Tödliche Gefahr für Viren

Die Technologie des Luxemburger Start-ups MPG ermöglicht die nächste Generation von Masken

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 12/17/2020

 

Masken prägen unseren Alltag im Corona-Jahr wie kein anderes Kleidungsstück. Für den Einzelnen nach wie vor das effektivste Mittel, einen Beitrag gegen die Ausbreitung des Virus zu leisten, bedeuten sie doch im täglichen Gebrauch eine ständige Irritation. Jedes mal, wenn der Träger sie anfasst, um sie zu richten oder sie für einen tiefen Atemzug kurz anzuheben, riskiert er damit, das Schutzmittel zu kontaminieren. Gerade im Kontext von Krankenhäusern und Arztpraxen ist das eine ständige Gefahr. Das Luxemburger Start-Up „Molecular Plasma Group“ (MPG) glaubt nun eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. Denn der Hersteller von Industrieanlagen hat ein Verfahren entwickelt, mit dem man antivirale Beschichtungen relativ einfach auf Stoffgewebe auftragen kann. Damit würden innerhalb weniger Minuten 99,9 Prozent der Viren absterben, wenn sie mit dem Stoff in Verbindung kommen, erklärt Marc Jacobs, der CEO des Unternehmens. Gestern unterschrieb Wirtschaftsminister Franz Fayot am Sitz des Start-ups in Foetz eine Übereinkunft, nach der der Luxemburger Staat die weitere Entwicklung der Technologie mitfinanziert.

Die richtige Kombination

Um Oberflächen antivirale Eigenschaften verleihen zu können, arbeitet das 2016 gegründete Unternehmen mit Plasma. Damit wird ein Material bezeichnet, das sich in einem vierten Aggregatszustand (neben fest, flüssig und gasförmig) befindet. Für die Produktionstechnik von MPG ist es eine Herausforderung, das Material in diesem Zustand zu erhalten, da es hochreaktiv ist, erklärt Jacobs. „Was uns nun speziell macht, ist, dass wir in einem extrem niedrigen Energiebereich von Plasma arbeiten. Wir haben ein Gas geradeso in den Plasmabereich gebracht. Das erlaubt uns nun, in das Plasma organische Moleküle einzubringen und an die Oberfläche zu binden – nur eine dünne Schicht von wenigen Nanometern“, sagt er. Abhängig von der Funktion, die das Unternehmen dem Material verleihen will, werden bestimmte Moleküle ausgewählt und auf die Oberfläche aufgebracht.

Um zu testen, welche Beschichtung sich am besten für den Kampf gegen das Virus eignet, hat das Unternehmen im März damit begonnen, zusammen mit Forschungspartnern wie dem „Luxembourg Institute for Science and Technology“ (LIST) über 500 Kombinationen von chemischen Stoffen und Prozessen auszuprobieren. „Wir haben erst geschaut, was funktioniert und gleichzeitig ohne Risiken ist“, so Jacobs. Entschieden hat sich das Entwicklungsteam letztlich für eine Beschichtung mit Zitronensäure, deren antivirale Eigenschaften hinlänglich bekannt sind. Getestet wurde das Verfahren bereits in Zusammenarbeit mit den Hôpitaux Robert Schuman, die angesichts der Knappheit von Schutzkleidung entschlossen haben, eigene lokale Kapazitäten für die Herstellung von Masken aufzubauen. Deren Masken sind bereits auf Letzshop erhältlich.

Zahlreiche Anwendungsbereiche

MPG ist in Gesprächen mit weiteren Produzenten von Masken in Europa, um diese auch mit entsprechenden Beschichtungsanlagen zu versorgen. Aktuell sind bereits zwei Maschinen im Bau, die im kommenden Jahr verkauft werden könnten. Durch den zusätzlichen Produktionsschritt, der der eigentlichen Herstellung der Masken vorgeschaltet ist, erhöhe sich der Preis für das Produkt letztlich nur „marginal“, betont Jacobs, „im Bereich von ein paar Tassen Kaffee“. Im Gegenteil sei der zusätzliche Schutz der Masken, eine Möglichkeit für europäische Hersteller mit der Konkurrenz aus Niedriglohnländern mithalten zu können. Das Verfahren eignet sich derweil nur für Einwegmasken, weil die antiviralen Eigenschaften einen Waschgang nicht überleben würden.

Jacobs betont aber, dass die Technologie sich nicht auf den Kampf gegen das CoronaVirus beschränke, auch wenn das ein Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit in den vergangenen Monaten gewesen sei. Grundsätzlich kann man mit Hilfe des Verfahrens eine ganze Reihe von funktionalen Beschichtungen aufbringen, die sich sogar mit einander kombinieren lassen, versichert Joanna Borek-Donten, die Entwicklungsleiterin des Unternehmens. So könnten die Materialien so behandelt werden, dass sie nicht nur Viren, sondern auch Bakterien und Pilze töten. Auch seien Masken nur der Anfang, betont Borek-Donten. Daneben könne man auch Arztkittel oder Brillen beschichten. Weitere denkbare Anwendungen seien Prothesen oder Pflaster, wo spezielle Beschichtungen Entzündungen verhindern oder die Wundheilung beschleunigen können.

Da die Technologie so vielseitig einsetzbar ist, sei es eher eine Herausforderung, sich auf bestimmte Anwendungen zu konzentrieren, sagt Marnick Dewilde, der kaufmännische Leiter des Betriebes. „Ich bin mir sicher, wenn Sie sich das Unternehmen in drei bis fünf Jahren anschauen, sind wir mindestens zehnmal größer als jetzt“, sagt er.

THOMAS KLEIN

 

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