Lebensretter „Made in Luxembourg“

Von der Nischensparte in Konzernen zu einem eigenständigen Luxemburger Unternehmen: Das ist die Geschichte von B Medical Systems. Von Hosingen aus exportiert es in die ganze Welt.

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 10/16/2015

 

45 Millionen Kinder wurden in den letzten Jahren in Nigeria gegen den Poliovirus geimpft. Der Aufwand war enorm, um Impfungen selbst in den entlegensten Dörfern durchzuführen. Doch die Kampagne war erfolgreich: Im September erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Polio-Epidemie in Nigeria für beendet. Das ist auch der Verdienst einer blauen Kühlbox „made in Luxembourg“.

2014 lieferte das Luxemburger Unternehmen B Medical Systems 2 000 sogenannte „Solar Direct Drive“-Systeme nach Nigeria. Diese Produkte lösen zwei Probleme: Erstens hält die Kühlbox die Impfstoffe konstant bei einer Temperatur zwischen zwei und acht Grad Celsius – selbst bei einer Außentemperatur von über 40 Grad. Zweitens werden die Helfer unabhängig von den oft fehlenden oder unzuverlässigen Stromnetzen. Den benötigten Strom liefern zum System gehörende Solarpanels.

Weltmarktführer aus Hosingen

„Bei der Kühlkette für Impfstoffe in Entwicklungsländern haben wir einen Marktanteil von 80 Prozent“, betont der CEO Luc Provost. „Wir produzieren das einzige System auf der Welt, das alle Etappen der Kühlkette umfasst.“

Auf diese Weise sicherte sich die Firma auch den Aufrag der Global Polio Eradication Initiative für die Kampagne in Nigeria. Dieses Projekt trug wesentlich dazu bei, dass der Umsatz 2014 um 20 Prozent stieg und 41,6 Millionen Euro erreichte.

Die Produkte aus Hosingen finden auch bei internationalen Organisationen Anklang. Unicef kaufte 2013 für 8,2 Millionen Dollar und 2014 für 14 Millionen Kühlsysteme des Luxemburger Herstellers.

Neue Unabhängigkeit

B Medical Systems entstand erst dieses Jahr als eigenständiges Unternehmen, aber es blickt auf eine lange Tradition der Produktion von Kühlgeräten in Luxemburg zurück (siehe Kasten). „In unserer Firmengeschichte waren wir immer Teil von internationalen Konzernen“, erklärt Provost. Bis März war das Unternehmen Teil des schwedischen Konzerns Dometic.

Das Management in Hosingen wollte jedoch eigenständig werden und die Firma übernehmen, erzählt Luc Provost: „In den letzten zehn Jahren haben wir fünfmal ein Management-Buy-out versucht. Nun ist es uns gelungen, zusammen mit dem malaysischen Investmentfonds Navis Capital Partners ein unabhängiges Unternehmen aufzubauen.“

Navis ist ein Private-Equity-Fonds, der vor allem in Südostasien tätig ist. Der Grund für die malaysisch-luxemburgische Zusammenarbeit ist ein persönlicher Kontakt zwischen den Managern der beiden Partner.

Wachstumspläne

„Da wir bisher nie zum Kerngeschäft der jeweiligen Mutterkonzerne gehörten, blieb die Entwicklung des Luxemburger Standorts immer begrenzt“, blickt der CEO zurück. Heute beschäftigt das Unternehmen knapp 200 Mitarbeiter in Hosingen, wo sowohl die Fertigung, der Vertrieb und der Kundenservice zentralisiert sind.

Mit der Unterstützung des Hauptaktionärs will das Management die neu gewonnene Eigenständigkeit nutzen und die Aktivitäten massiv ausbauen. „Die Investitionen von Navis haben uns erlaubt, unsere Produktionskapazität seit März zu verdreifachen. Das Ziel ist eine Verfünffachung bis Ende des Jahres. Wir haben in eine neue Fertigungskette investiert und zehn Prozent mehr Personal eingestellt“, erklärt Provost.

Das Unternehmen erwartet eine wachsende Nachfrage in den nächsten Jahren. „Die neuen Impfstoffe haben zwei Besonderheiten: Sie haben das fünffache Volumen von traditionellen Impfstoffen und einen Preis, der ebenfalls knapp fünfmal so hoch ist“, so Provost. Potenzielle Kunden sind deshalb an größeren und höchst zuverlässigen Kühlgeräten interessiert.

Weltweiter Vertrieb

Entsprechend baut das Hosinger Unternehmen seine Produktpalette aus: „Vor Ende des Jahres werden wir sieben neue Produkte auf den Markt bringen. Fünf davon sind Weltneuheiten in der Kühlkette von Impfstoffen“, sagt Provost. Die Kühlgeräte kommen weltweit zum Einsatz. „Seit 2013 haben wir unseren Umsatz in Asien und Afrika verdreifacht“, betont Vannier. Die umfangreiche Luxemburger Entwicklungszusammenarbeit helfe sehr, um in den jeweiligen Ländern Kontakte zu knüpfen, meint auch Pascal Vannier.

Er sieht darin aber auch eine gegenseitige Unterstützung: „Für Luxemburg ist es auch wichtig, dass es Produkte 100 Prozent ‚Made in Luxembourg‘ gibt, die das Land würdig in den Entwicklungsländern und den humanitären Programmen vertreten.“

Unter den Kunden von B Medical Systems finden sich auch Armeen. „Kurz vor dem Zweiten Golfkrieg entwickelten wir zusammen mit dem Pentagon ein Kühlgerät für Blutkonserven, das an der Front zum Einsatz kommt. Nachdem die US-Armee sie einsetzte, wurden sie zum Standard in der Nato.

Innovationsstandort Luxemburg

Dass das Unternehmen in einigen Segmenten zum Weltmarktführer wurde, hängt vor allem an einer beständigen Forschung und Entwicklung. In Hosingen arbeiten aktuell 14 Ingenieure an der Weiterentwicklung der Produkte, fünf weitere werden bis Ende des Jahres hinzukommen. Die Firma will künftig auch auf Synergien mit dem „Bio-Health-Cluster“, und dem Forschungszentrum LIST setzen.

Ein zweiter Erfolgsfaktor ist laut Provost ein weltweit einzigartiges Wissen in der Herstellung von Kunststoffformen im Rotationsverfahren. Dieses Verfahren erlaubt die Herstellung von doppelwandigen Plastikformen. So können die Kühlboxen besonders gut isoliert werden. Die quasi grenzenlose Anpassung der Formen ist ein weiterer Vorteil. Die Scharniere der Kühlboxen kann man etwa ohne Schraubenzieher wechseln.

Der nächste Schritt für B Medical System sind die „intelligenten Kühlgeräte“: Von Hosingen aus kann der Techniker das Funktionieren eines Kühlschrank am anderen Ende der Welt überprüfen.

LAURENT SCHMIT

 

Share this page: