Aufstrebender Sektor

Luxemburgs Weltraumindustrie diversifiziert sich - Noch aber steht und fällt alles mit SES

Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 20/08/2015

 

Mit 20 Jahren Erfahrung bei Airbus Defence & Space ist Patricia Conti, die in Robotik eine Doktorarbeit machte, fürwahr eine Weltraumexpertin. Die Französin leitet die Weltraumangelegenheiten bei Luxinnovation, der staatlichen Agentur zur Förderung von Innovation und Forschung, und steht als solche dem Luxembourg "Space Cluster" vor.

Wozu dient das "Space Cluster"?

Anfangs hieß das heutige "Space Cluster", als es 2002 gegründet wurde, "AeroSpace Cluster". Später wurde es dann mit der Cluster -Initiative, die Luxemburg anstieß, um die Diversifikation der Wirtschaft in bestimmte Richtungen zu unterstützen, zum "Space-Cluster", was auch richtig ist, denn die darunter zusammengefassten Unternehmen sind mehr in Weltraum als Luftfahrt involviert.

Die Zielsetzung des Space Clusters ist ein wenig unterschiedlich zu den übrigen Clusterinitiativen, denn das "Space Cluster" hat noch mehr die internationale Sichtbarmachung des Sektors und seiner Akteure zur Aufgabe. Gerade in diesem Sektor ist internationale Kooperation überaus wichtig. Die Beteiligten arbeiten auf nationaler Ebene gut zusammen, aber was den Weltraum-Sektor anbelangt, ist es notwendig, diese Kooperationsmöglichkeit länderübergreifend zu suchen und anzubieten, was wir als Cluster stimulieren wollen. Das Weltall ist eben international. Eine weitere Aufgabe des Clusters ist, neue Möglichkeiten für den Sektor und seine Akteure auf internationaler Ebene zu identifizieren, was zumeist durch grenzübergreifende Kooperationen vonstatten geht. Das ist unsere Mission.

Auch auf nationaler Ebene verknüpfen wir den Sektor, hier geht es aber vor allem darum, den privaten Sektor, die Unternehmen, mit dem staatlichen Sektor, wozu auch Forschungseinrichtungen gehören, in Verbindung zu bringen, ob die Materialforschung bei LIST oder das geophysikalische Zentrum der Universität Luxemburg und anderes mehr. Auch veranstalten wir zum Beispiel in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium und der Handelskammer sogenannte "Industrietage" oder nehmen an internationalen Missionen teil.

Der Sektor ist demzufolge gut gewachsen in den letzten Jahren?

Ja, heute zählen wir rund 30 Unternehmen auf diesem Gebiet, wobei SES fraglos der führende Akteur ist, sowie drei Forschungseinrichtungen, die in Weltraumaktivitäten involviert sind. Der größte Teil des Umsatzes wird aber von SES erwirtschaftet. Andere Unternehmen verstärken jedoch auf diesem Bereich ihre Aktivitäten, ich denke da zum Beispiel an Euro Composites, die zwar eigentlich mehr im Luftfahrtbereich angesiedelt sind, aber auch an der wachsenden Nachfrage des "WeltraumMarkts" partizipieren.

In welche Richtung geht die Entwicklung?

Der Sektor wächst. Das tat er stetig, seit SES aktiv ist, aber mehr und mehr gibt es auch neue Arten von Aktivitäten, neue Geschäftsfelder. Wichtig im Moment ist die Entwicklung von elektrogetriebener Satellitentechnologie und kleinen, sogenannten Mikrosatelliten. Dieser Sektor wird in Zukunft sehr an Bedeutung gewinnen. Eine andere wichtige Sache, an der wir arbeiten, ist die Luftverkehrsüberwachung aus dem All, was eine grenzenlose Flugüberwachung ermöglichen würde, was von Radarstationen von der Erde aus nicht möglich ist. Aber auch industriell gibt es Entwicklungen: Hier arbeiten wir an neuen Möglichkeiten zur Herstellung von Satelliten. Dann gibt es darüber hinaus noch ein weiteres Feld, in dem viel Wachstumspotenzial steckt, das wir entwickeln können, und zwar Datenmanagement. Die Satelliten stellen immer mehr Daten und auch immer sensiblere Daten zur Verfügung, so dass auch immer mehr Kapazitäten benötigt werden, diese Daten auszuwerten, zu verwalten und zu speichern, womit der Berührungspunkt zu den Datacenter und dem ICT-Sektor im Land hergestellt wäre.

Das heißt, zwischen den verschiedenen Sektoren und dem Cluster findet Interaktion statt?

Definitiv. Wir interagieren mit vielen. Sektoren. Der Weltraumsektor nutzt Technologien, die aus anderen Feldern kommen: Neue Prozesse im Materialbereich beispielsweise sind höchstinteressant für den Space-Sektor, der davon profitiert und umgekehrt auch. Luxemburg selbst unterstützt das übrigens sehr, denn als Mitglied der "European Space Agency" und Co-Finanzier bestimmter ESA-Projekte kommen diese europäischen Projekte natürlich auch dem hiesigen Weltraumsektor zugute, nicht zu vergessen die Dynamik von SES und deren gute internationale Reputation, die ebenfalls den tanzen luxemburgischen Sektor beflügelt.

 

Uberm Horizont

Global Player aus dem Ländchen arbeiten an vielen Projekten

EURO-COMPOSITES

Euro-Composites ist Spezialist von Verbundwerkstoffen, wie sie unter anderem in der Luft- und Raumfahrttechnik verwendet werden. Die Erfahrungen, die das Unternehmen in der Luftfahr­ tindustrie gewonnen hat, dienen ihm nun eigenen Angaben nach als Grundlage für sein zunehmendes Engagement in der Raumfahrtindustrie. "Die einzigartige Möglichkeit der Mitgliedschaft Luxemburgers in der ESA ist für uns ein zusätzlicher Antrieb dieses Geschäftsfeld weiter auszubauen", teilt Euro-Composites mit. Spezialitäten des Unternehmens sind Werkstoffe in Wabentechnologie: Deren Stabilität, Leichtigkeit und Flexibilität seien für den Einsatz als Satellitengehäuse ideal, wird Euro-Composites Manager Filip Toszek vom "Focus"-Heft des Luxembourg Space Clusters zitiert. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren etwa 40 Millionen Euro in den Ausbau seines Werkes in Echternach gesteckt, unter anderem wurde durch eine neue Halle die Produktionskapazität im Bereich Luft- und Raumfahrt erweitert.

GRADEL


Gradel stellt "Mechanical Ground Support Equipment" (MGSE) her. "Diese Geräte werden benötigt für die Handhabung von Satelliten während des Baus und anschließend zum Betanken und Aufsetzen des Satelliten auf die Trägerrakete", erklärt Gradel­-Geschäftsführer Claude Maack.

Des weiteren produziert das Unternehmen in Ellingen Geräte zum Testen von Satelittenteilen unter Schwerelosigkeitsbedingungen. "Aktuell sind wir in einem Forschungsprojekt mit dem Ziel, einen eigenen elektrischen Antrieb, der für Satellitenbahnkorrekturen benötigt wird, zu entwickeln". In der Gradel Gruppe sind 130 Leute beschäftigt wovon etwa 15 in der Space-Abteilung beschäftigt sind und 15 Prozent des Umsatzes der Gruppe erwirtschaften.

Maack betont: "Raumfahrtprojekte sind derzeit eine unserer Aktivitäten mit dem größten Wachstumspotenzial."

HITEC

Hitec luxembourg, 1986 von drei Personen gegründet, hat sich mit derzeit mehr als 40 Mitarbeitern zu einem Spezialisten im Satelliten- und Antennenbau entwickelt und beliefert heute mehr als 100 Kunden in 30 verschiedenen Ländern. Jüngste Projekte sind SASISA (Small Aircraft Service for Instant Situational Awareness), EDRS (European Data Relay Services) und GSTP, das den Datentransfer bei Erdbeobachtung verbessert. Ein Hitec-Projekt beispielsweise wurde für die Vereinten Nationen tür das Rettungswesen nach Katastrophen entwickelt. Yves Elsen, Chef von Hitec, erklärte einst zum Space Cluster, dieses führe dazu, dass die verschiedenen Firmen in Luxemburg zusammenarbeiteten und nicht der eine etwas neu erfinde, was ein anderer bereits erfunden habe. Elsen weiter: "Die wirkliche Spezialisierung von Hitec ist die Innovation selbst".

LUXSPACE


LuxSpace, Tochtergesellschaft des deutschen Raumfahrtunternehmens OHB, beschäftigt derzeit in Betzdorf rund 50 Mitarbeiter, die an Geosatelliten, Mikrosatelliten und zusammen mit SES und anderen am Projekt "Electra" arbeiten.

2011 hatte das Unternehmen den ersten in Luxembourg gebauten Satelliten gestartet. Auftraggeber sind zumeist die Europäische Weltraumbehörde ESA, die EU und ihre Agenturen sowie kommerzielle Kunden. Im Bereich Schiffsbeobachtung konnte das Unternehmen einen Vertrag mit der Europäischen Agentur für Maritime Sicherheit (EMSA) in Lissabon abschließen. Heute überwacht Luxspace täglich rund 130.000 Schiffe weltweit dank zweier in Luxemburg gebauter Mikrosatelliten, 30 x 30 x 30 Zentimeter groß und mit einem Gewicht von 30 Kilogramm. Getestet wird in Zusammenarbeit mit Kühne & Nagel auch ein Trackingsystem für Container, das nicht nur die Position des Containers nachverfolgt, sondern auch den Zustand der Ladung im Container.

Das System soll ab 2016 vermarktet werden.

LIST

Die öffentlichen Forschungseinrichtungen Gabriel Lippmann und Henri Tudor, die zum Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) verschmolzen sind, arbeiten in den verschiedenen Bereichen wie Materialforschung oder Informations- und Telekommunikationstechnik mit den Akteuren des luxemburgischen Weltraumsektors zusammen.

SES

Aktuelles Projekt des weitgrößten Satellitenbetreibers SES (Societe Europeenne des Satellite) in Betzdorf ist "Electra", eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen SES und der ESA, an dem auch Luxspace beteiligt ist. "Ziel es ist, eine innovative VollelektriSChe. Satellitenplattform zu entwickeln, die in Europa hergestellt wird", teilt Markus Payer, Sprecher von SES mit. "Eine geostationäre Satellitenplattform mit ausschließlich elektrischem Antrieb, anstelle konventioneller chemischer Antriebssysteme für den Transport in die geostationäre Umlaufbahn sowie zur Stabilisierung der Orbitalbahn." Der erste Satellit soll Ende 2018 starten. "Electra" wäre ein fortschrittlicher Telekommunikationssatellit, der sich in der Gewichtsklasse unter drei Tonnen bewegt.

Ein solches System ist in Europa bisher kommerziell nicht verfügbar.

ESA

Die Europäische Weltraumbehörde, deren Mitglied Luxemburg seit 2005 ist, gehört zu den großen Auftraggebern für die Space-Industrie: Schifffahrtsüberwachung sowie Erdbeobachtung und Klimamessungen stehen ganz oben auf der Agenda. 


MARCO MENG

 

 

 

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