Von Walferdingen bis Grönland

Im Herbst findet im Parlament eine Orientierungsdebatte über die zukünftige Klima- und Energiepolitik statt. Im Vorfeld hat sich der zuständige Unterausschuss ein Bild von der Klima- und Energieforschung in Luxemburg gemacht. Die hat mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht.

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 22/07/2015

 

Es ist kalt und feucht hier drinnen, 80 Meter unter der Erde. Gerade eben noch hat uns die Sommersonne erwärmt, jetzt folgen wir schweigend dem Herrn über diesen Ort. Olivier Francis ist ein Wissenschaftler wie aus dem Bilderbuch, humorvoll, sehr entspannt und absolut kommunikativ. Der Geophysiker an der Uni Luxemburg leitet das unterirdische Labor in der früheren Gipsmine in Walferdingen.

Spitzenforschung im Dunkeln

Die Mitglieder der parlamentarischen Ausschüsse für Wirtschaft und Forschung wollen sich ein Bild von den Arbeiten machen, nicht alle sind gekommen. Wissenschaft und Politik, das ist nicht jedermanns Sache. Henri Kox (Déi Greng) leitet den Ausschuss, er zeigt die ausgelassene Begeisterung des Ingenieurs. „Ich will in meinem Bericht die relevanten Forschungsprojekte im Bereich Klimawandel erwähnen. Zum Teil wird in Luxemburg Spitzenforschung betrieben, wie hier in Walferdingen. Es ist eine Gelegenheit aufzuzeigen, dass solche Forschung in Luxemburg existiert“, so Kox. Nach knapp 20 Minuten sind wir am Herzstück der Anlage angekommen. Hier dreht sich alles um Gravitationsmessung, und die beiden Geräte in Walferdingen gehören zu den besten der Welt. Sie sind sozusagen die absolute Referenz, die Mutter aller Gravitationsmesser. Die stabile Temperatur von 13 Grad, die Stille und die Abwesenheit von fließendem Wasser schaffen perfekte Umstände für die sensiblen Messungen. Gemessen wird die Geschwindigkeit, mit der ein Objekt im freien Fall zu Boden fällt. Die ist nicht überall auf der Erde gleich, auch wenn die Unterschiede extrem gering sind. Die Geräte in Walferdingen sind so sensibel, dass sie noch den Wellenschlag an der Nordsee messen können. In der Praxis kann man damit Magmabewegungen erkennen oder eben auch das Abschmelzen des Eispanzers auf Grönland infolge des Klimawandels. In Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsprojekten werden die Gerätschaften in Walferdingen seit 10 Jahren für diese Messungen in Grönland eingesetzt. Der Schmelzprozess ist ein eindeutiger Beweis für den Klimawandel. Von Walferdingen geht es nach Belval, genauer gesagt zum „Luxembourg institute of science and technology“ (List). In bislang provisorischen Containern in direkter Nähe zur Universität Luxemburg hat hier das List sein neues Zuhause gefunden. Es ist aus dem Zusammenschluss des CRP Henri Tudor und des CRP Gabriel Lippmann hervorgegangen.

Von der Mine zum Container

Umwelttechnologien sind eines der Kernfelder des Institutes. Die Abteilung Innovation und Umweltforschung (Erin) beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels, Wiederverwertbarkeit von Abfällen und Energie aus Biogas. Prof. Dr. Lucien Hoffmann, der Leiter des Institutes, führt uns durch eines der Versuchslabore. Es müffelt leicht faulig, Biogas eben. Zig Glaskugeln, mit Schläuchen und Sensoren versehen, sind hier in einer Versuchsanordnung zu sehen. “Wir simulieren in diesen Bioreaktoren nichts anderes als die Mischungen, die in Biogasanlagen entstehen. Je nach Zusammensetzung verändert sich die Produktion, die Rentabilität steigt oder sinkt damit.“ Biomasse könnte die Energiequelle der Zukunft sein, in ihr ist sieben mal mehr Energie gespeichert als die Menschheit jährlich verbraucht. Und sie wächst nach. Alleine in Luxemburg werden jährlich 62 000 Tonnen an Bioabfällen eingesammelt, auch der Restmüll besteht immerhin noch zu 49 Prozent aus Biomasse. Da besteht noch viel Potenzial. Aber das Institut hilft auch aus , wenn was schief läuft. Hat eine Biogasanlage Probleme, so fährt ein Team vor Ort und zieht Proben. Die Gemische werden dann analysiert. Das Know-how ist mittlerweile so weit entwickelt, dass Betreiber aus Frankreich um Rat und Tat Fragen. „Es ist der praktische Output der hier zählt, nicht die Grundlagenforschung,“ so Henri Kox. Am Ende der Kette stehen die Unternehmen und auch der wirtschaftliche Nutzen.“ Wirtschaftliche Folgen hat auch das Forschungsgebiet dem sich Dr. Andrew Ferrone verschrieben hat.

Die Weine wandern

Der Impakt des Klimawandels auf Mensch und Vegetation in Luxemburg beschäftigt den jungen Forscher. Weine, die bisher an der Mosel problemlos heranwuchsen, werden wohl weiter nördlich ziehen. Dazu zählen Müller-Thurgau und Weißer Burgunder. Dagegen werden südliche Sorten wie Cabernet Sauvignon und Grenache Noir sich an der Mosel zunehmend wohl fühlen. Festgestellt wurde auch ein Rückgang der Niederschläge im Sommer, wobei intensive Ereignisse aber häufiger würden. Der Klimastress für den Menschen nimmt zu.

Photovoltaik wiederum ist an der Uni ein bedeutendes Forschungsfeld. In einem speziellen Verdampfer werden verschiedene Materialien auf ihre Leitfähigkeit hin getestet, „Spaceship“ wird die Apparatur hier mit akademischem Humor genannt. Photovoltaik hat Zukunft, auf dem Dach des Escher Krankenhauses steht eine Versuchsanlage zu Testzwecken. Die Zusammenarbeit mit Südstrom verdeutlicht auch hier eine praxisorientierte Forschung.

Hightech im List

Das „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (List) ist am 1. Januar 2015 aus dem Zusammenschluss der öffentlichen Forschungszentren „Henri Tudor“ und „Gabriel Lippmann“ entstanden. Das List ist ein wahres Aushängeschild der luxemburgischen angewandten Forschung. Gearbeitet wird vor allem in den Bereichen Umwelt- und Materialtechnik sowie Informationstechnologie. Alternative Energiegewinnung, intelligente Stromsysteme oder aber eine optimierte Wasserversorgung gehören zu den Forschungsgebieten. Relevant ist dabei immer die praxisorientierte Anwendung, die sowohl der Industrie als auch der Bevölkerung zugute kommt. Deshalb wird sehr stark auf sogenannte „public private partnerships“ gesetzt, Partnerschaften also mit Privatunternehmen.


JACQUES GANSER

 

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