Praktische Lösungen

Dr. Michael Eickermann erforscht am LIST neue Bekämpfungsmethoden gegen Schädlinge

Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 26/08/2015

 

Der Landwirt fährt aufs Feld. Er zückt sein Smartphone. Auf dem Display erscheinen per Satellitenverbindung genaue Informationen über seinen Standort, das Wachstumsstadium der angebauten Kultur sowie über das Risiko von Krankheiten,und Schädlingen. Darüber hinaus schlägt ihm die Software eine Auswahl an Pflanzenschutzmitteln vor, die sich zur Anwendung eignen sowie in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt ein Einsatz erfolgen soll. Der Bauer bestätigt die Anwendung, die anschließend in einer Datenbank registriert wird.

So stellt sich Dr. Michael Eickermann die Landwirtschaft in der Zukunft vor. Seit 2007 forscht der Agrarentomologe am "Luxembourg Institute of Science and Technology" (LIST) unteranderem in den Bereichen Insektenbekämpfung und Pflanzenschutz. Sein Auftrag lautet, einen Warndienst aufzubauen, der Landwirten sagt, wo und wann mit Schädlingen zu rechnen ist. Wie der Insektenwissenschaftler unterstreicht, verfolgen die Forscher am LIST dabei einen angewandten Forschungsansatz. "Wir befinden uns nicht im Elfenbeinturm. Unser Ziel sind praktische Lösungen", sagt Eickermann. Lösungen, mit denen der Landwirt etwas anfangen kann.

Diagnosetool für Rapsschädlinge

Auch wenn es bis zur Verwirklichung seiner Vision noch ein weiter Weg ist, Versuche in diese Richtung gibt es bereits, Zum Beispiel bestehen Überlegungen, mit der Universität Lüttich ein Spinoff-Unternehmen zu gründen. Im kommenden Jahr sollen zu diesem Zweck Versuche in Lothringen gestartet werden um ein Diagnosetool für Rapsschädlinge zu testen. Ein mit vielen Informationen und Parametern gefütterter Algorithmus soll, auf der Grundlage von seit 2007 massenweise gesammelten Daten, Vorhersagen erstellen, wann mit Schädlingen zu rechhen ist und Landwirte warnen. "Insekten sind größtenteils gesteuert durch meteorologische Parameter wie Temperatur, Bodenfeuchtigkeit, Wind, Niederschlag oder Tageslänge. Auf der Grundlage dieser Datensätze ist es möglich, eine relativ genaue Vorhersage zu treffen", erklärt der Insektenwissenschaftler. Allerdings gibt es noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen. Die Feldgröße zum Beispiel oder wie oft eine Kultur in einer Region angebaut wird.

Probleme mit Rapsschädlingen etwa gebe es in Europa erst, seit dem auch verstärkt Raps angebaut wird, das heißt seit etwa 20 Jahren. In Deutschland und England beispielsweise, wo die Fruchtfolgen enger sind und viel Raps angebaut wird, sei auch die Schädlingsproblematik größer. In Luxemburg würden rund 4.000 Hektar Raps angebaut, wo theoretisch etwa 10.000 Hektar möglich wären "Das ist mehr als genug, um die Probleme klein zu halten", meint Eickennann. Unter Fruchtfolge versteht man die Anbaufrequenz einer Kultur. Baut ein Landwirtschaft abwechselnd Weizen und Raps an, ist die Fruchtfolge enger. "Je weiter eine Fruchtfolge ist, indem man Mais, Gerste, Leguminosen sät, umso besser ist es für das Land aber auch für die Natur", erklärt Eiekermann. Letzten Endes liegt diese Entscheidung aber beim Bauern, der, wie er betont, immer stärker unter wirtschaftlichem Druck steht.

Nicht jeder Befall muss bekämpft werden

Vorhersagemechanismen für Schädlinge oder auch Krankheiten Würden ebenfalls die Anwendung von entsprechenden Pflanzenschutzmitteln verbessern. Auch wenn Eickermann betont, dass die meisten Landwirte verantwortungsvoll mit Insektiziden oder Herbiziden umgehen, sei das Potenzial für Verbesserungen groß. "Jede Spritzung von Pflanzenschutzmitteln, die nicht termingerecht, nicht zielgenau und nicht bedarfsgerecht ist, ist eigentlich eine falsche Spritzung", sagt er. Nicht jeder Befall sei auch bekämpfungsrelevant. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müsste insgesamt zielgerichteter werden.

Schädlingsbefall sichtbar machen

Genau darauf zielt ein anderes Forschungsprojekt ab. Derzeit experimentieren die Forscher am LIST an der Sichtbarmachung eines Schädlingsbefalls im Raps in einem frühen Stadium, bevor dieser für das menschliche Auge sichtbar ist. Ende August wird der junge Raps gesät. Bereits im Herbst machen sich die Larven der Kohlfliege. ein Schädling aus dem Gemüsebau, über die Wurzeln der jungen Rapspflanzen her. Wenn aber nur ein kleiner Teil eines Feldes betroffen ist, macht es keinen Sinn, das ganze Feld zu behandeln, erklärt Eickermann. Ziel des Versuchs ist es zunächst, mittels Strahlungs messungen einen Befall sichtbar zu machen und herauszufinden, ob die Technik einen solchen von Trockenstress unterscheiden kann. Die Forscher vergleichen zu diesem Zweck Aufnahmen einer Versuchsanordnung mit herkömmlichen, normal gedüngten Rapspflanzen, Trockenstress ausgesetzten Pflanzen sowie mit Eiern der Kohlfliege besetzten Varianten.

"Bei unserem Versuch wird die Reflektion der Sonneneinstrahlung auf den Pflanzen gemessen. Wir wollen die im Verlauf des Tages angefertigten Bilder vergleichen, um zu sehen, ob sich die Reflektionswerte verändern und sich erkennen lässt, ob eine Pflanze befallen ist oder unter Trockenstress leidet", erläutert Eickermann das Experiment. Gelingt das, wollen die Forscher einen Schritt weiter gehen. Lässt sich beispielsweise ein schwacher von einem starken Schädlingsbefall unterscheiden?

In einem späteren Stadium soll die Kameratechnik in Zusammenarbeit mit einer Spinoff der Universität Trier an einer Drohne montiert werden, die Aufnahmen aus der Luft anfertigen würde. Die Idee hinter dem Feldversuch besteht darin, dem Landwirt zeigen zu können, wo genau es auf seinem Feld Befallsherde der Kohlfliege gibt. Diese Daten könnten dann - das wäre die Vision - an die Pestizidspritze gefüttert werden. Fährt der Bauer dann an einer betroffenen Stelle vorbei, ginge die Düse für ein paar Sekunden auf. "Precision farming" nennt sich das. Der gezielte Einsatz von Schädlings- oder Unkrautbekämpfungsmitteln würde dem Landwirt einerseits ermöglichen, deutlich weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen und Kosten einzusparen und andererseits eine flächendeckende Pestizidnutzung überflüssig machen.

Auch ackerbauliche oder mechanische Lösungen können Alternativen zu chemischen Mitteln darstellen. "Beim Thema Pflanzenschutz denken viele: Der Bauer fährt raus und spritzt. Dabei ist Pflanzenschutz ein ganzes Bündel, das Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Sortenwahl oder auch den Aussaattermin umfasst. Das sind alles Parameter, die eine Rolle spielen und stärker berücksichtigt werden sollten. Aufgrund der wirtschaftlichen Zwänge bevorzugen Landwirte zum Teil die schnelle Lösung. Ackerbauliche Lösungen brauchen Zeit und setzen eine sehr gerraue Planung voraus", führt Eickermann aus. Auch wenn sie aufgrund der Witterungsparameter nicht immer möglich seien, gebe es dennoch viel Luft nach oben.

Eine Möglichkeit bestehe darin, dass Landwirte statt Raps, Leindotter oder Ölhanf anbauen. Für die Forscher gilt es herauszufinden, welche Folgen der Anbau von alternativen Kulturen bedeutet. Kommen dadurch neue Schädlinge oder Unkraut? Gibt es überhaupt Absatzmärkte für die daraus gewonnenen Produkte? Wie hoch ist der Arbeitsaufwand? Denn Raps bedeutet für den Landwirt hohe Erträge und geringe Ertragsschwankungen. Außerdem gibt die Pflanze dem Boden viel Stickstoff. Davon profitiert beispielsweise der Weizen. Darüber hinaus gilt Raps als optimal, um enge Getreidefurchtfolgen aufzubrechen. Da Getreidesorten wie Roggen, Weizen, Dinkel oder Gerste stark mit einander verwandt sind, wächst bei einer engen Getreidefruchtfolge auch das Risiko von Getreidekrankheiten.

Ein weiteres Kriterium für die gesuchte Kultur ist, dass sie schnell einen Bestand bilden muss, da sonst zwischen den Pflanzen Unkraut entsteht, was wiederum eine zusätzliche Behandlungbedeuten würde. "Es nützt uns nichts, Kulturen einzuführen, die mehr Pflanzenschutz benötigen", erklärt Eickermann, der das Büro regelmäßig mit dem Feld tauscht.

Bienensterben hat mehrere Gründe

Zu den vielfältigen Themen, mit denen sich der Insektenforscher befasst, gehören auch die Honigbienen. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Bienenvölker in Luxemburg um bis zu 60 Prozent zurückgegangen. Verschiedene Faktoren sind für diese Entwicklung verantwortlich. Die Varroamilbe etwa, die vor 30 Jahren eingeschleppt wurde, ist ein Parasit, der die Biene befällt und praktisch aussaugt. Zudem überträgt sie Viren. Zwar behandeln die Imker ihre Bienen mit ätherischen Ölen und organischen Säuren. Die Wirksamkeit einer Behandlung wird allerdings durch Faktoren wie die Temperatur oder Feuchtigkeit beeinflusst.

"Bei Bienenstöcken an einem See sind die Bekämpfungserfolge auf grund der hohen Luftfeuchte schlechter". Darüber hinaus fehle es aber auch an Blühstreifen als Nahrungsquelle, von denen auch andere Arten wie WIldbienen oder Schmetterlinge profitieren. "Studien zeigen, dass, je mehr Rückzugsgebiete es gibt, desto mehr Nützlinge" kommen vor. Obwohl das Anlegen von Ackerrandstreifen von der EU subventioniert wird, gibt es seiner Einschätzung zufolge nicht genug davon. Oft auch deswegen, weil es am Dialog zwischen Imkern und Bauern fehle. "Das Problem ist nicht ein schlechtes, sondern gar kein Verhältnis", sagt Eickermann.

Ein dritter Faktor sind Insektizide. Auch wenn ein Bienenvolk von 50.000 Bienen die negativen Effekte von Neonikotinoiden abfedern könne, stelle sich immer noch die Frage nach den Auswirkungen auf andere Insektenarten wie die Solitärbienen, gibt Eickermann zu bedenken, der über die Beschäftigung mit dem Thema selbst zum Imker wurde.

Klar ist, dass ein solch breites Forschungsspektrum nur im Austausch und Zusammenspiel zwischen den Forschern am LIST möglich ist. Doch auch die Kontakte zu externen Akteuren spielen eine immer wichtigere Rolle. Durch die Fusion hat sich die Forschungsarbeit am LIST stärker auf bestimmte Themen fokussiert, wobei immer auch der Aspekt der Produkt- und Lizenzentwicklung oder der Optimierung von Prozessen berücksichtigt werden soll. Das hat zur Folge, dass immer mehr Anfragen aus der Industrie kommen. "Mit der Auftragsforschung ergänzen wir die Universität Luxemburg in der Forschungslandschaft des Landes", findet Eickermann. Die stärkere Ausrichtung auf angewandte Forschung, die letztlich zur Förderung von Innovation und zur Diversifizierung der Wirtschaft beitragen soll, bewertet Eickermann positiv. "Es ist doch vollkommen berechtigt, dass jemand fragt: Was kommt bei der Forschung heraus? Es kann doch nur zum Vorteil für den Standort Luxemburg sein, wenn wir sagen können, dass wir nicht nur ein Problem gelöst haben, sondern auch einen Beitrag zur Mehrung des Wohlstands und zur Diversifizierung der WIrtschaft geleistet haben".


 

ZUR PERSON

Per Zufall zu den Insekten


Seit 2007 arbeitet Dr. Michael Eickermann beim heutigen "Luxembourg Institute for Science and Technology" (LIST), das 2015 aus der Fusion der öffentlichen Forschungszentren Gabriel Lippmann und Henri Tudor hervorgegangen ist. Seine Aufgabe: "Erstellung von Schädlingsprognosen als Entscheidungshilfe für die Landwirtschaft". Der Agrarentomologe, also Insektenwissenschaftler in der Landwirtschaft, hat zunächst Gartenbau studiert. Der Zufall führte ihn zur Spezialisierung auf Insekten. Während des Referendariats in Deutschland kam er mit dem Ackerbau in Berührung. Das sei "eine vollkommen neue Welt" gewesen, die ihn fesselte. In seiner Doktorarbeit hat er sich dann mit Schädlingen befasst.

Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehört die Erfassung von Schädlingen im Ackerbau und hier speziell im Raps, die Entwicklung neuer Bekämpfungsmethoden gegen Schädlinge, die Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft (Klimafolgenforschung), die Erforschung alternativer Fruchtfolgen - durch was man etwa Raps ersetzen kann - sowie die Forschung über Honigbienen.

CHRISTIAN BLOCK

 

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