Zukunft der Städte: Selbstversorgung

Flächen in der Stadt besser nutzen, um Energie dort herzustellen, wo sie verbraucht wird - das ist das Ziel eines Forschungsprojektes am LIST. Besonders im städtischen Luxemburg ist der Ansatz vielversprechend.

Source : Revue
Date de publication : 18/11/2020

 

Wenn schon nicht für die Menschen, so wenigstens für den Energiehaushalt ist dieses Jahr ein gutes. Während wir im April zu Hause saßen, Autos in der Garage dahinrosteten, Rechner im Büro ausgeschaltet und Flugzeuge am Boden blieben, strahlte die Sonne gut 300 Stunden auf Luxemburgs Solarpanel, bald zweimal so viel wie sonst im April. In diesem Jahr hat Luxemburg einen historischen Peak in Sachen Solarenergie erreicht. Ein Dauer-Lockdown, um die Umwelt zu schonen, isi nun keine Lösung. Doch hat dieser sonnige Frühling das Vertrauen in Solarenergie bei der Regierung gestärkt.

Wie viel Potenzial darin steckt, zeigt das Forschungsprojekt "Smart City and Region Energy" (Secure) vom Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST). Das Projekt hat Algorithmen entwickelt, die berechnen, wie Städte ihren Energiehaushalt verbessern können. Konkret heißt das: weniger verbrauchen, mehr erneuerbare Energie gewinnen. Der Fokus liegt dabei auf Solarenergie. Als Teststadt diente Esch/Alzette.

"Wir füttern die Algorithmen mit historischen Wetterdaten der letzten zehn bis zwanzig Jahre", erklärt Ulrich Leopold vom LIST. Er ist Projektleiter. Diese Daten werden dann auf ein 3D-Modell der Stadt übertragen. "So sehen wir die Höhe der Hauswände und können ihre Ausrichtung sowie Schattenwürfe von Hügeln und Nachbargebäuden einbeziehen." Die Forschungsgruppe zeigt, wie viel Sonne einzelne Häuser abbekommen und wo sich welcher Typ von Solarpanels lohnt. Secure kommt zu dem Ergebnis, dass der Bedarf der Hälfte aller Escher Haushalte mit Solarenergie abgedeckt werden kann.

Solarpanels werden bisher vor allem auf waagerechten und schrägen Flächen angebracht, auf Dächer und Wiesen. Besonders in der Stadt bleibt somit sehr viel Fläche ungenutzt. "Wir waren erstaunt, wie viel Potenzial in den Fassaden steckt", sagt Leopold. Tatsächlich, so die Ergebnisse von Secure, bietet sich Luxemburgs geografische Lage besser für senkrechte Solarpanels an. "In höheren Breitengraden ist der Einstrahlungswinkel der Sonne niedriger als im Süden" Sie steht kürzer bis gar nicht im Zenit. "Deshalb eignen sich zum Beispiel in Skandinavien Fassaden besser als Dächer." 

Die Algorithmen von Secure können auf beliebige Städte und Regionen übertragen werden. Versuche wurden gemacht mit Rotterdam, Aberdeen und Charleston in South Carolina. Energieminister Claude Turmes gab sich bei der Vorstellung des Projektes im September angetan. Bald soll das Poténzial für ganz Luxemburg berechnet werden. Bisher fehlen dafür einige Daten wie Katastereinträge für die 3D-Modelle. Ulrich Leopold möchte erreichen, dass Energie einen stärkeren Fokus in der Stadtplanung einnimmt. Die Ergebnisse sollen Stadtplaner, die Regierung, Energieversorger und Bauherren locken, die Stadtplanung zu lenken, durch Subventionen und Ausschreibungen zum Beispiel. "Wir wollen der Politik diese Mittel in die Hand geben", sagt Leopold.

Noch immer stoßen Solarpanels bei den Einwohnern auf Zweifel. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit grundsätzlich gewillt ist, Strom aus Solarenergie zu gewinnen, dass neben den Kosten aber das Design eine große Rolle spielt. Solarpanels haben den Ruf, unschön zu sein. Dabei verharrt der Blick hinter dem eigenen Gartenzaun, man vergisst die hektargroßen Wunden, die Braunkohleabbau in der Landschaft hinterlässt. Inzwischen werden Solarpanels immer dezenter. Sie sind nicht mehr zwangsläufig die klobigen Dachaufbauten wie noch vor einigen Jahren. Einige Modelle werden in Dachziegel oder selbst in Fensterscheiben integriert, kaum sichtbar, teils nur Filme. Ulrich Leopold rechnet damit, dass diese in den nächsten Jahren immer ausgefeilter werden. Auch sind die Kosten in den letzten zehn Jahren um Dreiviertel gesunken, unter anderem weil Luxemburg Solarenergie stark subventioniert.

Im europäischen Vergleich hinkt das Großherzogtum jedoch hinterher. 2017 war Luxemburg in Sachen erneuerbare Energien auf dem letzten Platz in der EU, so die europäische Statistikbehörde Eurostat. Inzwischen haben wir Malta und die Niederlande überholt, doch auch Luxemburgs Ziele sind wenig ambitioniert. Im Jahr 2020 sollen elf Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen. Niedriger ist nur Maltas Ziel, die EU-Mindestvorgabe, zehn Prozent. Zum Vergleich: Schweden ist Vorreiter und generiert mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen.

Im Gegensatz zu anderen EU-Landem ist Luxemburg jedoch zuversichtlich, sein Ziel zu erreichen, so das Energieministerium. Hilfreich ist, dass Luxemburg saubere Energie von Estland und Litauen kauft, die ihre Ziele bereits Anfang 2019 erreicht haben. Das soll in Zukunft nicht mehr nötig sein. Frankreich und Irland sind am weitesten von ihren Energiezielen entfernt. Auch deshalb hat Frankreichs Energieministerin Elisabeth Borne — zumindest in der Rhetorik — die energetische Aufrüstung von Gebäuden zur Priorität gemacht. 17 Prozent, der Häuser in Frankreich sind sogenannte "Passoires énergétiques", Energieklasse F und G, schlecht isoliert. Man heizt für die Katz. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Ministeriums, im September veröffentlicht.

In Luxemburg sind diese Daten noch nicht für alle Städte vorhanden. Vieles sei noch auf Papier, stünde in den Energiepässen der einzelnen Häuser, sagt Ulrich Leopold. Das Katasteramt sammle diese Informationen zurzeit, sodass sie bald der Forschung zur Verfügung stehen.

Bei dem Testort Esch hat Secure festgestellt, dass viele Gebäude besser isoliert werden müssen, Wände, Dächer und Fenster. "Besonders in der Innenstadt, wo viele alte Häuser stehen und viele Menschen leben, besteht großes Potenzial", sagt Ulrich Leopold. Die Rechnung: Viele Menschen verbrauchen viel Energie, wie viel genau pro Haus, berechnet Secure. Am umweltfreundlichsten und versorgungssichersten ist es, sie dort zu generieren, wo sie gebraucht wird. Dafür ist Solarenergie das beste Mittel.

Franziska Peschel

 

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