Landwirtschaft 4.0

Wie das „Luxembourg Institute of Science and Technology“ Präzisionsinstrumente für effektivere Bodenbewirtschaftung entwickelt.

Source : Lëtzebuerger Journal
Publication date : 05/26/2017

 

„Rein theoretisch wäre das möglich“, antwortet Lucien Hoffmann auf die Frage ob die hiesige Landwirtschaft bis 2050 zu 100 Prozent auf „Bio“ umstellen könnte, wie es Jeremy Rifkin in seinem Bericht über die Dritte Industrielle Revolution anpeilt. Den Wandel zu schaffen hängt aber von einer Menge Faktoren ab, sagt der Leiter der „Environmental Research & Innovation“-Abteilung (ERIN) des „Luxembourg Institute of Science and Technology“, in der derzeit rund 170 Forscher arbeiten.

So schonend und effizient wie möglich

Zu diesen Faktoren gehöre natürlich der politische Wille, aber auch die Bereitschaft für veränderte Marktbedingungen. „Die Verallgemeinerung der Biolandwirtschaft im heutigen Sinne würde die Preise in dem Segment nach unten ziehen“, gibt der Spezialist für Botanik und Ökosysteme etwa zu bedenken, „dabei lebt der Sektor heute von etwas höheren Preisen als bei herkömmlichen Landwirtschaftsprodukten“. Allerdings befinde sich der Agrarsektor in einem tiefen Wandel, was nicht nur mit neuen Regularien zu tun habe, sondern auch mit der technologischen Entwicklung.

Das LIST arbeitet längst intensiv an Lösungen für die „Landwirtschaft 4.0“ im Sinne des Rifkin-Ziels eines „sicheren, hochqualitativen, transparenten und nachhaltigen Lebensmittelsektors“. Es geht darum, so schonend wie möglich mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen und diese so effizient wie möglich zu nutzen. „Heute wird sozusagen noch weitestgehend ‚blind' gespritzt“, erklärt Lucien Hoffmann, „morgen kann präzise dort gedüngt werden wo und in welchem Moment es notwendig ist“.

Big data

Die Schlüssel: Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung über die Pflanzen, die Böden, die Krankheiten und Schädlinge sowie das Wetter, die Auswertung der riesigen Datenmengen, die Sensoren im Feld, an den Pflanzen und bei den Wetterdiensten generieren, und der Vernetzung der Datenbanken und Maschinen untereinander.

Dass etwa über Satellit gesteuerte Drohnen präventiv Pestizide in genau der richtigen Dosierung gezielt über den Teil eines Feldes sprühen können, von dem man weiß, dass das Risiko hoch ist, dass die dortigen Pflanzen einen Pilzbefall riskieren, werde derzeit getestet, sagt der ERIN-Direktor. Auch an Lösungen, die genau ermitteln, wie gut die Ernte wird, zugleich die erforderlichen Maschinen bestellen, um sie einzuholen und weiter zu transportieren und das Buchhaltungssystem mit den dazu gehörigen Preisdaten füttern, wird gefeilt.

Reges Interesse für „Spin-off“ „Agroptimize“

Die Entwicklung zur Präzisionslandwirtschaft sei ein globaler Trend, sagt Lucien Hoffmann. Länder wie die Niederlande und Dänemark seien dabei Vorreiter. Das LIST arbeitet derzeit an einem Projektvorschlag für die präzisere Bewirtschaftung von Weinbergen. Im vergangenen Jahr hat es gemeinsam mit der Universität Lüttich und dem Unternehmen „Drone Agricole“ die Firma „Agroptimize“ gegründet. Kern des Geschäfts ist das Instrument „Phytoprotech“, eine Entscheidungshilfe für den präziseren Einsatz von Pestiziden gegen Schädlinge von Winterweizen, Gerste und Raps, basierend auf Risiko-Modellen, die sich aus der Auswertung der vorhandenen Datenmassen ergeben.

Die Firma entwickele sich gut, sagt Lucien Hoffmann, besonders die Nachfrage von großen französischen Agrar-Kooperativen sei hoch und zu Jahresende werde es bei „Agroptimize“ eine Kapitalerhöhung geben. Wobei das „Phytoprotech“-Instrument ständig weiterentwickelt wird.

 

LUXEMBOURG INSTITUTE OF SCIENCE AND TECHNOLOGY

Über 630 Mitarbeiter in drei Abteilungen

Das „Luxembourg Institute of Science and Technology“ entstand 2015 aus der Fusion der „Centres de Recherche Publics“ Henri Tudor und Gabriel Lippmann. Die Einrichtung in Belval, die Mitglied der „European Association of Research and Technology Organisations“ ist, zählt derzeit an die 630 Mitarbeiter, davon sind 75 Prozent Forscher und Experten für Innovation. Sie sind in drei Abteilungen aufgeteilt: Umwelttechnologien, IT und Materialtechnologien.

Mehr: www.list.lu

Claude Karger

 

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