Dicke Luft über der Autobahn

Die Ozonwerte in Luxemburg liegen seit Dienstagabend auf einem sehr hohen Niveau. Grund dafür ist die starke Sonnenstrahlung der vergangenen Tage. Ab einem Grenzwert von 160 Mikrogramm pro Kubikmeter Ozon in der Luft wird in Luxemburg Ozonalarm ausgerufen. Auf den Autobahnen gilt dann ein Tempolimit von 90 km/h. Doch was bringt das überhaupt? Die Antwort ist überraschend.

Source : Tageblatt
Date de publication : 26/07/2019

 

Eine zu hohe Ozonkonzentration in der Luft kann zu Atembeschwerden, gereizten Augen und Kopfschmerzen führen. Sensiblen Menschen wird sogar abgeraten, zwischen 12 und 24 Uhr aus dem Haus zu gehen – denn im Inneren von Gebäuden sind die Konzentrationen um rund die Hälfte niedriger. Die Werte stiegen bedingt durch die drückende Sonne stark an. Bereits am Dienstagabend wurde in Luxemburg der Ozonalarm ausgerufen. 

Ab einem Grenzwert von 160 Mikrogramm pro Kubikmeter besteht in Luxemburg nämlich Informationspflicht – ab 180 Mikrogramm pro Kubikmeter gilt die Meldepflicht europaweit. In fünf Stationen (Beckerich, Beidweiler, Esch/Alzette, Luxemburg, Vianden) wird die Ozonkonzentration in der Luft gemessen. Auf der Seite environnement.public.lu lassen sich die Messdaten der Stationen ablesen.

Wird die 160-Mikrogramm- Grenze überschritten, wird das Tempolimit auf den Autobahnen von 130 auf 90 km/h gesenkt. Die Theorie: Durch die verringerten Geschwindigkeiten soll der Ausstoß an den Ausgangsstoffen für die Entstehung des Ozons verringert werden. Das entsteht, wenn die UVStrahlung auf die Kohlenwasserstoffmoleküle und Stickstoffoxidverbindungen aus den Autoabgasen trifft. Die fotochemische Reaktion produziert einzelne Sauerstoffatome, die sich mit dem molekularen Sauerstoff (O2) in der Luft verbinden – und dann zu Ozon (O3) werden.

Gut gemeint, aber leider ziemlich sinnlos

Doch: Die Verringerung um 40 km/h auf den Autobahnen hat leider keinen großen Effekt, wie Pierre Dornseiffer von der „Administration de l’environnement“ zugibt. „Hauptsächlich geht es darum, die Menschen zu sensibilisieren.“ Durch das Tempolimit könnte sich der ein oder andere dafür entscheiden, an diesem Tag auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Um einen wirklichen Effekt zu erzielen, müsste man das Tempolimit aber in einem größeren Raum anwenden, zum Beispiel in der ganzen Großregion.

Wie gering die Auswirkung des derzeitigen Tempolimits von 90 km/h ist, kann Andreas Krein vom Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) erklären. Durch die langsamere Geschwindigkeit werden die Stickoxide um 10 Prozent und die Kohlenwasserstoffe um 1 Prozent reduziert. Das bedeutet, dass wegen der Geschwindigkeitsdrosselung auf den Autobahnen rund 5 Prozent weniger Ozon entstehen. 

Fakt ist: Hauptverursacher der schädlichen Sauerstoffverbindung ist der Verkehr. Doch das Gas macht nicht vor Grenzen halt. Viel Ozon kommt aus dem benachbarten Ausland, in dem keine Tempolimits gelten. Ein anderes Problem ist, dass der Schwerlastverkehr und ältere Busse durch das Tempolimit von 90 km/h gar nicht ausgebremst werden – und gerade sie produzieren den Großteil der Ausgangsstoffe für die Ozon-Entstehung. Die meisten Autos sind mit modernen Katalysatoren ausgestattet und stoßen fast keine unverbrannten Kohlenwasserstoffe mehr aus, die zu Ozon umgewandelt werden könnten. Um wirklich was zu tun, müsste man alle alten Autos umrüsten, sagt Andreas Krein.

Wer schneller fährt, ist schneller da

Abgesehen davon, dass die Tempolimits ein Bewusstsein für die Luftverpestung durch Automobile schaffen, hat die Maßnahme also nur relativ wenig Wirkung. Paradox wird es dann erst recht, wenn man verkehrsreiche Gegenden mit eher ländlichen Gegenden vergleicht. In der Regel sind die Ozonwerte in den Städten niedriger, weil Ozon nämlich auch durch Abgase abgebaut wird. Die O3-Moleküle reagieren nämlich auch wieder mit dem Stickstoffoxid aus den Abgasen. Das Resultat ist Stickstoffdioxid und lebensnotwendiger Sauerstoff (O2).

Ozon ist nicht nur schädlich für den Menschen. Pflanzen reagieren viel empfindlicher auf das Gas. Bereits geringere Konzentrationen über einen längeren Zeitraum können schwere Schäden an Bäumen und Nutzpflanzen hinterlassen. Die Konsequenzen sind Forstschäden und Ernteeinbußen. Der Grenzwert für Pflanzen liegt bei 80 Mikrogramm pro Kubikmeter, genannt AOT40 (Accumulated Ozone Exposure over a threshold of 40 Parts Per Billion – Kumulierte Ozonbelastung oberhalb des Grenzwertes von 40 ppb).

Die schlechte Nachricht für sensible Menschen und Pflanzen: Die Ozonproblematik wird sich in Zukunft sehr wahrscheinlich weiter verschärfen, denn es kommt häufiger zu Hitzewellen und dadurch bedingt auch zur verstärkten Produktion von Ozon, sagt Andreas Krein. 

Pascal Federspiel

 

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