„Porphyrine sind fast magisch“

Wasserstoff spielt etwa für den Antrieb von Autos eine immer größere Rolle. Wie man ihn herstellen kann, damit beschäftigt sich Dr. Nicolas Boscher (39), Projektleiter am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST). Für seine Forschungen hat er kürzlich eine Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) erhalten. Im Interview spricht der Wissenschaftler darüber, wie wir zukünftig Wasserstoff auf saubere Art und Weise produzieren könnten.

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 06/02/2020

 

Nicolas Boscher, Sie forschen an einem Projekt zum Thema Wasserstoff. Worum geht es genau? 

Ausgangspunkt sind sogenannte Porphyrine (organisch-chemische Farbstoffe, Anm. d. Red.). Sie sind quasi die Basis des Lebens auf der Erde. Porphyrine sind das Basismuster für Chlorophyll, das für die Fotosynthese von Pflanzen verantwortlich ist. Mit ihrer Hilfe kann Sonnenenergie gesammelt werden, durch die Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser in Sauerstoff und Zucker umgewandelt werden. Im menschlichen oder auch tierischen Körper passiert das Gegenteil. Man nimmt Sauerstoff auf, um etwa die Muskeln zu versorgen. Dazu benötigt man auch Porphyrine. Eines ist im Hämoglobin enthalten, dem roten Blutfarbstoff. Es transportiert den Sauerstoff zu den Muskeln, wo er auf das Cytochrom trifft – ein farbiges Protein und ebenfalls ein Porphyrin. Es kann durch den Sauerstoff ein Elektron erzeugen. Dieses Elektron sorgt für die Energie der Muskeln. 

Sie forschen aber an der Wasserstoffproduktion. Wie hängt das zusammen? 

Dieses Molekül ist fast schon magisch. Porphyrine sind starke Katalysatoren, die mit für Fotosynthese und Atmung verantwortlich sind. Viele Forscher haben versucht, Porphyrin zu nutzen, um chemische Reaktionen zu erzeugen, vor allem für die Wasserstoffproduktion auf der Basis von Wasser – das aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht –, und ihn dann als Treibstoff zu nutzen. 

Es gibt also schon Forscher, die sich mit Porphyrinen beschäftigen. Was ist an Ihrem Ansatz neu? 

Es ist schwierig, mit Porphyrinen zu arbeiten, weil sie nur schwer löslich sind, was die Entwicklung bremst. Anders als andere Forschergruppen arbeite ich unter Vakuum und bringe die Porphyrine dazu, in Gasform zu reagieren, um so neue Materialien zu erhalten. Das erlaubt mir, Polymere aus dem Porphyrin herzustellen. 

Wie sind Sie zu diesem Forschungsfeld gekommen? 

Ich habe damals bei Siemens in Deutschland an Dünnschichten gearbeitet, dann war ich für meine Doktorarbeit am University College in London und kam für den Post-Doc nach Luxemburg. Im Laufe der Forschung haben sich drei Elemente hervorgetan: die Synthese in Gasform, Fotokatalyse, also durch Licht ausgelöste Reaktionen, und Porphyrine. Nach und nach habe ich versucht, diese Aspekte zusammenzubringen. Das hat mehrere Jahre gedauert. Mit dem ERC-Projekt soll ein Gesamtbild daraus werden.

Das ist aber nicht Ihre erste Forschungsfinanzierung ... 

2013 erhielt ich Unterstützung vom Fonds national de Recherche (FNR), durch die ich die Synthese in Gasform und die Porphyrine verbinden konnte. Ich war dann ein Jahr lang am Massachusetts Institute of Technology in den USA und habe dort eine Technik zur Polymerherstellung kennengelernt. Dort haben wir zum ersten Mal Polymere aus Porphyrinen hergestellt, in Form einer Dünnschicht. Diese Forschung konnte ich dann dank einer weiteren FNR-Finanzierung am LIST weiterführen. 

Warum wurde in diesem Bereich noch nicht weiter geforscht? 

Die künstliche Fotosynthese ist schon weit erforscht, aber die Wissenschaftler haben unterschiedliche Herangehensweisen. Was die Porphyrine angeht, war bisher die große Grenze das Arbeiten in Flüssigform. Mit der Arbeit in der Gasphase können wir diese Grenze überwinden und neue, leistungsfähige Stoffe nutzen, um andere Materialien herzustellen.  

Was kann man damit machen? 

Nehmen wir Wasserstoff. Heute wird er aus Methan hergestellt, durch das Verfahren der Dampfreformierung. Methan besteht aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen. Uns interessieren die Wasserstoffatome. Aber das Kohlenstoffatom, das übrig bleibt, geht als CO2 in die Atmosphäre. Australien etwa produziert so Wasserstoff, der dann nach Japan geliefert wird, um dort Autos zum Fahren zu bringen. Dann kann man natürlich sagen, diese Autos fahren sauber. Aber das sind sie nicht, denn irgendwo anders wurde dafür CO2 produziert. Und man musste es auch noch transportieren. Mit der Fotokatalyse könnte man die Energie der Sonne für den Treibstoff nutzen. 

Und das wäre dann vollkommen sauber? 

Da wir nur Wasser als Basis verwenden, entstünde kein CO2. Wir hätten nur Wasserstoff und Sauerstoff als Produkte. 

Was bedeutet die ERC-Förderung für Ihre Forschung? 

Damit können wir verschiedene Expertisen zusammenführen. Wir könnten mit Porphyrin- und Katalysespezialisten zusammenarbeiten. Die Finanzierung erlaubt es, anders zu arbeiten – ich hätte sonst fünfmal länger gebraucht. 

Wie werden Ihre Ergebnisse später angewendet? 

Wir werden nicht direkt ein nutzbares Material haben. Zuerst prüft man etwas im Rahmen des Labors, dann als Prototyp. Das könnte durch ein Spin-off passieren, bei dem man mit verschiedenen Partnern aus der Industrie zusammenarbeitet. 

Sind die Ergebnisse auch in anderen Bereichen nutzbar? 

Ich lege den Schwerpunkt auf Fotokatalyse. Aber die Materia-lien wären auch gut für eine Elektrokatalyse. Man könnte etwa Windenergie nutzen, um Wasserstoff zu erhalten. Dann könnte man die Materialien auch weiterentwickeln, um andere chemische Reaktionen hervorzurufen. Vor allem chemische Verbindungen auf der Basis von CO2, mit denen man dann Polymere herstellen kann. Wenn man eines Tages die Natur imitieren und Fotosynthese machen will, könnte man sogar Nahrung aus künstlichem Material erzeugen. Es gibt also einige Bereiche, in denen man das weiterentwickeln kann. 

Wie betrifft diese Forschung die Menschen konkret? 

Eines Tages werden wir keine fossilen Brennstoffe als Energielieferanten mehr nutzen. Wasserstoff, Windkraft, Sonnenenergie, das sind Lösungen, die kombiniert werden. Es gibt nicht eine, die besser ist. Für Autos wird es aber Wasserstoff sein, auch wenn dieser in verschiedenen Herstellungsarten produziert werden wird. Was die Katalyse betrifft, so beeinflusst sie auch die Ingenieurswissenschaft. Wenn die Ära des Öls vorbei ist, wird man Kunststoff nicht mehr so produzieren können wie jetzt. Kann man aber durch Katalyse die Bestandteile herstellen, die man dafür braucht, könnten wir viele unserer Verhaltensweisen beibehalten und hätten trotzdem eine sauberere Welt.

INTERVIEW: SARAH SCHÖTT

 

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