Gebündeltes Know-how

In Luxemburg entsteht ein neues Kompetenzzentrum für Verbundmaterialien. Staat und Privatwirtschaft arbeiten Hand in Hand.

Source : Tageblatt
Publication date : 12/19/2015

 

100 Millionen Euro geben der Staat und die Privatwirtschaft gemeinsam für das neue Kompetenzzentrum aus. Die Kosten werden 50:50 geteilt.

Im Rahmen einer Pressekonferenz haben Staatssekretärin Françine Closener und der Delegierte Minister für Forschung, Marc Hansen, das „National Composite Centre – Luxembourg“ vorgestellt.

Die Industrie und der Staat wollen ihr Know-how auf diesem Gebiet in einer Plattform innerhalb des Forschungsinstitutes LIST zusammenlegen. Das Kompetenzzentrum soll vorerst in Räumlichkeiten des LIST in Bas charage untergebracht werden und später nach Belval ziehen.

In Luxemburg sind zum Beispiel mehrere Unternehmen des Automobilsektors beheimatet, die ihr Wissen um Verbundmaterialien einbringen können.

Geboren wurde die Idee im „Haut comité pour l’industrie“, berichtet Closener. Die staatliche Promotionsagentur Luxinnova tion hat dann Partner innerhalb der Privatwirtschaft gesucht und es wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die positiv ausfiel. Luxemburg verfüge über die nötige kritische Masse, um ein solches Kompetenzzentrum zu rechtfertigen.

Die voraussichtlichen Kosten für die nächsten fünf Jahre belauften sich auf 100 Millionen Euro, die Staat und Industrie sich zu gleichen Hälften teilen. 11,5 Millionen Euro werden gebraucht, um Ausrüstung anzuschaffen, die restlichen Millionen werden benötigt, um das Kompetenzzentrum zu betreiben. Rund 60 Forscher sollen an dem neuen Kompetenzzentrum arbeiten. Als Direktor wurde der belgische Forscher Philippe Dubois gewonnen.

Involviert sind auf öffentlicher Seite zum Beispiel die Universität und das Luxembourg Institute of Science and Technology. Aus der Privatwirtschaft sind Unternehmen wie der Chemiekonzern DuPont, der Autozulieferer Delphi und der Reifenproduzent Goodyear mit im Boot.

Es sei natürlich nicht so, dass die Privatwirtschaft und der Staat in Luxemburg nicht zusammen an Verbundmaterialien geforscht hätten, so Georges Thielen von Reifenhersteller Goodyear. Allerdings sei die Zusammenarbeit bislang immer bilateral gewesen. Im Klartext: Ein einzelnes Unternehmen hat ein Projekt zusammen mit dem Staat realisiert.

Thielen erhofft sich, dass mit dem neuen Kompetenzzentrum die Forschungsbemühungen stärker gebündelt werden können.

Was sind Verbundmaterialien?

Verbundmaterialen sind Werkstoffe, die aus mehreren Materialien bestehen, die miteinander verbunden sind. Sie besitzen andere Eigenschaften als die Ausgangsmaterialien.

Ein bekanntes Verbundmaterial ist Stahlbeton. Eben eine Verbindung aus Beton und Stahl. Er vereinigt Druck- und Zugfestigkeit der beiden Ausgangsmaterialien.

Glasfaserverstärkte Kunststoffe zählen ebenfalls zu den Verbundmaterialien. Sie vereinen Kunststoffe und Glasfasern in sich. Aus ihnen werden leichte, stabile Bauteile für eine große Zahl von Geräten gebaut, z.B. Autos, Flugzeuge und Leiterplatten. Unter anderem gibt es heute  Verbundmaterialien, in denen auch Naturfasern mit Kunststoffen verbunden werden.


Wo kommen diese Materialien zum Einsatz?


Verbundmaterialien werden heute in einer Unzahl von Bereichen eingesetzt und tragen zu Verbesserungen bei.

Bei Flugzeugen etwa werden sie unter anderem an den Flügeln, der Hülle, aber auch in den Rotoren verbaut. Materialien wie etwa das glasfaserverstärkte Aluminium (GLARE) sind besonders leicht und doch stabil. So können Flugzeuge gebaut werden, die weniger Sprit verbrauchen. Auch im Autobau kommen Verbundmaterialien wegen dieser Eigenschaften oft zum Einsatz. Daneben bestehen viele moderne Sportgeräte wie Skier, Baseballschläger, Surfbretter oder Tennisschläger aus Verbundwerkstoffen. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind schusssichere Westen, in denen oft das Material Kevlar mit anderen Stoffen verbunden wird.


Holz fürs Auto und Hanf fürs Flugzeug


Ein Forschungsschwerpunkt des neuen Kompetenzzentrums sind die sogenannten Bioverbund stoffe. Dabei handelt es sich um Werkstoffe, bei denen mindestens eine Komponente einen biologischen Ursprung hat.

Ein Biokomposit kann sich aus natürlichen und synthetischen Stoffen, zum Beispiel Plastik und Hanf- oder Holzfasern, aber auch rein aus natürlichen zusammensetzen. Die Naturfasern übernehmen dann dort die Aufgabe, die Kunststoffe zu verstärken. Diese Verbundstoffe kommen sehr häufig dort zum Einsatz, wo Leichtbauwerkstoffe von Vorteil sind, wie beispielsweise im Flugzeugbau, im Automobilbereich oder im Schiffbau.

Der Vorteil dieser Materialien ist, dass die natürliche Komponente eine nachwachsende ist.


Starker Norden, schwacher Süden

Es sind vor allem die nordeuropäischen Länder, die sehr viel in Forschung und Entwicklung (R&D) investieren. So gibt Schweden 3,16 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für R&D, Finnland sogar 3,17 Prozent aus. Das geht aus Eurostat-Zahlen hervor.

Auch Deutschland investiert mit 2,84 Prozent kräftig in künftiges Wachstum, indem es viel Geld in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte steckt. Belgien investiert mit 2,46 wie auch Frankreich mit 2,26 ebenfalls noch relativ viel seiner Wirtschaftsleistung in R&D.

Luxemburg hingegen kommt bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf einen hinteren Platz mit gerade mal 1,24 Prozent und liegt damit hinter der Tschechischen Republik (2,0), Ungarn (1,38), Portugal (1,29) und Italien (1,29).


Mit LIST zu neuen Horizonten


Das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) ist ein Forschungsinstitut, das vor allem in den Bereichen Materialien, Umwelt und IT tätig ist.

Das LIST arbeitet interdisziplinär und in Zusammenarbeit mit anderen Partnern wie großen Industriekonzernen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie öffentlichen Institutionen.

Es betreibt und fördert Grundlagenforschung ebenso wie angewandte Forschung. Hauptsitz des LIST ist die „Maison de l’innovation“ auf dem Campus der Universität Belval in der Avenue des Hauts-Fourneaux.

Insgesamt beschäftigt das Institut rund 630 Mitarbeiter, von denen in etwa drei Viertel in der Forschung tätig sind. Außerdem arbeiten am LIST gegenwärtig rund 70 Doktoranden.


Verbundmaterialien mit „sozialem Impakt“


Der Delegierte Minister für Forschung, Marc Hansen, sprach gegenüber der Presse von einem „sozialen Impakt“, den die Gründung des Kompetenzzentrums für Verbundmaterialien haben könne. Welcher das ist, kann anhand einiger Zahlen deutlich gemacht werden.

Der Sektor der Verbundmaterialien in Luxemburg generiert Regierungsangaben zufolge derzeit bereits 400 Millionen Euro im Jahr und steht für 1.600 Arbeitsplätze.

Der Markt für Verbundmaterialien soll Staatssekretärin Closener um rund zehn Prozent jährlich wachsen, um im Jahr 2020 90 Milliarden Dollar zu erreichen.

Durch das neu gegründete Kompetenzzentrum sollen bis zu 550 neue Arbeitsplätze entstehen. 


Yves Greis

 

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