Wie der Klimawandel die Landwirtschaft fordert

Trockene Böden, mehr Extremwetter, neue Schädlinge – auf die Bauern warten enorme Aufgaben

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 09/05/2023

 

Die Sicherheitsmaßnahmen im Quarantänelabor des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) in Belval erinnern an Szenen aus Hollywoodfilmen à la „Outbreak“ oder „Contagion“: Luftschleuse, geschlossener Wasserkreislauf und Insektizidbombe, die im Notfall gezündet werden kann, um die Schadorganismen zu töten, falls sie trotz aller Vorsicht einmal aus dem Inkubator entweichen sollten. Dabei werden in dem Labor keine Viren untersucht, die Menschen gefährlich werden könnten, sondern solche, die durch Pflanzenschädlinge übertragen werden, die es in Luxemburg noch gar nicht gibt.

Keinesfalls will man dafür verantwortlich sein, dass diese aus dem Labor entkommen und hier heimisch werden. Darum wird sämtliches organisches Material, das bei den Experimenten anfällt, sterilisiert. Der Grund, warum sich die Forscher mit den importieren Schädlingen befassen, ist der Klimawandel. Bereits jetzt haben sich in Luxemburg viele Insekten, Bakterien und Viren niedergelassen, die sonst nur in südlicheren Ländern zu finden sind. In Südeuropa wiederum machen sich aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen zunehmend Schädlingspopulationen breit, die aus Afrika oder Asien stammen.

Michael Eickermann, Agrarwissenschaftler am LIST, geht davon aus, dass auch diese im kommenden Jahrzehnt mit steigenden Temperaturen weiter nach Norden wandern werden. Darum werden in dem Labor des LIST in Inkubatoren die klimatischen Bedingungen simuliert, die für die 2030er Jahre in Luxemburg angenommen werden, und untersucht, wie die heimischen Pflanzen auf die bisher unbekannten Schädlinge reagieren. So soll schon jetzt über mögliche Schutzmaßnahmen nachgedacht werden können.

So stark betroffen wie kein anderer Sektor

Natürlich sind neue Schädlinge nicht die einzige Gefahr, die den Luxemburger Bauern durch die Erderwärmung droht. „Kein anderer Sektor wird so stark vom Klimawandel betroffen sein, wie die Landwirtschaft“, sagt Jürgen Junk, der Leiter der Forschungsgruppe „Agro-environmental System“ am LIST. An der Messstation Findel wurde seit den 1960er Jahren eine Steigerung der durchschnittlichen Lufttemperatur von 8,3 Grad Celsius auf 9,9 Grad festgestellt.

Zwar sinkt über das Jahr gesehen nicht die Gesamtmenge der Niederschläge, aber die Muster ändern sich auch hier. Frühling und Sommer sind im Durchschnitt trockener. „Das sind natürlich die für die Landwirtschaft entscheidenden Zeitabschnitte. Das kann zu erheblichen Problemen führen“, sagt Junk. „Hinzu kommt durch die gestiegenen Temperaturen eine höhere Verdunstung bei den Pflanzen.“ Es werde also auch mehr Wasser verbraucht. „Was sich in den letzten Jahren stark bemerkbar gemacht hat, war die Trockenheit im Frühsommer. Das setzt gerade dem Mais zu, der zu diesem Zeitpunkt mehr Feuchtigkeit braucht, um anzuwachsen“, sagt Christian Wester, der Präsident der Centrale Paysanne.

Zunahme von Hitzewellen

Die Forscher beobachten in den vergangenen Jahren zudem eine deutliche Zunahme von Hitzewellen, die den Boden zusätzlich austrocknet. Vergleiche man die Entwicklung mit anderen europäischen Regionen, wiesen südliche Länder wie Italien zwar absolut gesehen die höchsten Temperaturen auf, erklärt Junk, „aber wenn wir uns die relativen Änderungen sowohl in der Intensität als auch in der Frequenz der Hitzewellen anschauen, ist Luxemburg mit am stärksten betroffen.“

Umgekehrt komme es vermehrt zu Extremwettern, mit sehr viel Regen in kurzer Zeit. Der Boden kann das Wasser in solchen Fällen oft nicht vollständig aufnehmen und wird ausgespült. Die Folge ist auch eine verstärkte Erosion. „Die Extremwetterperioden werden häufiger und länger. Für die Betriebe stellt das zunehmend eine Herausforderung dar“, sagt auch Christian Wester.

So habe es in der Vergangenheit im Durchschnitt im Jahr etwa sechs Tage mit Niederschlägen von 20 Litern pro Quadratmetern gegeben, erklärt Junk. Für die Zukunft rechnen die Wissenschaftler mit durchschnittlich knapp zehn Tagen. „Durch steigende Temperaturen wird global mehr Wasser verdunstet und die Atmosphäre energiereicher. Das wird sich in zunehmend in extremen Ereignissen widerspiegeln“, so der Wissenschaftler.

Bis zu vier Grad Erwärmung

Am Ertrag könne man das noch nicht wirklich ablesen, weil es in dieser Zeit Fortschritte in der Züchtung und beim Einsatz von Düngemittel gegeben habe, sagt Eickermann. Dennoch seien regionale Unterschiede zu beobachten. Sein Eindruck sei, dass vor zwei Jahrzehnten die Erträge bei Raps am besten an der Mosel gewesen seien; inzwischen habe sich das aber bedingt durch die Niederschläge in den Ösling verschoben.

Um zu sehen, wie sich die Situation in den kommenden Jahrzehnten weiter entwickelt, erstellen die Forscher hochauflösende Klimaprojektionen für die Großregion, in denen sie für einzelne Regionen Luxemburgs errechnen, wie sich die klimatischen Bedingungen in den einzelnen Gegenden des Großherzogtums entwickeln werden. Im optimistischen Szenario, das aber nach Einschätzung der Forscher kaum noch zu erreichen sein dürfte, würde sich die Durchschnittstemperatur in Luxemburg auf 9,9 Grad erhöhen. Im pessimistischsten Szenario nimmt man eine Erhöhung auf 12,4 Grad an, also ein Anstieg von vier Grad seit den 1960er Jahren.

Die höheren Temperaturen bedeuten aber nicht, dass man sich beim zukünftigen Anbau einfach an den Kulturen wärmerer Länder orientieren kann. „Die Vegetationsperioden starten zwar tendenziell früher, aber dennoch hat man auch in diesen frühen Wochen weiterhin ein erhöhtes Frostrisiko, was sehr schädlich sein kann“, erklärt Junk. „Beispielsweise hat es in den letzten Jahren immer wieder zu Beginn der Rapsblüte Frostereignisse gegeben, die teilweise so stark war, dass der Raps ertragsrelevante Schäden zeigte.“

Druck durch Schadinsekten nimmt zu

Die insgesamt höheren Durchschnittstemperaturen bewirken nicht nur, dass sich andere Schadorganismen hier ansiedeln, sondern auch, dass sie sich früher im Jahr auf die Landwirtschaft auswirken. „Wir sehen beispielsweise bei den Schadinsekten frühere Zuflugtermine“, erklärt Eickermann. „Wir machen jetzt die Erfassung schon seit 17 Jahren; immer wieder dieselben Arten, immer wieder mehr oder minder auf denselben Feldern, in denselben Regionen. Da stellen wir fest, dass etwa alle zwei Jahre dieses oder jenes Insekt im Durchschnitt ein bis zwei Tage früher hier ankommt.“ Hinzu kommt, dass durch die milderen Winter mehr Schädlinge die Kälteperioden überstehen, sagt Wester. „Dadurch nimmt der Druck durch die Schadinsekten zu“, so der Landwirt.

Die Forscher des LIST stehen im ständigen Kontakt mit den Luxemburger Landwirten, auch um Wege zu finden, um den Ackerbau an den Klimawandel anzupassen. Ein Teil der Bauern im Land probiere immer neue Methoden aus, um den Herausforderungen zu begegnen. „Manche Betriebe bauen zum Beispiel weniger Mais an oder andere pflanzen Sonnenblumen an, weil sie weniger Wasser benötigen. Da müssen die Betriebe Erfahrungen über den richtigen Weg sammeln“, sagt Wester.

Bewässerung lohnt sich kaum

„Für mich wird die Frage Nummer eins sein, wie man die Feuchtigkeit im Boden über einen möglichst langen Zeitraum hält“, sagt Eickermann. Eine Möglichkeit sei, unter der eigentlichen Anbaufrucht eine Untersaat wie Gras oder Klee zu sähen, die auch die Erosion verlangsamt. „Es könnten aber auch neue Sorten mit einem besseren Wurzelsystem oder neue Düngetechnologien sein. Man könnte auch über Bewässerungstechnik nachdenken“, sagt Eickermann. Da würde sich aber die Frage anschließen, woher man das Wasser nehmen soll. „Hinzu kommt, dass das sehr teuer ist. Das lohnt sich eher für Spezialkulturen, die es aber kaum in Luxemburg gibt“, so Eickermann.

Ein Problem sei schließlich auch die Geschwindigkeit, in der sich der Klimawandel vollzieht. „In der Vergangenheit konnten Pflanzen sich langsamer an das sich wandelnde Klima anpassen. Da der Klimawandel aber inzwischen so rasch voranschreitet, ist das kaum noch möglich“, sagt Junk.

THOMAS KLEIN

 

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