Genaue Vorhersage nicht möglich

Es war nach Sassenheim und Ermsdorf das dritte katastrophale Flutereignis innerhalb von zwei Jahren. Aber können wir uns überhaupt auf solche Ereignisse vorbereiten?

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 06/06/2018

Nach den Flutereignissen an verschiedenen, lokal stark begrenzten Orten, vom vergangenen Freitag stellt sich nach der Schadensbehebung auch die Frage nach den Ursachen und den Möglichkeiten, solche katastrophalen Zerstörungen künftig zu vermeiden.

Umweltministerin Carole Dieschbourg und die Verantwortlichen des Wasserwirtschaftsamtes informierten am Montag die zuständige parlamentarische Kommission. Dort herrschte Konsens darüber, dass es sich bei den Überflutungen um ein ähnliches Phänomen handelte wie jenes, das am 22. Juli 2016 das Ernztal heimsuchte. Es erinnerte aber auch an die Überschwemmungen am 7. Juni 2016 im Südwesten des Landes.

„Die enormen Regenmengen, die innerhalb kürzester Zeit niedergingen, waren eindeutig die Hauptursache“, so Umweltministerin Carole Dieschbourg. „Versiegelung und Bebauung spielen in dieser Region allerdings keine große Rolle.“ Dieschbourg erinnerte aber auch daran, dass nicht nur das Müllerthal, sondern auch andere Regionen wie das Pfaffenthal oder Greiweldingen betroffen waren.

Hochwassergefahr bekannt

Wirft man einen Blick auf die Hochwasserrisikokarten, so ist die Schwarze Ernz allerdings keine Unbekannte. Sowohl der Camping als auch das Hotel im Müllerthal liegen innerhalb der Risikozone. „Würde man heute dort bauen wollen, müsste man wohl vorher Hochwasserschutzmaßnahmen ergreifen“, so Dieschbourg.

Dass das Phänomen lokal sehr intensiv war, belegen die Beobachtungen der Meteorologen: Laut Meteolux wurden zwischen Donnerstag 23.15 Uhr und Samstag 5.15 Uhr zwischen 50 und 70 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen. Die Wetterstation der technischen Dienste der Agrarverwaltung maß in Waldbillig sogar 100 Millimeter innerhalb dieses Zeitraums.

„Das war schon sehr heftig“, so Laurent Pfister, Hydrologe am Forschungsinstitut LIST. „Bei 100 Litern pro Quadratmeter ist der Boden schnell gesättigt, dann läuft alles oberflächlich ab. Wir werden Daten sammeln, um unsere Modelle zu verfeinern, aber solche Ereignisse sind sehr schwer vorauszusagen.“

Was die eigentlichen Ursachen betrifft, so äußert sich Pfister vorsichtig: „Es gibt viele Ursachen, über Versiegelung, geografische Gegebenheiten und Bodenbeschaffenheit. Allerdings deuten unsere Daten darauf hin, dass die Anzahl dieser meteorologischen Extremereignisse zugenommen hat.“

Dies würde auch den Vorhersagen der Klimaexperten entsprechen, die für Westeuropa unter anderem eine Zunahme solcher Ereignisse vorausgesagt haben. Auch der deutsche Wetterdienst spricht von Hinweisen auf eine Zunahme des Phänomens in den vergangenen 15 Jahren, dies würden Stationsmessungen und Radaraufzeichnungen aufzeigen. Allerdings verweist man ebenfalls auf den kurzen Analysezeitraum und die sehr lokal auftretenden Phänomene. Das Messraster ist oft zu grob, um solche Ereignisse zu erfassen.

Klimawandel und Starkregen

Für Meteorologen steht allerdings fest, dass eine Erhöhung der Durchschnittstemperaturen – und die ist nachgewiesen – auch zu einer vermehrten Wasseraufnahmekapazität führt: Je wärmer das Klima, desto heftiger die Regenfälle, zumindest in unseren Breitengraden.

„Es ist meine persönliche Meinung, aber für mich ist die Häufung dieser Ereignisse in Luxemburg kein Zufall. Der Klimawandel führt nicht nur zu trockeneren Sommern, er bringt auch heftigere Platzregen“, so Christine Bastian, beigeordnete Leiterin der Abteilung Hydrologie im Wasserwirtschaftsamt. „Selbst die kleinsten Zuflüsse der Schwarzen Ernz verwandelten sich innerhalb von Minuten in reißende Bäche. Leider fehlen bei solchen sehr lokalen Ereignissen oft die Daten, weil sich einfach keine Messgeräte in der Nähe befinden. Damit wird auch die Vorhersage, die bereits meteorologisch und modelltechnisch sehr schwierig ist, zum Ding der Unmöglichkeit.“

Um erste Erkenntnisse zu gewinnen und den Verlauf der Sturzfluten besser zu erfassen, wurden noch am Freitag Beobachtungsflüge mit dem Polizeihubschrauber und per Drohne durchgeführt. „Diese Daten sowie eine Reihe von Simulationen werden uns helfen, bis Ende des Jahres neue Karten zu erstellen, die speziell auf das Sturzflutrisiko hinweisen“, so noch Bastian.

Verheerende Sturzflut

Meteorologen sprechen übrigens erst von Starkregen, wenn innerhalb eines Gebietes von 50 bis 100 Quadratkilometern mindestens zehn Liter pro Quadratmeter niedergehen. Beträgt die Wohnfläche also 200 Quadratmeter, dann ergießen sich 13 Badewannen innerhalb einer Stunde über nHaus und Garten. Gemessen wurden in Waldbillig, wie bereits gesagt, bis zu 100 Millimeter. Solche Mengen können weder der Boden noch ein Abflussrohr über längere Zeit aufnehmen.

Aufgrund der Geografie im Müllertal mit seinen Hochflächen und engen Tälern entsteht dann sehr schnell eine alles zerstörende Sturzflut. Verschlimmert wird die Wucht der Welle durch mitgerissenen Schlamm und Gesteinsmaterial. Bessere Wettervorhersagen, mehr Eigenvorsorge der Bürger und eine neue Kultur im Umgang mit Naturgefahren, so lautet das Credo der Prävention. Vor allem aber muss die Versiegelung der Böden gestoppt werden. So sollen Städte künftig wie Schwämme funktionieren und große Niederschlagsmengen aufnehmen können.

„Dies funktioniert über den Bau von Regenrückhaltebecken, das Anlegen von Freiflächen für eine langsame Wasserversickerung oder das Begrünen von Dächern“, so Ministerin Carole Dieschbourg. Renaturierung von Bachläufen, das Schaffen von Überschwemmungsraum sowie das systematische Trennen von Regen- und Abwasser sind weitere Maßnahmen.

Auch das Schaffen von Freiflächen entlang der Gewässer könnte die Situation im Notfall entschärfen. Schließlich wurde mit dem überarbeiteten Wasserschutzgesetz künftig nicht nur Gemeinden, sondern auch privaten Eigentümern die Möglichkeit geboten, Wasserläufe zu renaturieren. „All dies kann solche Ereignisse vielleicht nicht ganz verhindern, aber zumindest die Auswirkungen abschwächen“, so Dieschbourg.

JACQUES GANSER

 

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