„Rasante Entwicklung”

Thomas Kallstenius, CEO des „Luxembourg Institute of Science and Technology“, zieht nach einem Jahr im Amt eine erste Bilanz

Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 19/03/2020

 

Seit Februar 2019 leitet Thomas Kallstenius das „Luxembourg Institute of Science and Technology" (LIST), das aus der Fusion des CRP Tudor und des CRP Lippmann hervorgegangen war, zwei öffentlichen Forschungszentren. Das LIST als größtes Forschungsinstitut steht besonders im Fokus. Die Erwartungen an Kallstenius waren hoch, insbesondere nach einem Bericht eines niederländischen Instituts zum Zustand der drei öffentlichen Forschungszentren in Luxemburg, den das Ministerium in Auftrag gegeben hatte. Hier erzählt der schwedische Physiker, was sich am LIST in Belval getan hat.

Herr Kallstenius, Sie sind jetzt seit etwas über einem Jahr im Amt. Was hat sich verändert?

Wenn man eine neue Stelle dieser Art annimmt, dann ist es sehr wichtig, die Leute kennen zu lernen; sich mit dem Ökosystem vertraut zu machen, auch mit den Industriepartnern. Luxemburg selbst ist für mich nicht neu, da meine Kinder hier geboren sind und wir hier schon gelebt haben. Es ist allerdings sehr interessant zu sehen, wie Luxemburg sich in den vergangenen 15 Jahren verändert hat. 2003, als meine Tochter geboren wurde, war hier in Belval noch kein starkes Innovations-Ökosystem. Dessen Entwicklung hier ist rasant und sehr erstaunlich und hat mich angenehm überrascht. Das war mir gar nicht so klar, bevor ich zum LIST gekommen bin.

Wie haben Sie es geschafft, 620 Mitarbeiter kennen zu lernen?

Mir war ihr Vertrauen wichtig. Eine Organisation wie diese baut auf ihrem Ruf und der Verantwortlichkeit der Eigentümer auf. Ich habe rund 40 Frühstücks-Treffs organisiert, an denen nie mehr als 15 Mitarbeiter teilgenommen haben. Das waren ganz offene Diskussionsrunden. Ich hatte so etwas schon bei meinen vorherigen Stellen gemacht. Alle Fragen sind zugelassen, aber es bleibt vertraulich. Das hilft beim Kennenlernen.

Sie haben auch einen nagelneuen Verwaltungsrat, in dem die hier ewig präsenten Gesichter von Fernand Reinig und Georges Bourscheid fehlen...

Ja, er ist seit Januar im Amt und wird von Jacques Lanners, dem ehemaligen CEO von Ceratizit, angeführt. Es sind hervorragende Profile vertreten, die das Ministerium ausgewählt hat. Das LIST hat Vier-Jahres-Verträge über die Performance, da ist es gut, einen solchen Verwaltungsrat zu haben.

Was haben Sie vom LIST gehört, bevor Sie herkamen?

Schwer zu sagen. Bevor ich zum LIST kam, wusste ich zwar, dass es die Organisation gab, aber hatte in meiner vorherigen Rolle als Direktor für Sicherheitsprogramme bei imec keinen direkten Kontakt dazu. So war das luxemburgische Innovations-Ökosytem in weiten Teilen neu für mich.

Wo waren Sie eigentlich vorher?

Ich war Direktor des Forschungsprogramms beim belgischen Forschungsinstitut imec, das sich vor allem mit Innovation in der Nanoelektronik und den digitalen Technologien beschäftigt hat. Mit über 4.000 Mitarbeitern war es groß verglichen mit dem LIST, das rund 620 Mitarbeiter beschäftigt und kann auch auf eine längere Geschichte zurückblicken. Beim imec habe ich die Zusammenarbeit mit der UI Leuven für ein Forschungsprogramm über Sicherheit und Datenschutz geleitet und war in Projekte zur künstlichen Intelligenz involviert. Dort habe ich viel über best practice gelernt. Vor dieser Station war ich Vizepräsident für Forschung und Innovation bei iMinds, einem Forschungsinstitut, das 2016 mit imec fusionierte.

An welchen technischen Innovationen arbeiten Sie?

Wir haben hier drei Abteilungen: „Material Science", wo es viel um Komposit-Materialien und Nanomaterialien geht, Umweltinnovationen, die sich mit Nachhaltigkeit und Biotechnologie beschäftigen, sowie digitale Innovationen. In letzterem Bereich beschäftigen sich die Forscher unter anderem mit „Smart Cities" und „smart mobility"; was ja hier ein sehr wichtiges Thema ist. Wenn man die Lebens- und Verhaltensmuster besser versteht, ist es einfacher, Antworten auf diese Schlüsselfrage zu finden. Darüber hinaus sind auch E-Mobilität und Wasserstoff Themen, die uns interessieren.

Wie vermarkten Sie die Resultate der Recherchen besser?

Das breite Publikum kennt uns wahrscheinlich nicht so gut, was zum Teil daran liegt, dass wir vor allem mit Partnerunternehmen arbeiten und weniger direkt mit Konsumenten in Kontakt sind. Nichtsdestoweniger ist die öffentliche Wahrnehmung wichtig für uns und Teil unserer Mission, ein Schlüsselelement bei der Umwandlung Luxemburgs in eine vertrauenswürdige und nachhaltige digitale Wirtschaft zu sein. Wir arbeiten beispielsweise mit kleinen und mittleren Unternehmen beim „digital innovation hub" zusammen. Das Coronavirus hat leider eine Reihe von Events, bei denen wir Ergebnisse vorstellen wollten, unmöglich gemacht. Am 17. Juni haben wir einen großen LIST-Tag vorgesehen, bei dem wir unsere bemerkenswertesten Ergebnisse präsentieren wollen. Sprecher aus 20 verschiedenen Abteilungen sind eingeplant. Doch ob dies angesichts der jüngsten Ereignisse haltbar ist, weiß man nicht. Dann muss man unterscheiden zwischen der Sichtbarkeit auf lokaler Ebene und der auf europäischer und internationaler Ebene. Wir sind erst fünf Jahre alt, also noch eine neue Marke. Mit sozialen Medien und über europäische Forschungsorganisationen versuchen wir auch hier, uns sichtbarer zu machen. Darüber hinaus habe ich dank meiner Mitarbeiter natürlich auch 620 Botschafter im Haus.

Eine Ihrer Aufgaben ist die Beratung der Politik. Wie läuft das?

Wir arbeiten eng mit den verschiedenen Ministerien zusammen, zum Teil über Rahmenprogramme wie beispielsweise mit dem Umweltministerium. Wegen des Coronavirus sind wir täglich in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und haben ein eigenes Krisenkomitee.

Der Finanzindustrie, die für Luxemburg sehr wichtig ist, geht es nicht besonders gut. Wie unterstützten Sie diese mit Ihrer Forschung?

Ich selbst bin kein FinTech-Experte, aber wir verfügen beim LIST über diese Kompetenzen, denn vieles hat mit Regulierung und Compliance zu tun. Wie kann ich das beweisen oder eventuell auch automatisieren? Systeme wie Blockchain und andere können hier Vertrauen schaffen und bei „smart contracts" helfen.

Sie haben vorhin das Thema Wasserstoff angesprochen. Das ist hier noch nicht sehr weit fortgeschritten....

Es ist mit vielen Fragen verbunden wie: Was passiert, wenn bestimmte Autos nicht erlaubt sind? Wie würde der Markt reagieren? Ich selbst fahre ein E-Auto und finde das sehr angenehm. Aber das hat sich noch nicht überall durchgesetzt... 

ZUR PERSON : Thomas Kallstenius

Der Physiker und promovierter Materialwissenschaftler wurde am 1. Februar 2019 CEO des „Luxembourg Institute of Science and Technology" (LIST). Die Umsetzung von Forschungsergebnissen in sozioökonomische und kommerzielle Auswirkungen war schon immer die Mission und der Hauptantrieb seiner Karriere. Zuvor war der Schwede Forschungsdirektor beim belgischen imec-Institut sowie Vizepräsident beim Forschungsinstitut iMinds, das 2016 mit dem imec fusionierte. Zuvor arbeitete er bei Bell Labs sowie Alcatel Lucent in Marketing und Forschung. Kallstenius hat an der schwedischen Universität von Uppsala promoviert und einen MBA in Belgien erworben. Der 49-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Cordelia Chaton

 

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