersucht dort den Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau des Großherzogtums.

Derzeit wird an den Hängen der Mosel vor allem Rivaner (Müller-Thurgau), Auxerrois, Elbling, Riesling sowie Pinot blanc und Pinot gris angebaut, also überwiegend Weißwein. Aufgrund der steigenden Temperaturen und der tendenziell trockener werdenden Sommer könnte sich Luxemburg aber durchaus zum Rotweinanbaugebiet entwickeln - gäbe es da nicht eine weitere Begleiterscheinung des Klimawandels.

Von Klimazielen verabschiedet

Denn die Sommer werden insgesamt nicht nur wärmer, sondern vor allem auch trockener. Und auf Dauer macht die extreme Trockenheit allen Weinsorten - egal ob rot oder weiß - zu schaffen. Und das gilt insbesondere für die jüngeren Reben, wie Molitor erklärt. Deren Wurzeln sind noch nicht lang genug, um in tiefere Erdschichten vorzudringen. Wobei auch dort für die älteren Rebstöcke so langsam nichts mehr zu holen ist.

"Wir sehen es bei unseren Klimaprojektionen, dass das, was wir heute als Extreme wahrnehmen, in der Zukunft die Regel sein werden", sagt Jürgen Junk, Leiter der LIST-Forschungsgruppe Agro-Environmental Systems. Die Mehrheit der Wissenschaftler habe sich inzwischen von der Vorstellung verabschiedet, dass das mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 definierte Ziel, also die Begrenzung der durch Treibhausgasemissionen verursachten Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad, noch zu erreichen sei, so Junk. "Es sieht im Moment danach aus, dass wir uns radikal umstellen müssen", erklärt er. Und das gelte auch für den Weinbau. Die Umstellung auf eher südliche Weinsorten wäre dennoch eine Option. Auch diese benötigen Wasser, aber eben weniger.

"Die Frage ist nur, ob die Kundschaft das tolerieren wird, wenn die Winzer an der Mosel statt Riesling oder Elbling jetzt südfranzösische Rotweinsorten anbauen", gibt Junk zu bedenken. "Zudem werden wir hier auch in den nächsten Jahren nicht nur mit Trockenheit, sondern auch mit Starkregen oder Spätfrost zu tun haben", sagt er. So habe es zum Beispiel in diesem Jahr am 2. April noch geschneit. Genau genommen sei es sogar der erste Schnee des Jahres gewesen, sagt Molitor und verweist zudem auf die extremen Unterschiede bei den Niederschlägen im Sommer. Während man in den Julimonaten der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 jeweils weniger als 15 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gemessen habe, seien es im Juli des vergangenen Jahres 207 Liter gewesen. Mit extremen Ausschlägen müsse also trotz Hitze und Trockenheit immer gerechnet werden. Von daher sei eine konsequente Umstellung auf südliche Rebsorten nicht empfehlenswert.

Diagnose aus der Luft

Was aber nicht heißt, dass man sich damit nicht auseinandersetzen sollte. Weshalb die Forscher des LIST gemeinsam mit dem Weinbauinstitut (IVV) in Remich auf Versuchsflächen auch Sorten anbauen, die für die Weinbauregion Mosel eher untypisch sind. Wie zum Beispiel den italienischen Primitivo oder aber die spanische Rotweinsorte Tempranillo. Rund 50 Rebsorten in insgesamt 150 Variationen stehen auf den gut sechs Hektar Versuchsfläche des Weinbauinstituts.

Das Testen anderer Rebsorten ist aber nur eines der Felder, auf denen die LIST-Forscher tätig sind. Ein weiterer Bereich, in dem vor Ort geforscht wird, ist das Laubwandmanagement. Durch ein gezieltes Schneiden der Blätter an den Rebstöcken kann unter anderem die Durchlüftung verbessert und dadurch die Pilzgefahr reduziert werden. In diesem Sommer ist Pilzbefall aufgrund der Trockenheit kein Thema. Dafür aber knallt die Sonne seit Wochen erbarmungslos auf die Reben. "Ist die Laubwand also zu stark geschnitten, droht den Trauben Sonnenbrand", sagt Molitor. Je nach Witterung könne die Entblätterung also eher schaden als nutzen.

Untersucht wird deshalb zum Beispiel auch, wie mithilfe von Kaolin ein Sonnenbrand verhindert werden kann. Das weiße, toxikologisch unbedenkliche Tonmineral wird im Obst- und Weinbau bereits zum Schutz vor Schädlingen wie der Kirschessigfliege eingesetzt - und es könnte möglicherweise auch gegen Sonnenbrand helfen. Molitor zeigt auf Rebstöcke, deren Trauben mit Kaolin besprüht wurden. Bislang sehen die Früchte noch gut aus.

Erforscht werden die Auswirkungen der Klimaveränderung auf den Weinbau auch aus der Luft. Unter anderem mithilfe einer mehr als 15 Kilogramm schweren Drohne, die Franz Ronellenfitsch über die Versuchsfelder manövriert. Am Bauch des Fluggeräts hängt eine Hyperspektralkamera. "Wir haben die Möglichkeit, in verschiedenen Spektralfrequenzen auf die Pflanzen zu schauen, und können über die Absorption des Sonnenlichts Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Reben ziehen", erklärt der Umweltwissenschaftler, der ebenfalls am LIST tätig ist.

Je nach Kamera, mit der die Drohne bestückt werde, lasse sich zum Beispiel die Wasserversorgung innerhalb des Zellapparats erfassen oder aber die Oberflächentemperatur der Blätter messen.

Bislang dient der Einsatz der Drohne rein wissenschaftlichen Zwecken. "Die Idee ist aber, eine Art Frühwarnsystem zur Detektierung von Stressfaktoren zu entwickeln", erklärt Tunk. Über das Weinbauinstitut könnten dann entsprechende Empfehlungen an die Winzer herausgegeben werden, damit diese dann mit Maßnahmen reagieren können. Der Vorteil der Spezialkameras besteht nämlich vor allem darin, dass sie die Reaktionen der Reben auf Stressfaktoren bereits erfassen können, bevor diese für das menschliche Auge sichtbar werden. Eine der großen Herausforderungen besteht laut Ronellenfitsch derzeit aber noch darin, die gewaltigen Mengen an Rohdaten auszuwerten.

Schlechtere Lagen profitieren

Und schließlich muss überlegt werden, wie man auf den Hitze-und vor allem den Trockenstress der Reben reagiert. Eine Möglichkeit ist, einen Teil der Trauben und der Laubwand zu entfernen, um die gestressten Reben - vor allem die jungen - bei zu viel Trockenheit zu entlasten. Die vielleicht naheliegendste Lösung ist indes eine zusätzliche Bewässerung. "Das aber ist nicht so einfach", sagt Molitor. Abgesehen von technischen Fragen, müsse natürlich auch geklärt werden, wo das Wasser herkommen soll, so der Agrarwissenschaftler. Denn wenn ohnehin schon große Trockenheit herrsche, könne ein zusätzlicher Wasserbedarf zur Bewirtschaftung der Weinanbauflächen durchaus zu Interessenskonflikten führen.
 

So einfach ist die passende Reaktion auf den Klimawandel für den Weinbau also nicht. Zumal die Auswirkungen auch von der Lage abhängig sind. "Bislang war es so, dass vor allem steile und nach Süden ausgerichtete Weinlagen besonders gute Voraussetzungen für den Wein waren", sagt Molitor. Angesichts der zunehmenden Trockenheit könne sich das nun auf die tiefgründigeren, flacheren Standorte verlagern, fügt er hinzu. Demnach könnten jetzt also vor allem die weniger exponierten Lagen von den Folgen des Klimawandels profitieren. Wobei auch das nur eine vorübergehende Erscheinung sein dürfte - solange, bis Hitze- und Trockenstress auch dort den Reben das Leben zu schwer machen.

Die Wein und die Wärme

Ausschlaggebend für die Qualität eines Weines ist unter anderem der Wärme-Genuss. Gemessen wird dieser über den vom Weinbauexperten Pierre Huglin entwickelten Huglin-lndex. Hierbei wird ein Durchschnittswert von den Tagesmittel- und Tagesmaximumwerten der Lufttemperatur gebildet und für den Zeitraum April bis September zusammengerechnet. Jede Rebsorte benötigt eine bestimmte Wärmesumme und der Index zeigt, wo welche Rebsorte am besten gedeiht. Während zum Beispiel der Müller-Thurgau bereits mit einem Huglin-Index von 1 500 auskommt, braucht ein Merlot 1900. In Luxemburg war es noch in den 1970-er Jahren häufig so, dass der jährliche Huglin-Index unterhalb des Grenzwertes für die vollständige Ausreifung der frühreifen Rebsorte Rivaner lag. Inzwischen wird dieser Grenzwert fast in jedem Jahr mühelos übersprungen, und meist erreicht er sogar die Grenzwerte für später reifende Rebsorten wie Riesling und Pinot noir.

he

Uwe Hentschel

 

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