Kläranlagen-Untersuchung deutet auf „starkes Wachstum“ hin

Bis zu 1.700 Fälle täglich? Das Forschungsinstitut LIST hat gestern erstmals die kompletten Berichte zu den VirusUntersuchungen in Luxemburgs Kläranlagen veröffentlicht. Der neueste „Report“ lässt einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen vermuten.

Source : Tageblatt
Date de publication : 29/10/2020

 

Das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) hat gestern erstmals sämtliche Berichte über die Viren-Studien in Luxemburgs Kläranlagen veröffentlicht. Die LIST-Forscher untersuchen dort seit Mai das Abwasser nach Spuren des Coronavirus SARS-Cov-2 – der RNA der Viren. Die Ergebnisse sollen Hinweise darauf geben, wie sehr das Virus in der Bevölkerung verbreitet ist. Es kann nachgewiesen werden, wenn mindestens 20 Personen im Einzugsgebiet der Kläranlage erkrankt sind, hatte Michel Cauchie vom LIST bereits im Juli gegenüber dem Tageblatt erklärt. 

Laut dem neuesten Kläranlagenbericht des Forschungsinstituts von gestern hat sich die Situation gegenüber der Vorwoche noch einmal wesentlich verschlechtert. „In der derzeitigen Phase des starken Wachstums folgt der Durchfluss von SARS-Cov-2-RNA bei der Einströmung in die Kläranlagen global einer logarithmischen Entwicklung“, schreiben die Forscher. Diese Entwicklung werde in verschiedenen Kläranlagen beobachtet. Ausnahmen seien nur die Anlagen in Bleesbrück bei Diekirch und Böwingen im Kanton Mersch. 

Die Forscher projizieren für die Studie die Ergebnisse aus den Kläranlagen über die tatsächlich per Corona-Test bekannten Fälle. Anhand der Korrelation der Werte aus der Vergangenheit ist ersichtlich, dass die Kläranlagen tatsächlich einen Hinweis auf die Virenlast in der Bevölkerung geben können. Die Projektion verheißt dahingehend einen weiteren, starken Anstieg des Pandemiegeschehens. Aufgrund der Werte der Abwasserproben vom vergangenen Montag halten die Forscher offenbar rund 1.700 Neuinfektionen pro Tag für möglich – in etwa der doppelte Wert der Vorwoche. 

Am stärksten nahm die Konzentration der Viren-RNA laut dem neuesten LIST-Bericht in den Klärwerken von Schifflingen und Mersch-Beringen zu. Die Anlage von Schifflingen ist neben Schifflingen selbst für das Gebiet von Esch über Zolver, Limpach und Steinbrücken zuständig – insgesamt 68.000 Menschen. Die von Mersch-Beringen bedient 30.000 Menschen im Gebiet um Lintgen, Lorentzweiler, Mersch, Steinsel und Walferdingen. 

In Schifflingen wurde am vergangenen Montag eine Konzentration der Viren-RNA festgestellt, die auf eine Anzahl von 1.300 Neuinfektionen pro Woche schließen lässt – in der Vorwoche waren es noch weniger als 400 (bei 500 tatsächlich festgestellten Neuinfektionen). In Mersch lässt die Anzahl der entdeckten VirenFragmente laut dem Bericht auf mehr als 450 Neuinfektionen pro Woche schließen. Beim LIST war gestern niemand zu erreichen, um die Ergebnisse der Studie genauer zu erläutern.

Das Forschungsinstitut entnimmt mittlerweile wöchentlich Proben in 13 Luxemburger Kläranlagen. Insgesamt wird somit ein Einzugsgebiet mit 445.302 Menschen abgedeckt. Dafür wird über 24 Stunden Wasser am Zufluss der jeweiligen Kläranlage gesammelt.

Die Virus-RNA ist in menschlichen Exkrementen nachweisbar und kann deshalb in Kläranlagen gefunden werden.  Die Forschungseinrichtung LIST beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Abwässern und den Viren, die sich darin befinden. Normalerweise gehen die Forscher Viren nach, die Magen-Darm-Entzündungen oder andere Infektionen des Verdauungstrakts auslösen können. Für die Auswertung benutzen die Forscher im Grunde die gleiche PCR-Methode, wie sie auch bei Rachenabstrichen angewandt wird. Sie erlaubt es, die RNA – also den genetischen Bauplan des Virus – aufzuspüren.

Durch einen „Zufall“ konnten die Wissenschaftler sogar in die Vergangenheit blicken. Für ein anderes Projekt hatten sie Proben gesammelt und eingefroren. Diese Proben reichen bis in den Sommer des letzten Jahres zurück. Durch diese rückblickende Analyse konnten die Forscher nachweisen, dass das neue Coronavirus spätestens am 24. Februar in Luxemburg angekommen war. Also bevor der erste Covid-19-Fall offiziell dokumentiert worden ist. 

Tobias Senzig

 

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