Arme Gärten

Gestern war Weltumwelttag. Grund genug für Umweltministerin Carole Dieschbourg, die Presse nach Oberanven einzuladen, um ihr ihre Besorgnis u.a. über das Insektensterben mitzuteilen. Erklärungen.

Source : Tageblatt
Date de publication : 06/06/2018

„Durch das massive Insektensterben ist das ganze ökologische Gleichgewicht in Gefahr“, warnte gestern die Umweltministerin. Bei den Insekten seien in den letzten 30 Jahren etwa 75 Prozent der Biomasse verschwunden. Deshalb sei es wichtig, auch hierzulande eine sog. „Rote Liste“der gefährdeten Arten zu erstellen. Die Insekten sind ein Schlüsselelement der weltweiten Biodiversität. Etwa eine Million Arten seien bisher identifiziert worden, so die Ministerin. Man schätzt aber, dass es ungefähr fünf bis sechs Millionen Arten gibt. Sie seien ein Teil eines ganzen Systems, erinnerte Dieschbourg. Gibt es weniger Insekten, habe dies Folgen für z.B. die Vogelbevölkerung und andere Tierarten. Die Insekten haben einen wirtschaftlichen Wert. Die Honigproduktion bei den Bienen kennt man. Aber durch ihre Rolle bei der Bestäubung usw. besitzen die Insekten für die Landwirtschaft einen ökonomischen Wert von 153 Milliarden Euro weltweit. Alleine in Europa würden 15 Milliarden Euro pro Jahr durch die Folgen der Bestäubung generiert. Ohne die Bestäubung gebe es auch keine Lebensmittelindustrie, keine Landwirtschaft, so die Umweltministerin. Die Folge: Hungersnöte. Ohne zu vergessen, dass die Insekten dazu beitragen, dass die Böden fruchtbar bleiben.

Staat investiert 100 Millionen Euro

In Luxemburg sind die Schmetterlinge die Art, über die die meisten Erkenntnisse vorliegen. Aber auch hier schlägt die Ministerin Alarm. Von den 89 bekannten Schmetterlingsarten sei etwa ein Drittel in Gefahr. Das hätten jüngste Erhebungen des LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) ergeben. Das Institut ist auch für die Aufstellung der „Roten Liste“verantwortlich.

Die Gründe für den Rückgang der Insektenbevölkerung seien vielfältig. Da wären u.a. die Intensivierung der Landwirtschaft und der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die landschaftliche Verarmung, die fortschreitende Urbanisierung und natürlich der globale Klimawandel.

Als Reaktion hat die EU-Kommission am 4. Juni dieses Jahres eine Initiative angenommen, die den Rückgang der Bestäuber bremsen soll. Hierzulande spielt die zweite Auflage des nationalen Naturschutzplans 2017-2021 eine wichtige Rolle beim Artenschutz. So werden insgesamt 100 Millionen Euro in die Erhaltung der Artenvielfalt oder in die Schaffung von Schutzzonen investiert. Die staatlichen Maßnahmen seien des Weiteren von Erfolg gekrönt, freute sich Carole Dieschbourg. Einige vormals bedrohte Arten würden sich erholen, andere sich wieder hierzulande ansiedeln. So sei z.B. das Naturschutzgebiet „Aarnescht“bei Oberanven zu einem Hotspot für Schmetterlinge (über 40 Arten) und für Heuschrecken (etwa 20 Arten) geworden. Landwirten, die sich an der Bewahrung der Biodiversität beteiligen wollen auf Kosten der Produktivität, greift der Staat finanziell unter die Arme.

Viele Gemeinden beteiligen sich inzwischen ebenfalls an Maßnahmen, welche die Erhaltung der Artenvielfalt zum Ziel haben, und schaffen Lebensräume für die Insekten. Das SIAS („Syndicat intercommunal à vocations multiples“) hat in diesem Zusammenhang das Projekt „Ökologische Verbesserung der Grünflächen“ins Leben gerufen.

16 Gemeinden beteiligen sich daran, indem sie u.a. mehr Grünflächen und Wildwiesen schaffen, mehr – vor allem regionale – Hecken und Baumsorten anpflanzen oder das Gras später („fauchage tardif“) mähen. Sie bieten zudem ihrem Personal eine Weiterbildung in Sachen Artenvielfalt an. Viele Landwirte der Region haben zudem inzwischen einen Vertrag mit dem SIAS unterschrieben, in dem sie sich u.a. verpflichten, auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verzichten oder eine weniger intensive Landwirtschaft zu betreiben, erklärte Doris Bauer, verantwortlich für die biologische Station des SIAS. Es handelt sich hierbei um ein nationales Projekt, an dem sich das interkommunale Syndikat beteiligt. In den SIAS-Gemeinden fallen in der Zwischenzeit aber schon 1.050 Hektar unter das „Biodiversitätsprogramm“. 400 Landwirte haben einen Vertrag abgeschlossen. Insgesamt seien beim SIAS 350 bis 400 einzelne Flächen in Bearbeitung, mit einer Fläche von 20 bis 50 Hektar, wurde gestern erklärt.

Eine wichtige Rolle komme aber auch jedem einzelnen Bürger zu, erläuterte ihrerseits Marianne Kollmesch von der „Ëmweltberodung“. Man müsse weg von den „Schottergärten“mit nur vereinzelten Pflanzen. Sie bieten Insekten keinen Lebensraum und seien auch nicht so pflegeleicht wie oft angenommen. Auch der Einsatz von Pestiziden, u.a. durch die Gärtner, müsse reduziert werden. Aus diesem Grunde wurde 2013 die Kampagne „Blumen ohne Pestizide“gestartet. „Warum nicht einfach eine Wildblumenwiese im Garten haben oder die Wiese einfach weniger oft mähen? Ist doch auch schön“, meint die Expertin abschließend.

René Hoffmann

 

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