Science-Fiction made in Luxembourg

LIST erntet die Früchte aus zehn Jahren Forschungsarbeit. Es ist nicht nur der Ausdruck Science-Fiction, der von einem Luxemburger erfunden wurde. Auch am Rennen in Richtung Mond ist Luxemburg mittlerweile ganz aktiv beteiligt.

Source : Tageblatt
Publication date : 05/03/2017

 

Eine wichtige Rolle, um Luxemburg einen Platz in der Weltraumindustrie zu verschaffen, spielt das staatliche Forschungszentrum LIST.

Das japanische Unternehmen iSpace etwa, dessen Zuzug nach Luxemburg Wirtschaftsminister Etienne Schneider Anfang März angekündigt hatte, „ist nur wegen unserer Technik nach Luxemburg gekommen“, sagt Forscher Tom Wirtz, der seit mehr als zehn Jahren an Massenspektrometern arbeitet.

iSpace hat dabei ein ganz besonderes Geschäftsmodell. Zuerst will man den von Google ausgerufenen Wettbewerb „Lunar X-Prize“ gewinnen. Rund 20 Millionen Dollar Preisgeld gibt es für das private Unternehmen, das als Erstes einen Rover zum Mond bringt, dort mindestens eine Strecke von 500 Metern zurücklegt und dann ein Video zur Erde zurückschickt.

In der Folge hat iSpace geplant, eine ganze Flotte von Rovern auf den Mond zu schicken. Diese sollen dann die Oberfläche analysieren und vor allem nach gefrorenem Wasser suchen. In einer dritten Phase will man Rohstoffe auf dem Mond abbauen, lagern, verarbeiten und abtransportieren können.

Weltraumtauglich machen

Zum Umsetzung setzt die Firma aus Japan dabei auf Fachwissen aus Luxemburg. Geplant ist unter anderem, gemeinsam mit dem Forschungszentrum LIST einen Massenspektrometer so zu verkleinern, dass er in die Rover eingebaut werden kann.

Zudem muss das Instrument weltraumtauglich gemacht werden, wie Tom Wirtz weiter erklärt: Wie reagiert die Elektronik, wenn die Temperatur an den Polen des Mondes auf minus 200 Grad fällt? Und wie schützt man das Instrument vor kosmischer Strahlung? Nebenbei soll auch noch der Energieverbrauch gesenkt werden. Der Rover mit dem Massenspektrometer soll, laut Plan, nach 2020 einsatzbereit sein.

Luxemburg kann bereits auf eine jahrelange Erfahrung im Bereich Materialanalyse zurückblicken. Eine solche Arbeitsgruppe gab es bereits lange vor der Gründung des LIST, so Tom Wirtz gegenüber dem Tageblatt. „Die luxemburgische Industrie fragte danach.“ Dabei denkt er an den Stahlkonzern ArcelorMittal – aber nicht nur. Auch für Unternehmen wie Ceratizit oder Goodyear sind Analyse und Einsatz von Materialien ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells. „Mit der Zeit haben wir dann eigene Sachen für den internen Gebrauch entwickelt“, so Wirtz weiter.

„Nun wollen wir das Ganze breiter aufstellen.“ Die Zusammenarbeit mit iSpace passe daher sehr gut in das Gesamtkonzept in Sachen Anwendungsmöglichkeiten für LIST-Technologie. „Die spezifischen „Bedürfnisse“, was die Raumfahrt angeht (beispielsweise große Temperaturschwankungen), sind dagegen völliges Neuland für uns. Hier werden wir auf die Kompetenzen von iSpace aufbauen“, so Wirtz.

„Wir sehen, was bisher nicht sichtbar war“

„Es ist das Resultat von zehn Jahren Arbeit“, unterstreicht Abteilungsleiter Jens Kreisel. „Heute ernten wir die Früchte.“ Es sei eine Nische, in der es weltweit kaum Konkurrenz gibt. Ursprünglich sei Grundlagenforschung betrieben worden, so Kreisel weiter. Der „Fonds national de la recherche“ (FNR) habe dies zum Teil mitfinanziert. „Und seit zwei, drei Jahren sind nun auch private Firmen mit dabei. Die langfristigen Investitionen aus der Vergangenheit haben sich also gelohnt.“

Hinzu kommt, dass das LIST im Bereich Massenspektrometrie nicht nur mit iSpace, sondern mit einer ganzen Reihe Partnern zusammenarbeitet. So etwa mit der US-Weltraumbehörde NASA: „Dieses Projekt ist im Oktober 2016 angelaufen. Es hat eine Dauer von zwei Jahren“, erläutert Tom Wirtz. „Das Projekt hat zum Ziel, herauszufinden, wo Massenspektrometer benötigt werden, wie man sie in der Raumfahrt einsetzen kann und wie das bestehende Instrument weltraumtauglich gemacht werden kann. Hauptziel ist die Entwicklung eines Prototypen.“

Einkünfte aus Patenten

Auch dieses Projekt ist ein Ergebnis der Space-Mining-Initiative von Wirtschaftsminister Etienne Schneider, so Jens Kreisel. Es habe sich aus einem Besuch des LIST von Pete Worden, offizieller Berater der Space-Resources-Initiative, ergeben. Zuvor war Pete Worden Leiter des Forschungszentrums Ames Research Center der NASA. „Der FNR hat uns bei der Bewerbung geholfen“, so Kreisel weiter. „Sie stellten die Anschubfinanzierung für das Projekt.“

Dabei ist es nicht so, dass der Staat Forschung finanziert und private Unternehmen einfach hiervon profitieren. „Wir wollen dafür sorgen, dass auch Luxemburg etwas davon hat“, unterstreicht Kreisel. „Daher schützen wir unsere Patente. Und Firmen müssen für Nutzungsrechte zahlen.“ Dabei erwirtschaftet das LIST keine Gewinne mit diesen Einnahmen. Das Geld wird für neue Forschung eingesetzt. Allein seine Abteilung meldet im Schnitt rund 15 Patente pro Jahr an.

Doch damit nicht genug. Die Forscher hoffen auch, dass künftig wirtschaft licher Mehrwert aus den gewonnenen Erkenntnissen entstehen kann. So arbeitet LIST derzeit an der Entwicklung des Prototyps für iSpace. In Zukunft jedoch, wenn iSpace wirklich „eine ganze Armee Rover“ in den Weltraum schickt, dann müssen diese auch irgendwo und von jemandem gebaut werden. Eine Option für LIST wäre die Gründung eines Spin-off mit einem industriellen Partner.

In dieser Hinsicht ist ein anderes LIST-Projekt bereits deutlich weiter fortgeschritten. Hier handelt es sich um ein gemeinsames Projekt mit dem Optik-Technologiekonzern Zeiss.

Hintergrund sei die Tatsache, dass das LIST bei der Massenspektrometrie an den Grenzen des Möglichen angelangt ist. „Mittlerweile halten wir den Weltrekord. Das Bild wird immer genauer. Wir sehen, was bisher nicht sichtbar war. Besser als heute geht nicht mehr“, so Tom Wirtz.

Und doch geht es noch besser: „Wir haben ein Elektromikroskop von Zeiss“, so Wirtz. „Dieses verbinden wir mit unserem Spektrometer. Aus beiden zusammen entsteht dann ein neues, patentiertes Produkt.“ Dieses kann dann sowohl das Material analysieren als auch die Strukturen im Material erkennen. „Diese Verbindung ist einzigartig. Das gibt es nur hier in Luxemburg“, so Wirtz weiter. Dabei gehe es immer um die gleiche Technik. Sie wird jedoch jedes Mal neu, d.h. anders eingesetzt.

Abflug am 28. Dezember

Und dieses neue Instrument will Zeiss nun vermarkten. Bereits fünf Prototypen wurden in Esch-Belval gebaut, getestet, ausgeliefert (drei in die USA und zwei nach Europa, davon einer nach Luxemburg) und weiter betreut. „Wir werden von Zeiss für Bau und Entwicklung bezahlt.“ In Zukunft wolle man das neue Instrument gemeinsam mit Zeiss vermarkten.

Dabei sind die beschriebenen Projekte nur einige von vielen im LIST. Insgesamt ist das Forschungszentrum an zehn weiteren Projekten der Europäischen Weltraumagentur ESA beteiligt. Auch die beiden US-Firmen Deep Space Industries und Planetary Resources haben beim LIST angeklopft und zeigen Interesse an den Ergebnissen der Forschung.

Am 28. Dezember des laufenden Jahres könnte dann ein (weltweit) sichtbares Resultat vorliegen. An dem Tag soll eine indische Rakete den ersten vier Kilogramm schweren Rover von iSpace in Richtung Mond befördern. Auf dem Rover soll das neue Luxemburger Motto „Let’s make it happen“ seinen Platz finden. Das hat der Geschäftsführer von iSpace dem Wirtschaftsminister versprochen.

Das Forschungszentrum LIST

LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) ist das größte luxemburgische Forschungsinstitut.

Es ist entstanden aus der Fusion der beiden staatlichen Forschungszentren CRP Henri Tudor und CRP Gabriel Lippmann. Rund 600 Mitarbeiter zählt das LIST. Es ist in drei große Bereiche aufgeteilt: Umwelt, ICT und Materialien.

Die Abteilung, die sich mit dem Massenspektrometer für die Mond-Mission von iSpace befasst, ist Teil des Bereichs „Materials, Research and Technology“. Sie zählt um die 150 Mitarbeiter. Geleitet wird sie von Jens Kreisel.
Rund 50 der Mitarbeiter aus dem Bereich arbeiten und forschen an Nanotechnologien und -materialien, während 30 Personen ihren Forschungsschwerpunkt auf mit kunst-stoff basierten zusammengesetzten Materialien („composite materials“) setzen.

Das Team von Tom Wirtz besteht aus 15 Mitarbeitern und arbeitet an der Herstellung von Geräten für die sehr feine chemische Analyse von Materialien – also an Massenspektrometern. 


Massenspektrometer

Ein Massenspektrometer ermöglicht es, zu erfahren, aus welchen Materialien etwas, beispielsweise die Oberfläche des Mondes, besteht. Es handelt sich um eine Elementaranalyse der chemischen Bestandteile einer Masse auf atomarem Niveau, erklärt Tom Wirtz. Um einen Stein zu analysieren, wird er zuerst mit einem Ionen-Strahl in seine Bestandteile zersetzt. Dann rastert man eine Stichprobe heraus. Dazu wird der Strahl mit Magnetfeldern gespalten und die Atome werden, je nach Masse, umgelenkt. Danach werden die einzelnen Atome von Detektoren gezählt. Schließlich werden die Daten von einem speziellen Computerprogramm analysiert. Ein Massenspektrometer kann bis zu 4,5 Millionen Euro kosten.


Christian Muller

 

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