Wie der Klimawandel die Waldgesundheit gefährdet

Forschungsprojekt am Standort Weierbaach soll neue Erkenntnisse liefern

Source : De Letzeburger Bauer
Publication date : 06/21/2024

 

Im Rahmen des vom LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) und der Section des Sciences des Institut Grand Ducal organisierten Konferenzzyklus zum Klimawandel, fand am vergangenen 6. Juni die dritte Konferenz statt. Im Mittelpunkt der Vorträge standen neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wälder.

In seiner Einleitung ging Professor Lucien Hoffmann auf die wichtigsten wissenschaftlichen Daten über den Klimawandel ein. Messungen belegen, dass in den letzten zehn Jahren die Lufttemperatur ansteigt. Mathematische Modelle gehen davon aus, dass der Temperaturanstieg in den kommenden Jahren zunehmen wird. Dies hat einen direkten Einfluss auf die zeitliche Verschiebung und die Länge der Vegetationsperiode. Aufgrund des frühzeitigeren Wachstumssteigt die Gefahr von Frostschäden während kalten Nächten, so Lucien Hoffmann.

Nebst der Landwirtschaft ist paralleldazu das Ökosystem Wald — 35% der Fläche von Luxemburg sind Wälder —von den klimatischen Veränderungen betroffen. Weltweit verschlechterte sich in den letzten Jahren die Waldgesundheit. Zum Waldsterben tragen nicht nur Waldbrände bei, sondern vor allem der Wassermangel. Letzterer schwächt die Bäume und fördert Krankheiten und den Schädlingsbefall. Mathematischen Modellen nach soll es bis 2050 zu einer erheblichen Trockenheit kommen und somit zu einer wesentlichen Zunahme des Waldsterbens, so Hoffmann.

Ein weiterer Anstieg der Temperaturen wird wohl oder übel negative Auswirkungen auf das wichtigste Organ der Bäume haben: die Blätterbei Laubbäumen beziehungsweise die Nadeln bei Nadelbäumen. Das sagt Christophe Hissler, Umweltgeochemiker beim LIST. Bei Temperaturen oberhalb von 48°C auf der Blatt- bzw. Nadeloberfläche sterben diese ab, sieverbrennen förmlich. Im Sommer2022 maßen die Wissenschaftler eine Temperatur von 44°C auf der Blattoberfläche. Wir sind also sehr nahe an der 48°C-Grenze, warnt Christophe Hissler.

Wasser ist das lebenswichtige Elixier für alle Lebewesen, einschließlich der Bäume und somit der Wälder, die letztendlich ein komplexes Ökosystem darstellen. Dass alle Pflanzen eine gewisse Menge an Wasser benötigen, ist bekannt. Wenig erforscht sind hingegen die Zusammenhänge der sogenannten Evapotranspiration.

Disziplinübergreifender Forschungsansatz

Um dieses zu erforschen, setzt Christophe Hissler, Wissenschaftler auf dem Gebiet der Umweltgeochemie beim LIST, auf eine disziplinübergreifende Herangehensweise. Die Kombination wissenschaftlicher Messergebnisse aus unterschiedlichen Fachdisziplinen verhilft ihm und seinem Team, ein ganzheitliches Bild über den Lebensraum Wald zu erstellen. Er ist davon überzeugt, dass man einen Wald in seiner Gesamtheit betrachten muss. Denn es handelt sich nicht um einzelne Bäume, sondern um einen zusammenhängenden Lebensraum, ein komplexes Ökosystem.

Die Evapotranspiration ist die Summe der Wasserverdunstung über die Blätter und die jener auf unbewachsenem Boden sowie freien Land- oder Wasserflächen. In seinen Forschungsarbeiten auf dem Gelände der Weierbaach untersuchte er zusammen mitseinen Kollegen diese Aspekte und insbesondere das Zusammenspiel vom im Grund und Boden gespeicherten Wasser und der Vorgänge im Inneren der Bäume.

Seit mehr als einem Jahrzehnt liegen den Wissenschaftlern präzise Erkenntnisse über die Gesteinsschichten, die Tiefe, die Wasserspeicher sowie über die Nährstoffe und die Strukturen und Räume in den tiefen Bodenschichten vor. Seit etwa sechs Jahren zeichnen die Forscher das Verhalten der Bäume auf. Sie messen das eigentliche Wachstum sowie das Verhalten der Kapillaren und somit des Flüssigkeitsflusses im Innern der Bäume.

Die Bäume entnehmen über die Wurzeln ihr Wasser aus dem Boden und der darunterliegenden Gesteins- und Bodenschichten. Je nach Beschaffenheit des Untergrundes ist dieser in der Lage, mehr oder weniger Wasser zu speichern. Demnach spielt für die Waldgesundheit und somit die Wasserversorgung der Bäume die Geologie eine wichtige Rolle.

Das Wassereinzugsgebiet des Weierbaach charakterisiert sich durchzerklüftetes Gestein, das sehr tiefgehen kann. Das Ökosystem an diesem Ort ist bezüglich der Waldartenrepräsentativ für einen Großteil der Wälder in Luxemburg, sprich eine70%-Mischung aus Buchen und Eichen, sowie etwa einem Drittelan Fichten und etwas exotischeren Arten, wie z.B. der Douglasie.

Die Bäume wurden mit Dendrometern versehen. So kann mittels Langzeitmessungen das Wachstum des Stamms im Zeitablauf genauestens erfasst werden. Auch wird der Saftstrom im Xylem kontinuierlich gemessen.

Messgeräte aus dem Fachgebiet der Hydrologie erfassen die Pegelstände in den einzelnen Gesteinsschichten. Im Winter, so Hissler, steigt der Grundwasserspiegel bis auf fast einen Meter unterhalb der Oberfläche an. Im Sommer sinkt dieser Pegel verständlicherweise. In den tiefen Schichten schöpfen Buchen und Eichen über ihre Wurzeln Wasser aus größeren gespeicherten Wasservorkommen ab. Christophe Hissler vermutet, dass dies auch der Grund ist, weshalb an diesem Standort nicht allzu viele Schäden an den Laubbäumen zu beobachten sind.

Seit 2018 stellen die Forscher einen Rückgang der Bodenfeuchtigkeit fest, unabhängig von der Bodentiefe. Dieses Phänomen ist auf die 2-3 Jahre währende Periode der starken Dürre zurückzuführen. Der Grundwasserspiegel im Sommer, der etwa unter 4 Metern Tiefe liegt, verlor durchschnittlich um etwa 50 cm an Wasserhöhe. Trotz der Absenkung des Wasserspiegels sind die Auswirkungen auf die Laubbäume eher gering.

Die Fichten am Areal der Weierbaach sind in einem desolaten Zustand. Eine nach der anderen stellt ihre Aktivität ein und stirbt ab, so der Referent. Der Grundwasserspiegel auf dem Areal der Fichten ist im Winter fast halb so hoch wie jener auf dem Areal des Buchenwaldes. Als Flachwurzler sind die Fichten somit nicht mehr in der Lage, an genügende Wassermengen in den oberen Bodenschichten zukommen. Allgemein ist die Bodenfeuchtigkeit in den oberflächlichen und tiefen Schichten geringer als am Buchenstandort. Der Wasserspiegel am Areal der Fichten ist grundsätzlich zwischen ein und zwei Meterniedriger als jener bei den Buchen. Seit 2018 ist er nochmals – vermutlich wegen der Dürre - um weitere 50 cm abgesunken.

Integrierter Ansatz für das Ökosystem Wald

Aktuell ist es schwierig, relevante Schlussfolgerungen aus den Messergebnissen und Erkenntnissen zuziehen. Die Versuchsreihen laufen erst seit wenigen Jahren. Christophe Hissler sieht eine wichtige Unterstützung in Werkzeugen der nächsten Generation, wie beispielsweise Künstlicher Intelligenz. Diese benötigen qualitativhochwertige und große Datenmengen, um relevante Schlussfolgerungen für das zukünftige Umweltmanagement liefern zu können.

Umso wichtiger ist eine langfristige Erhaltung der Versuchsflächen und die Sicherstellung der Finanzierung. Nur so können wissenschaftliche Vorhersagen der Modelle bestätigt werden. Für die Zukunft der Waldbewirtschaftung ist ein integrierter Ansatz für das Ökosystem Wald und insbesondere die Wasserspeicherkapazität des Untergrunds von entscheidender Bedeutung.

Bei der vorhergesehenen Zunahme von Dürreperioden sollte beim Anlegen neuer Wälder jene Baumartenberücksichtigt werden, die sich an wechselnde Bedingungen bezüglich der Bodenfeuchte im Unterbodenanpassen können, schlussfolgert Christophe Hissler.

Zum Abschluss des wissenschaftlichen Vortrags stellte Professor Lucien Hoffmann die drei wichtigsten Ansatzpunkte im Strategieplan 2020-2030 vor. Diese bestehen darin, einerseits eine vollständige Kartografie des Lebensraumes Wald zu erstellen, mitsamt einem Maßnahmenkatalog für eine nachhaltige Forstwirtschaft, die dem Klimawandel Rechnung trägt. Bestehende Monokulturen sind in Mischkulturen umzuwandeln. Als letzter Punkt sei es wichtig, die bestehenden Funktionen des Waldbodensund der Unterschichten zu erhalten, zu schützen und wenn notwendig wiederherzustellen.

André Feller

 

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