„Luxemburg ist ein Leader“

Bertrand Piccard über das Innovationspotenzial des Großherzogtums. Es ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, denn Solar Impulse arbeitete von Beginn an mit großen Unsicherheiten sowohl was die Finanzierung als auch was die Technologie betrifft. Wir haben den Visionär hinter dem Ganzen auf der COP 23 interviewt: Bertrand Piccard.

Source : Tageblatt
Publication date : 11/17/2017

 

Tageblatt: Was ist Ihre Rolle bei der UN-Klimakonferenz?

Bertrand Piccard: Ich bin vor allem da, um Lösungen zu finden. Es gibt viele Probleme und die Leute sind deprimiert. Was wir zeigen müssen, ist, dass überall Lösungen zu finden sind: In den Laboratorien, in den Start-ups, den Universitäten, den großen Unternehmen. Und diese Lösungen werden zu wenig genutzt. Meine Rolle mit der „Alliance mondiale pour les solutions efficientes“ ist es, diese Lösungen den Instituten, Firmen und insbesondere den Regierungen zu vermitteln, um zu zeigen, dass wir viel mehr Mittel haben, als wir glauben, um die Klimaziele zu erreichen. Auf diese Weise können wir viel ehrgeizigere Klimapolitik betreiben als bis jetzt.

Nennen Sie ein paar Beispiele.

Wir haben bereits 462 Mitglieder in unserer Allianz und 498 Lösungen. Letztere werden begutachtet und an Investoren vorgestellt. Hier ein Beispiel: das Lagern von Hitze in Keramikblöcken, die in isolierten Containern transportiert werden können. Hitze, die irgendwo verloren gegangen ist, wird auf einer anderen Seite, wo man sie braucht, wieder aufgefangen. Ein weiteres Beispiel: die Entsalzung von Meerwasser durch Sonnenenergie, also mit variablem Strom. So etwas wurde noch nie gemacht. Oder Lösungen, um Sonnenlicht über Gewächshäusern biologischer Kulturen zu bekommen.

Besonders stolz bin ich auf einen Kasten, der in weniger als einer Stunde in einem Auto installiert werden kann, und der erlaubt, Wasser zu „hydrolysieren“, indem man die Energie der Auspuff anlage benutzt, um Wasserstoff zu produzieren, der wiederum den Motor des Autos antreibt. Das System nimmt 95 Prozent der schmutzigen Partikel aus den Abgasen und senkt den Spritverbrauch um etwa die Hälfte. Man sieht also, dass sich all diese Lösungen lohnen. Damit werden Arbeitsplätze geschaffen, Unternehmen können sich entwickeln, die Umwelt wird geschützt. Es geht um die Aussöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie.

Gibt es Interesse auf Seite der Investoren, in solche Projekte zu investieren?


Das Interesse ist enorm. Sogar auf Ebene der Weltbank stehen Trillionen Dollar bereit, investiert zu werden. Aber es gibt nicht genug Projekte, die begutachtet wurden und die rentabel sind. Auf Ebene des Venture Capital, also auf niedrigerer Ebene, ist die Situation exakt die gleiche. Wir sind dabei, einen Schatz aus all jenen Werten dieser Unternehmen zu schaffen, indem wir sie in Verbindung mit Investoren setzen. Gratis natürlich. Wir sind eine Non-Profit-Stiftung.

Wie sehen Sie die Chancen Luxemburgs, in solche Projekte zu investieren?

Luxemburg hat es stets geschafft, durchzustarten. Luxemburg hat immer Innovationen geschaffen. Das fasziniert mich. Denn heute seid ihr nicht nur dabei, euch vom Stahl oder von der Kohle weiterzuentwickeln, sondern auch gegenüber den traditionellen Finanzen, auf denen der Reichtum Luxemburgs basiert. Ihr geht noch weiter, mit neuen finanziellen Produkten wie jene der grünen Wirtschaft, oder besser gesagt, jenen der sauberen Wirtschaft. Und da wären noch die Beziehungen zwischen privater und öffentlicher Hand, mit denen noch mehr Investmentfonds freigesetzt werden. Auf diese Weise können sie noch effizienter auf Ebene der Umwelt und der Ökologie agieren.

Luxemburg ist ein Leader in diesen Sachen. Das luxemburgische Institut für Wissenschaft und Technologie entwickelt sich sehr gut. Wir sind gerade dabei, eine Zusammenarbeit auszuloten, um Lösungen unserer Allianz zu begutachten, um sie dem Großherzogtum zur Verfügung zu stellen.

Sie haben sich vorher mit Großherzog Henri unterhalten. Sie sind beide passionierte Umweltschützer. Welche Rolle könnte der Großherzog auf der Suche nach Lösungen spielen?

Die Kontinuität, die Vision und die Tatsache, dass er über den politischen Parteien steht, führt dazu, dass er die Diskrepanz zwischen rechts und links sowie zwischen Ökonomie und Ökologie vereinen kann. Das ist fundamental. Dem Großherzog kommt die Rolle des Einigers zu. Ich kenne Großherzog Henri persönlich seit vielen Jahren. Er ist ein Freund aus meiner Kindheit. Ich kenne seine ethischen, moralischen Werte, seine intellektuelle Ehrlichkeit. Und wenn er jetzt im Tesla vorfährt, dann ist es, weil er wirklich überzeugt ist, dass es das ist, was man machen soll. Er ist dabei, in Luxemburg etwas anzukurbeln, das vielen Industriellen und Institutionen den Mut gibt, noch schneller voranzuschreiten.

Wird Ihre Weltumrundung im Solarflugzeug irgendwann als Modell oder Vorbild für die Luftfahrt gelten?

Damals, als ich „Solar Impulse“ ins Leben rief, traute ich mich nicht, an so etwas zu denken. Ich habe immer gesagt, dass unsere Solarflugzeuge da seien, um Botschaften zu transportieren und keine Menschen. Und wenn ich jetzt ankündige, dass ich die Luftfahrt revolutionieren werde, dann nennen mich alle einen Verrückten. Aber eigentlich hätte ich das tun sollen.

Denn es ist genau das, was jetzt passiert. Alle Luftfahrtingenieure, die sich über mich lustig gemacht haben, als ich das Projekt Solar Impulse startete, arbeiten nun an der Entwicklung von Elektro-Flugzeugen. Und in weniger als zehn Jahren werden wir Flugzeuge mit 50 Sitzplätzen haben, die zu 100 Prozent elektrisch funktionieren werden – wenn auch nicht unbedingt mit Solarzellen betrieben. Die Solarzellen werden sich am Boden befinden. Dort werden die Flugzeuge vor dem Start und nach der Landung aufgeladen. Diese Flugzeuge werden eine Flugdauer von zwei bis drei Stunden schaffen. Dies hat enorme Vorteile. Zum Beispiel können diese Elektroflugzeuge in urbanen Zonen landen, ohne Krach zu machen. Diese Entwicklung schreitet schnell voran. Das macht mir Freude.

Sie sind eigentlich Psychiater von Beruf. Hat sich bei der Mentalität der Menschen in Bezug auf den Klimawandel zwischen der COP 21 in Paris und heute etwas verändert?

Als Psychiater stelle ich fest, dass sich die Leute nicht ändern wollen. Dies trifft zu, solange sie nicht entweder gezwungen werden, sich zu ändern, oder aber solange sie nicht ein persönliches Interesse oder einen Vorteil darin sehen, etwas zu ändern. Das Beste ist demnach, beides zu haben. Man braucht Regeln und Gesetze, die ehrgeizig genug sind, die Innovation zu fördern. Auf der anderen Seite hat man das Bewusstsein, dass sich all diese Lösungen lohnen. Vielleicht geht das schneller als die Politik. Das heißt, dass sich Unternehmen sagen, dass es einen Markt gibt, der sich sehr gut anbietet, entwickelt zu werden. Und dass es die Sache wert ist, der Erste zu sein, es zu tun. Und auch die Finanzströme, die sich langsam in Richtung erneuerbare Energien orientieren, können das Investieren in herkömmliche fossile Brennstoffe immer uninteressanter gestalten.

Ich würde sagen, Paris hat der aktuellen Entwicklung verdammt gut getan. Dort haben sich die Staatschefs dazu bewegt, etwas zu tun. Nun muss das Beschlossene zwar noch realisiert werden, aber es geht voran. Unsere Rolle – auf technischer Ebene – besteht nun darin, all diese Lösungen vorzustellen, jene von Luxemburg ist es, zu zeigen, wie das Ganze finanziert werden soll. Die Pioniere schreiten voran, und die anderen müssen nachgezogen werden.

Von Eric Rings, Bonn

 

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