Vom Labor in die Industrie

Das EU-finanzierte Projekt „Phoenix“ soll eine Führungsrolle im Bereich der Nano-Medizin sichern.

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 04/03/2021

 

„Phoenix“ ist ein Innovationsprojekt, das Dienstleistungen rund um Nano-Pharmazeutika, deren Prüfung, Sicherheitsbewertung und auch Herstellung ermöglichen soll, so dass Start-ups, Forschungslabore oder andere Anwender davon profitieren können. Das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) koordiniert einen Teil dieses Projekts.

Aber was sind Nano-Pharmazeutika eigentlich? Tommaso Serchi vom LIST erklärt: „Eigentlich sind Nano-Arzneimittel nicht anders als normale Medikamente“, nur viel, viel kleiner. Etwa 80 000 Mal dünner als ein menschliches Haar. Durch die Größe veränderten sich auch die Eigenschaften der Medikamente, was man wiederum in der Therapie, beispielsweise von Krankheiten wie Krebs, nutzen könne.

Frei von Nebenwirkungen

„Eine Chemotherapie betrifft den ganzen Körper“, erklärt Serchi. Nano-Pharmazeutika würden allerdings nur die Krebszellen angreifen. Ihnen wäre quasi ein Navigationsgerät mitgegeben, das sie direkt zum Tumor führt, wo sie wirken können. Mit dem Resultat, dass – zumindest in der Theorie – eine Krebstherapie mit Nano-Medikation nahezu frei von Nebenwirkungen sei.

Und das sind nicht die einzigen Vorteile, die sich die Forscher von der Nano-Medizin erhoffen: „Die Stabilität der Medikamente wird durch die Nano-Medizin erhöht.“ Wie lange besteht ein Medikament, ohne sich zu verändern? „Wenn es für einige Produkte nur eine Haltbarkeit von sechs Monaten gibt, kann man über die Nanotechnologie diese auf bis zu zwei Jahre verlängern“, sagt Serchis Kollegin Nazende Günday-Türeli von der saarländischen Firma My- Biotech, die die wissenschaftliche Koordinatorin des Projekts ist, welches in den nächsten vier Jahren mit 14,45 Millionen Euro gefördert wird. „Es ist also nicht nur für die Patienten von Vorteil, sondern auch sehr nützlich für das Gesundheitssystem.“

Allerdings nützen diese Vorteile niemandem etwas, wenn sie nur in der Theorie existieren. Es gibt noch Probleme bei der Herstellung der Medikamente. Die Infrastruktur ist noch nicht so ausgereift, als dass man sie auf den Weltmarkt bringen könnte. „Was im Labor gut funktioniert, muss in der Industrie noch lange nicht funktionieren“, sagt Serchi. Hier setzt „Phoenix“ an: Es ist die Aufgabe des LIST und zehn europäischer Partnerfirmen (unter anderem aus Deutschland, Spanien und Kroatien), diese Lücke zwischen den Laboren und der Industrie zu schließen.

Nazende Günday-Türeli erklärt, dass es zwei verschiedene Ansätze zur Herstellung dieser Medikamente gibt. Ansatz Nummer eins: Man mahlt die Medikamente mit speziellen und sehr teuren Maschinen, so dass sie irgendwann die Größe von Nano-Partikeln haben. Ansatz Nummer zwei: Man hat eine Lösung mit dem Wirkstoff und dann baut man es von Atom zu Atom, Molekül zu Molekül zusammen, bis man zu dem gewünschten Ergebnis gelangt.

Für jede Art von Nano-Pharmazeutik brauche es zudem unterschiedliche Ausrüstungen und Methoden. „Die Entwicklung von Medikamenten ist immer sehr teuer“, ergänzt Serchi. „Deshalb ist das Projekt ‚Phoenix’ so wichtig“, betont Günday-Türeli. Es gebe viele verschiedene Institute und Unternehmen mit guten Ideen, es fehle dort aber oft am Wissen zur industriellen Umsetzung.

Experten zusammenführen

„Man braucht verschiedene Experten, die zusammenarbeiten“, sagt Günday-Türeli. Jemanden, der synthetisieren kann, jemanden der produzieren kann, jemanden der den Papierkram erledigt. In der Pharmaindustrie seien die Standards sehr hoch gesetzt. Günday-Türeli und Serchi arbeiten schon lange in der nanomedizinischen Forschung und haben sich ein Expertennetzwerk aufgebaut, von dem sie bei der Bewerbung zur Projektförderung profitierten.

Sie brachten ihre Partner zusammen, um ein Konzept zu erstellen, das auf die Ausschreibung der EU passt. Diese fordert, mit einem „Open Innovation Test Bed“ die Produktion für nanopharmazeutische Medikamente zu entwickeln und bereitzustellen. Sie werden die Charakterisierung, Herstellungs-, Verpackungs-, Verarbeitungs- und Lagerungsverfahren von nanopharmazeutischen Medikamenten nach pharmazeutischen Standards etablieren. Dieses Regelwerk nennt sich GMP (Good Manufacturing Practice) und muss weltweit eingehalten werden.

„Phoenix“ hat sich vorgenommen, innerhalb der nächsten vier Jahre GMP-zertifizierte Chargen von Nano-Medizin bereitzustellen, die für klinische Tests geeignet sind und den europäischen Arzneimittel-Vorschriften entsprechen. Es ist geplant, dass im Anschluss an das Forschungsprojekt eine Firma die Errungenschaften von „Phoenix“ weiter verfolgt.

Eine Vorgabe aus dem EU-Projekt ist außerdem, dass die Firma, die durch die Förderung entsteht, das Potenzial hat, den vierfachen Umsatz der Fördersumme innerhalb von fünf Jahren nach Bezuschussung durch die EU zu erreichen. Das wären in diesem Fall also knapp 60 Millionen Euro bis 2029. „Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann wird es nach dem Ende des Projekts, hier in der Großregion auch noch mehr Arbeitsplätze geben“, so Serchi. Normalerweise werden auf eine Ausschreibung dieser Art mehrere Projekte gefördert, erklärt Günday- Türeli. Doch in diesem Fall sei lediglich ihr Projekt gefördert worden, was sie sehr stolz gemacht habe. Der nächste Schritt sei die Kick-off-Veranstaltung am 25. März. Dann wird die Webseite eingerichtet und ein Katalog erstellt mit den Dienstleistungen, die „Phoenix“ anbietet.

Clemens Sarholz

 

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