Eine Zukunft ohne Tierversuche

Forschung, für die kein Tier leiden muss – das ist der Wunsch vieler Firmen und Institutionen. Einige, die diesem Ziel ein Stück nähergekommen sind, wurden nun mit dem mit 350 000 Pfund dotierten „Lush Prize“ ausgezeichnet – darunter auch eine Forscherin des LIST.

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 22/11/2018

 

Die Kosmetikindustrie hat – zumindest zu einem großen Teil – das geschafft, was sich die EU-Mitgliedsstaaten als langfristiges Ziel gesetzt haben: die Einstellung aller Tierversuche. Seit 2004 dürfen in der Europäischen Union (EU) keine Tierversuche mit Kosmetikprodukten durchgeführt werden. Auch Tests an Labortieren mit neuen kosmetischen Inhaltsstoffen sind seit 2009 nicht erlaubt. Kosmetika aus Drittländern außerhalb der EU, die an Tieren getestet wurden, sowie Beauty-Produkte mit Inhaltsstoffen, die diesen Tests unterzogen worden sind, sind seit 2009 beziehungsweise 2013 nicht mehr in den hiesigen Regalen zu finden und dürfen auch nicht eingeführt werden.

Doch ganz ohne Tierversuche kommt auch die Schönheitsindustrie nicht aus: Stoffe, die aus anderen Bereichen stammen und auch in Kosmetika zum Einsatz kommen, dürfen weiterhin an Kaninchen, Mäusen und anderen Kleintieren getestet werden. Ein Lichtblick in diesem Bereich ist jedoch, dass weltweit Forscher nach Alternativen suchen, um vollkommen auf den Einsatz von Tieren zu Testzwecken verzichten zu können.

Dies ist auch ganz im Sinne des britischen Kosmetikunternehmens Lush, das darauf achtet, lediglich Produkte anzubieten, deren Inhaltsstoffe nicht an Labortieren auf ihre Verträglichkeit getestet wurden. Gemeinsam mit der wissenschaftlichen Gruppe Ethical Consumer hat Lush daher einen Forschungsfonds ins Leben gerufen, der sich die Unterstützung alternativer und tierversuchsfreier Methoden zum Auftrag gemacht hat.

Millionen für die Forschung

In den vergangenen Jahren wurden bereits 2,19 Millionen Pfund (2,47 Millionen Euro) an die Gewinner des jährlich vergebenen „Lush Prize“ zur Verfügung gestellt. Dabei werden nicht nur die Erfolge von Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern unter 35 Jahren in den Laboren honoriert. Auch in den Bereichen Ausbildung, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit werden Preise vergeben.

Bei der Preisverleihung, die am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand, durfte sich nun bereits zum dritten Mal in Folge auch das Großherzogtum über einen „Lush Prize“ freuen: Nach Pranjul Shah (2016, Universität Luxemburg) und Anna Monzel (Luxembourg Centre for Systems Biomedicine) durfte in diesem Jahr Aline Chary vom Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) eine Trophäe entgegennehmen. Die Wissenschaftlerin, die an den Universitäten in Metz und Nancy studiert hat und derzeit im grenznahen Audin-le-Tiche lebt, kam für ein Praktikum an das LIST, wo sie sich nach sechs Monaten dazu entschloss, auch ihr Doktorat – in Zusammenarbeit mit der Universität Trier – anzustreben.

Die 29-jährige Französin erhielt die Auszeichnung für die Entwicklung eines In-vitro-Modells der Lunge, das es ermöglicht, das toxische Potenzial von Stoffen, die man inhaliert – in diesem Fall die Möglichkeit Allergien auszulösen – zu bestimmen. „Bislang gab es noch keine Möglichkeit, die Auswirkung auf die Atemwege in dieser Form zu testen“, erklärt Aline Chary. Bisher ist das nur über Hauttests durchgeführt worden – obwohl die Haut und die Lunge zwei vollkommen unterschiedliche Organe seien. Ihr Modell enthält vier verschiedene Zelltypen, die Wolken von chemischen Produkten ausgesetzt werden. In der Zukunft – so die Hoffnung – sei damit auch das Testen von chemischen Stoffen für Kosmetik und Pharmazie möglich.

Konferenz gab den Anstoß

„Mich haben die Tierversuche schon immer schockiert“, berichtet die LIST-Forscherin, die mit Tieren aufgewachsen ist. „Daher schien es mir wichtig, an einem Projekt zu arbeiten, das etwas ändern kann.“ Das Preisgeld in Höhe von 10 000 Pfund (11 250 Euro) ermöglicht es Aline Chary und ihren Kollegen am LIST weiter an ihrem Projekt zu arbeiten und eine Alternative zum Fetalen Kälberserum zu etablieren, das aus dem Blut von Rinderföten gewonnen und zur Aufzucht und Kultivierung von Zellen genutzt wird. Dieses Serum wird aus noch lebenden Föten extrahiert – eine Methode, für die jährlich mehrere Millionen Tiere sterben müssen. „Eine Konferenz hat mir diesbezüglich die Augen geöffnet“, berichtet Aline Chary. Sie und das gesamte Team versuchen daher, Wegbereiter in diesem Bereich zu sein. „Bisher hatten wir weder das Budget noch die nötige Zeit für weitergehende Forschungen.“ Das zugesicherte Preisgeld schaffe nun die Voraussetzung für die weitere Arbeit im Labor.

MICHAEL JUCHMES (BERLIN)

 

Partager cette page :