Lëtzebuerger Wäibaudag : Dritter und letzter Teil unseres Beitrags zum weinbaulichen Topevent

Am 7. Februar 2018 fand der diesjährige Lëtzebuerger Wäibaudag in Wormeldange statt. Im letzten Teil unseres Beitrags uierdendie Vorträge in Sachen Flavescence dorée, ESCA und sanfter Rebschnitt, Spätfrostbekämpfung, Fäulnisvermeidung und Erzeugung hochwertiger Crémants thematisiert.

Source : De Letzeburger Bauer
Publication date : 02/23/2018

ARZ und Flavescence dorée 

Über österreichische Erfahrungen mit der Amerikanischen Rebzikade (Scaphoideus titanus) und Flavescence doree (abgekürzt FD) referierte Sabrina Dreisiebner-Lanz, Bio-Weinbauberaterin und Önologin. Die Fachreferentin kam zunächst auf das Weinbaugebiet zu sprechen, in dem sie tätig ist. Es handelt sich um das sogenannte „Vulkanland Steiermark", mit rund 1.500 ha in etwa so groß wie die Luxemburger Mosel. Geografisch liegt es auf 47-48° nördlicher Breite. 

2009 hat sich im Vulkanland Steiermark ein Verdacht auf FD erstmals bestätigt. In Österreich gibt es derzeit zwei Befallsgebiete mit begrenzten Flächen, und zwar in der Steiermark und im Burgenland. Bei FD handelt es sich um eine Vergilbungskrankheit, gleichzeitig eine Quarantänekrankheit. Verdachtsfälle müssen also gemeldet werden. Die Blätter drehen sich nach innen, werden später hart und steif. Gescheine verrieseln und Trauben trocknen ein: Die Schaderreger sind Mykoplasmen, zellwandlose Bakterien, die biologisch betrachtet , Merkmale von Bakterien und von Viren haben. Es gibt verschiedene Stämme und auch Mischformen mehrerer Stämme. Sie leben in den Siebzellen, brauchen lebendes Gewebe. Die Pflanze wird systematisch angesteckt von einem einzelnen Angriffspunkt aus. Eine Gesundung der Rebe ist nicht möglich. Beim Roden befallener Stöcke muss der Wurzelstock mit gerodet werden. Die Sortenanfälligkeit ist unterschiedlich. 

FD wird durch die Amerikanische Rebzikade (abgekürzt ARZ) übertragen, und zwar ab dem 2. Larven'stadium. Die Eier der ARZ werden v.a. im Stammbereich, im alten Holz, auch im Veredlungsbereich abgelegt. Dieser Schädling, der spezifisch Reben befällt, ist auch schon nördlich der Alpen zu finden und sein Verbreitungsgebiet größer als das der FD. Den ARZ-Zufüig kann man mittels Gelbfallen überwachen, die alle zwei Wochen geleert werden müssen. Die schwer auszumachenden, kleinen Larven haben zwei spezifische schwarze Punkte (in der Vergrößerung sehen sie eher wie Dreiecksflächen aus) am Hinterleibsende. 

Positive FD-Proben, die mikrobiologisch untersucht werden, sind in der Steiermark seit 2011 stark rückläufig, ein Zeichen dafür, dass die Quarantänemaßnalunen greifen. Einziges Gegenmittel ist die ARZ-Bekämpfung. Das Larvenstadium gilt als optimaler Bekämpfungszeitpunkt. Eine Kombination mit der Traubenwicklerbekämpfung ist in den meisten Jahren nicht möglich. 

Schwarzholzkrankheit ist eine ähnliche Vergilbungskrankheit. Doch gelten die befallenen Stöcke hier als sanierbar. Dennoch wird allgemein zur Rodung geraten. 

Die Beraterin aus der Steiermark gab einige Hinweise zur PD-Prophylaxe und -Bekämpfung mit auf den Weg: 

- gesundes Pflanzgut verwenden, 

- Nützlingsförderung betreiben, 

- Pflanzenschutz zur Kontrolle der ARZ, 

- bei PD-Auftreten Einzelstockbefälle erkennen und melden, engmaschiges Monitoring im Befallsgebiet und einzelbetrieblich, zeitnahe Rodung symptomatischer Stöcke "mit Stumpf und Stiel", 

- aufgelassene Weinberge (Drieschen) sowie gleichzeitiges Auftreten von FD und Schwarzholzkrankheit gelten als kritisch, 

- FD findet in der Waldrebe (Clematis vitalba) ein natürliches Reservoir. 

ESCA und sanfter Rebschnitt 

Dr. Mathias Petgen vom DLR Rheinpfalz in Neustadt widmete sich nachfolgend dem sanften Rebschnitt, In den vergangenen Jahren sei eine extreme Zunahme bei Holz zerstörenden Krankheiten wie ESCA und Eutypiose zu verzeichnen gewesen, sagte er einleitend. Als in der Diskussion stehende begünstigende Faktoren für die Zunahme dieser Krankheiten nannte er den Klimawandel, bestimmte Rebsorten und Unterlagensorten, Standbreiten und Erziehungssysteme. Haupteintrittspforten sind großflächige Schnittwunden. 

Diese Fakten sind der Ausgangspunkt einer neuartigen Schnittmethode, bei der großflächige Wunden vermieden werden. Der sogenannte „Sanfte Rebschnitt" wurde. von den Agronomen Marco Simonit und Pierpaolo Sirch im norditalienischen Friaul entwickelt und in Buchform veröffentlicht. Dr. Petgen erwähnte, dass die beiden italienischen Pioniere des Sanften Rebschnitts mittlerweile weltweit tätig sind und sich ihre Dienstleistung von Spitzenbetrieben teuer bezahlen lassen. 

In den Versuchsanlagen in Neustadt wird die Methode des Sanften Rebschnitts seit fünf Jahren eingesetzt. Der Experte vom DLR Rheinpfalz nannte zwei Maxime, die bei dieser Schnittmethode zu beachten sind: 

1. Maxime: wundarmes Schneiden, wenig Totholz, freie Leitungsbahnen 

2. Maxime: zwei Zapfen im Kopfbereich belassen (T-Erziehung) 

Des Weiteren gelten folgende Prinzipien: 

- Es darf grundsätzlich kein Schnitt in mehrjähriges, intaktes Holz erfolgen. Beim Schnitt sollte man einen Überstand belassen. 

- Rebschnitt und Ausbrechen bilden eine Einheit.

Dr. Petgen betonte, dass bei der Umstellung ein völliges Umdenken im Kopf nötig ist. Die Methode sei anspruchsvoll und schwer ·in älteren Anlagen umzusetzen. Anfangs müsse man ein Drittel mehr Arbeitszeit einplanen, während diese später so wie bei konventionellem Rebsclmitt sei. Der Sanfte Rebschnitt sei verwendbar für verschiedene Qualitäten, also auch für Basisweine. 

Abschließend gab der Experte vom DLR Rheinpfalz zu bedenken, dass ESCA eine sehr lange Inkubationszeit hat. Man wisse noch nicht, ob die neue Schnittmethode nun eine Revolution sei oder nur ein vielversprechender Ansatz. Und der IVV-Weinbauberater Serge Fischer ergänzte, dass zwei IVV-Anlagen mittlerweile ebenfalls mit dieser Schnittmethode behandelt werden. 

Spätfrostschäden verhindern mit innovativen Strategien 

"Dem Frost die kalte Schulter zeigen - innovative Bekämpfungsstrategien", so der Titel des Vortrags von Oliver Kurz, der ebenfalls im weinbaulichen Versuchswesen am DLR Rheinpfalz in -Neustadt tätig ist. Der Fachmann ging zunächst auf die außergewöhnliche Frostlage im April 2017 ein. Am 20. April wurden im untersuchten Gebiet in der Pfalz bis zu minus 7, 9°C in 2 m Höhe und minus 1,2°C in 15 Metern Höhe gemessen. Beim zweiten Frostereignis am 23. / 24. April war es nicht mehr so extrem kalt. 

Als potenzielle vorbeugende Maßnahme nannte der Experte vom DLR Rheinpfalz die Austriebsverzögerw1g. Mit „Double Pruning" ließe sich dieser um 10-30 Tage verzögern, mit einer Ölapplikation im Wollestadium um 15 Tage, wobei eine solche Applikation eigentlich keine Zulassung für diesen Verwendungszweck hat. 

Die weiteren Alternativen stellten technische Lösungen dar. Eine davon sind fix installierte Windräder der Marke Orchard Rite, die mit ihren · leicht nach unten geneigten Rotorenblättern eine Luftvermischung bewirken. In einer Versuchsanlage in Neustadt-Duftweiler decken neun dieser Rotoren eine Fläche von 45 ha ab. Diese schalten sich je nach Einstellung bei einer bestimmten Außentemperatur automatisch ein. Im April 2017 zählte man fünf Einsatznächte. Anhand von über die Fläche verteilten Temperaturfühlern konnte man die Temperaturwirkung nachvollziehen. In der extremen Frostnacht vom 19. auf den 20. April wurde die Temperatur in 2 m Höhe nur um 0,5-1 °C angehoben. In der nächsten Frostnacht waren es schon 2,5-4°C, die durch die Luftschichtenvermischung gewmmen wurden. Oliver Kurz hob hervor, dass es im Einzugsbereich der Windräder nicht zu frostbedingten Triebschädigungen kam. Die Gesamtinvestition am Standort Duttweiler bezifferte er auf 300.000 Euro für die komplette Fläche, die jährlichen Hektarkosten (hauptsächlich Zins und Tilgung) auf 800-850 Euro. Als Vorteile nannte er die ständige Einsatzbereitschaft, als Nachteile die Genehmigungspflicht, die Lärmbelästigung und die Erfordernis, wegen der hohen Investitionskosten gemeinschaftlich zu investieren. 

Als potenzielle Alternative stellte er den mobilen, zapfwellenbetriebenen Jutek Windmaster vor, der laut dem dänischen Hersteller 4-6 ha abdeckt und mit 33.000 Euro eine gleich hohe Investition darstellt wie der Orchard Rite. Zu diesem Gerät gibt es am DLR in Neustadt noch keine Erfahrungen und hierzu werden ab Frühjahr 2018 Versuche gemacht. 

An zwei pfälzischen Standorten wurde für jeweils 20 ha Rebfläche ein Helikopter eingesetzt, um die Kaltluft im Boden mit der darüberliegenden milderen Luft zu vermischen. Der Fachmann vom DLR Rheinpfalz sprach von einem Teilerfolg, weil bereits um Mitternacht zu niedrige Temperaturen herrschten, die Helikopter jedoch erst im Morgengrauen starten konnten. Pro Frostnacht müssen bei optimaler Auslastung 150 Euro pro ha veranschlagt werden. Als Vorteil ist zu nennen, dass keine Fixkosten anfallen. Die Nachteile sind aber vielfältig (gute Organisationsstruktur erforderlich, nur bei guter Prognose, nur in Gemeinschaft, Lärmbelästigung, erst 30 Min. vor Sonnenaufgang möglich, Limit von 20-25 ha pro Helikopter). 

Als innovativen Ansatz stellte er im folgenden die Top-Frost-Methode vor. Bei dieser Methode werden mit externem Strom versorgte Heizkabel in Alurohren verlegt. Diese Heizdrähte bleiben dauerhaft in der Anlage. 13.000 "Euro pro ha sind als Investitionskosten zu veranschlagen. Zusätzlich fallen Strom-, Treibstoffund Arbeitskosten an. Der Energiebedarf beträgt 100kVA pro ha. Oliver Kurz sagte zu dieser Methode, dass noch Erfahrungen 'fehlen, jedoch ab Frühjahr 2018 hierzu Versuche in Neustadt laufen werden. 

Sein Gesamtfazit zu den technischen Frostabwehrmethoden war, dass man es mitunter mit wirksamen, aber teuren und aufwändigen Verfahren zu tun hat und dass noch Forschungsbedarf besteht. Man hoffe erst einmal auf Jahre alme Spätfröste. 

Fäulnis und Fäulnisvermeidung 

Zwei Fachreferate waren der FäulnisThematik gewidmet. Zunächst war es IVV-Berater Robert Mannes, der die letztjährige Situation beleuchtete. Der IVV-Berater ging zunächst auf die Witterungssituation ein, bei der der heftige Spätfrost sowie die anhaltende Frühjahrstrockenheit sehr aus dem Rahmen fielen. Der Klimawandel führe zu durchweg physiologisch reifen Trauben, was die Produktion von hochwertigen Weinen ermögliche, so Robert Mannes. Als potenzielle Risiken sind Botrytis bzw. Essigfäule, Sonnenbrand und Beerenplatzen sowie neue Schädlinge zu nennen. Der Berater zählte einige Punkte auf, die im Kontext mit der Entblätterung beachtet werden sollten: Entblätterung nur in Kombination mit sauberer Laubwandarbeit. Wenn man ein Botrytizid mit der Entblätterungsmaßnahme kombiniert, kann der Wirkungsgrad des Mittels von 30% auf 80% gesteigert werden. Sorten, die zG Kompaktheit neigen, sollten zuerst entblättert werden. 2017 blieb von der abgehenden Blüte bis zum Traubenschluss nur wenig Zeit. Abschließend sprach er über weitere Präventionsmaßnahmen gegen Botrytis. So sollte zum Beispiel auf eine späte Bodenbearbeitung verzichtet werden. 

Der LIST-Wissenschaftler Dr. Daniel Molitor zeigte die Ergebnisse von Versuchen in Sachen Fäulnisvermeidung, die 2016 und 2017 getätigt wurden. Als potenzielle kurzfristige Maßnahmen nannte er Botrytizide, Bioregulatoren sowie die Teilentblätterung, Die Botrytizidversuche wurden am: IVV mit den Sorten Riesling und Pinot Gris über einen Zeitraum von sechs Jahren durchgeführt. Bezüglich des Einsatztermins ergab sich folgendes: Bei der Edelsorte Riesling wurden (nach einer ersten Spritzung in die abgehende Blüte) die besten Wirkungsgrade bei Folgespritzungen nach vier Wochen bzw. nach zehn Wochen erzielt. Bei Pinot Gris beschränkte sich das Wirkungsgradoptimum auf die Folgespritzung nach vier Wochen. Doch selbst zu diesen Optimalzeitpunkten erreichte der Wirkungsgrad nur rund 35%. Die Verzögerung einer Botrytis-Epidemie betrug nach einer einmaligen Applikation nur 2,2 Tage. Als viel wirkungsvoller erweisen sich jedoch Kulturmafsnahmen. So konnte durch Traubenteilen die Epidemie um 18 Tage verzögert werden. 

Des Weiteren hob der LIST-Wissenschaftler hervor, dass der Klon einen großen Einfluss haberi. kann. Er ging diesbezüglich auf eine Untersuchung von der deutschen Mosel ein, wo 25 Rieslingklone verglichen wurden. Bei manchen Rieslingklonen setzte die Fäulnis stets später ein. Doch diese Klone sind nicht frühreifend. Die Idealkombination „frühe ReiJe und späte Fäulnis" konnte nicht gefunden werden. Dr. Molitor sagte hierzu, dass die späte Fäulnis bei später Reife als interessante Kombination hinsichtlich des Klimawandels bewertet wird. Dies sei ein günstiger Baustein in einer Fäulnisvermeidungsstrategie, der keine zusätzlichen Kosten verursache. Zwischen früher und später Fäulnis gibt es neun Tage Unterschied (bezogen auf 5% Befall). Der Effekt einer Entblätterung wurde auf eine Verzögerung von 7,3 Tagen beziffert. Der Experte empfahl abschließend, mehrere Maßnahmen zu kombinieren. 

Hochwertige cremants sind kein Zufallsprodukt 

"Zeit ist Qualität- der Weg zu hochwertigen Crernants", so hatte Dr. Pascal Wegmann-Herr vom DLR Rheinpfalz seinen Vortrag betitelt. Der DLR-Experte sprach unter anderem über das Traubengut und die optimalen Grundweindaten: Fäulnis ist zu vermeiden, ebenso Wasserstress und N-Stress. Gesunde Trauben sind eine Grundvoraussetzung und der Ertrag muss moderat sein. Die Säurewerte dürfen nicht zu hoch sein, der Äpfelsäureanteil nur rund ein Drittel betragen. Die Trauben, mit einem optimalen Mostgewicht von 75-85°Oechsle, müssen so schonend wie möglich gepresst werden. Für die Grundweingärung sollte eine Frucht betonende Hefe gewählt werden. Bei der zweiten Hefe sollte ein Typ gewählt werden, der ein höheres Aromenpotenzial hat. Die zweite Gärung sollte zudem jahrgangsabhängig ausgerichtet· werden, zum Beispiel im Hinblick auf die eventuelle Begünstigung des biologischen Säureabbaus. 

Die fertigen Crémants sollten nur frisch degorgiert in den Verkauf kommen. Der Redner merkte schließlich an, dass sich manche Jahrgänge nicht für Spitzenprodukte eignen. 

Den Abschluss der Veranstaltung bildete wie immer eine Blindverkostung. Diesmal standen die Jahrgangs-crémants im Mittelpunkt, die zum Vergleich mit weiteren Schaumweinprodukten verkostet wurden. Sechs Crémants de Luxembourg, ein Cremant de Limoux sowie ein deutscher und ein spanischer Sekt standen zur Auswahl. 

 

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