Die Suche nach neuem Material
Source : Lëtzebuerger Journal
Publication date : 11/10/2015
Das Forschungszentrum "Luxembourg Institute of Science and Technology" (LIST) besteht aus einer interessanten Mischung von Chemikern, Physikern, Ingenieuren und Biologen, sowohl Grundlagenforscher von Universitäten wie auch Praktiker aus der Industrie. Rund ein Dutzend Patente hat das Institut dieses Jahr eingereicht, womit LIST Unternehmen Lizenzen vergeben kann und gleichzeitig gewährleisten können, dass die Technik geschützt ist. Jens Kreisel, wissenschaftlicher Leiter der Abteilung Materialwissenschaften der Forschungseinrichtung, erklärt, was es mit Material und Materialforschung auf sich hat.
Viele Materialien, mit denen wir heute täglich umgehen, scheinen immer schon da gewesen zu sein, sind in Wirklichkeit aber ganz neu.
JENS KREISEL Die Möglichkeiten der Materialforschung sind tatsächlich nahezu grenzenlos. Viele denken, Materialien wären alle schon entwickelt, dem ist aber nicht so: Es reicht, ganz kleine Details zu verändern, um ganz andere Eigenschaften hervorzurufen. So kann man Materialien, die vorher nicht magnetisch waren, magnetisch machen. Materialien sind in ihren Eigenschaften und Anwendungen sehr stark abhängig von ganz subtilen Änderungen in ihrer chemischen Zusammensetzung, und darauserklärt sich, dass im Prinzip die Möglichkeiten, neue Materialien zu entwickeln, eigentlich grenzenlos sind.
So kann man Material an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen?
KREISEL Absolut. Es können neue physikalische Eigenschaften entdeckt werden, so dass sie unterschiedlich eingesetzt werden können und unterschiedlichen Bedürfnissen genügen. Das Interessante an der Materialwissenschaft ist, dass ihre Definition sehr stark durch die Anwendung bestimmt wird. Materialwissenschaft ist im Grunde eine interdisziplinäre Grenzwissenschaft zwischen Chemie und Physik.
Das Wort Materia kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet Holz, einer der ersten Werkstoffe, die der Mensch benutzt hat. Die Materialwissenschaften interessieren sich demzufolge immer direkt für den Nutzen der Materialien, eine sehr anwendungsbezogene Wissenschaft also. Die Forschung in diesem Bereich zielt nicht nur auf das bessere Verständnis der Stoffe ab, sondern die möglichen Anwendungen treiben diese Forschung an. Materialwissenschaften und Teile von ihr wie Biotechnologie zum Beispiel oder Nanotechnologie können in ganz unterschiedlichen Bereichen Nutzen bringen. 70 Prozent aller neuen Produktinnovationen, so schätzt die EU-Kommission, basiert auf neuen Materialien.
Wir bei LIST arbeiten beispielsweise derzeit an bestimmten Nanopartikeln, die wir sowohl in Zusammenarbeit mit Goodyear aber auch mit der Kosmetikindustrie nutzen. Hier in meinem Department setzen wir viel Wert auf die Entwicklung solcher Grundbausteine, die dann nachher Anwendung in unterschiedlichen Märkten finden.
Es besteht also ein enger Kontakt mit der Industrie?
KREISEL Ja, und zwar geht das in beide Richtungen. Firmen, Universitäten und Forschungsinstitute treten an uns heran, aber auch wir wenden uns umgekehrt an sie, um ihnen unsere Technologien vorzustellen. Da herrscht natürlich auch ein reger Wettbewerb. Die 135 Beschäftigten der Materialforschung von LIST werben so im Jahr von außerhalb rund 9,5 Millionen Euro ein.
Viele der spannendsten und innovativsten Sachen finden im Grenzbereich statt, früher vor allem zwischen Chemie und Physik und heute zunehmend im Grenzbereich Chemie und Biologie, Biologie und Physik. Man darf nicht vergessen, dass die Natur viele Sachen eben ganz gut macht, und da könnten wir noch viel adaptieren.
MARCO MENG