Aus eins und eins soll drei werden

Die öffentliche Forschung in Luxemburg hat am 1. Januar 2015 ein neues Kapitel aufgeschlagen: Mit dem „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (LIST) soll die für Forschungsvorhaben so wichtige kritische Masse entstehen. Darüber hinaus hat das neu gegründete Institut Luxemburg die Aufgabe, Luxemburg zu mehr Sichtbarkeit auf dem europäischen und internationalen Forschungsparkett zu verhelfen.

Source : Luxemburger Wort
Date de publication : 06/01/2015

 

Im LIST sind zum Jahreswechsel die beiden Forschungszentren CRP Henri Tudor und CRP Gabriel Lippmann fusioniert. Ihre Namen – den des bekannten Erfinders mit teilweise luxemburgischen Wurzeln und den des in Luxemburg geborenen französischen Nobelpreisträgers – sind zugunsten einer „modischen angelsächsischen Bezeichnung“ verschwunden – ein Umstand, den der Staatsrat in seinem Gutachten zum neuen Rahmengesetz ausdrücklich bedauerte. Immerhin erinnert der neue Name entfernt an das berühmte MIT in Boston, was sicherlich bei internationalen Bewerbungen von Vorteil ist.

Das am 16. Oktober 2014 von den Abgeordneten auf „Krautmaart“ gestimmte Rahmengesetz über die öffentlichen Forschungszentren ersetzt die etwas angestaubte, 25 Jahre alte Vorgängerversion. Bis zum neuen Gesetz waren die „Centres de recherche publics“ den Institutionen zugeteilt, aus denen sie bei ihrer Gründung 1987 hervorgegangen sind, das CRP Henri Tudor dem einstigen „Institut supérieur de technologie“, das längst schon in der Universität aufgegangen war, und das CRP Gabriel Lippmann dem damaligen Centre universitaire. Höchste Zeit für ein an den aktuellen Gegebenheiten orientiertes Gesetz, das der Konkurrenz zwischen teilweise gleich ausgerichteten Instituten ein Ende setzt und stattdessen der Zusammenarbeit den Vorzug gibt.

Mehr Autonomie – mehr Leistung

Sämtlichen CRPs – LIST sowohl wie das CRP Santé – sind jetzt öffentlichen Einrichtungen, die „volle juristische, finanzielle, wissenschaftliche und administrative Autonomie genießen“. Auch aus dem Meinungsforschungsinstitut Ceps/Instead wird so ein autonomes CRP.

Mehr Autonomie bedeutet mehr Verantwortung, vor allem aber mehr Leistung: der „contrat de performance“, den die Forschungsinstitute mit dem Staat abschließen, sieht für das LIST bis 2017 das Ziel von 12 wirtschaftlich verwertbaren Patenten pro Jahr vor. Zudem sollen jedes Jahr mindestens zwei „Spin-Offs“ – Firmenneugründungen – aus dem Institut hervorgehen. 39 Millionen Euro pro an öffentlicher Zuwendung Jahr erhält das LIST bis zum Ende des aktuellen Leistungsvertrags – eine leichte Budgeterhöhung in Sparzeiten, angesichts der Tatsache, dass das CRP Henri Tudor mit 21 Millionen Euro, das etwas kleinere CRP Gabriel Lippmann mit 15 Millionen Euro bedacht wurden. Das neue fusionierte Forschungsinstitut soll fest in der Wirtschaft verankert sein. Dazu gehört, dass im Leistungsvertrag jährlich 25 Millionen Euro an Drittmitteln eingeplant sind. Die Aufgaben des LIST sind im Gesetz, das zu seiner Schaffung geführt hat, klar definiert. „Das LIST hat die spezifische Mission, innovative Aktivitäten und wissenschaftliche Aufgaben mit den Bedürfnissen und Interessen öffentlicher und privater sozio-ökonomischer Akteure zu verbinden“, heißt es im Artikel 30. Der Schwerpunkt liegt auf der Innovation. Forschungsaktivitäten sollen in „nützliche und dauerhafte Innovationen für die Wirtschaft und die Gesellschaft“ umgesetzt werden.

Was aber ist nützlich, was ist notwendig, und wer definiert die Richtung? „Weniger ist mehr“, lautet die Devise. Durch die Fokussierung auf sogenannte „Backbone“-Projekte soll ein international anerkanntes Exzellenzniveau in ausgewählten Gebieten erreicht werden. Die wissenschaftliche Forschung der neuen Einrichtung soll einen direkten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Impakt haben, zudem komplementär zu den Einrichtungen der eher auf Grundlagenforschung ausgerichteten Universität funktionieren. Die vier wissenschaftlichen Schwerpunkte sind dabei die Materialforschung, Umwelt- und Agrar-Biotechnologie, Informationstechnologie und das Gesundheitswesen.

Das neue CRP hat sich nach dem Modell einer „Research and technology organisation“ (RTO) aufgestellt. Bekanntes Modell ist die Fraunhofer Gesellschaft in Deutschland. EARTO, der Dachverband der europäischen RTOs, definiert deren Aktivitäten folgendermaßen: „... als wichtigste Aktivität liefern sie Forschung und Entwicklung, Technologie und Innovationsdienste für Unternehmen, Regierungen und andere Kunden“.

Dreigespann als Führungsteam

An das LIST und seine 630 Mitarbeiter werden hohe Erwartungen gestellt. „Unser Ziel ist es, aus eins und eins drei zu machen“, hatte Marc Lemmer das Projekt vor einem Jahr definiert. Der damalige Chef des CRP Henri Tudor ist der neue „Chief strategy & innovation officer“ des LIST. Fernand Reinig, der das CRP Gabriel Lippmann leitete, wurde „Chief operating officer“ des neuen Instituts.

Erst kurz vor Weihnachten wurde der Name des neuen „chief executive officers“ bekannt. Professor Gabriel Crean soll als CEO das neue Forschungsinstitut zu seiner Bestimmung führen. Der gebürtige Ire ist in der europäischen Forschung kein Unbekannter. Als „vice-president for technology and director for Europe“ hat er seit 2012 die Forschungsabteilung des CEAtech, dem „Commissariat à l'Energie Atomique et aux Energies Alternatives en France“ geleitet. Mit über 4 500 Beschäftigten ist das CEAtech eines der bekanntesten RTOs in Europa. Die Chancen für den Aufstieg des LIST in die oberste Forschungsliga stehen somit günstig. 

Die Luxemburger Forschungslandschaft wird reformiert

Öffentliche Forschung wird in Luxemburg seit etwa 25 Jahren betrieben. Eine kurze Zeitspanne, gemessen an anderen, größeren Ländern mit wissenschaftlicher Tradition. Mit dem Bau der „Cité des sciences“ in Esch/Belval, dem Zusammengehen der CRPs, dem Ausbau der Biotechnologie und einer neuen gesetzlichen Basis für den „Fonds national de la recherche“ soll ein reiferes und höheres Niveau erreicht werden.

Die Luxemburger Forschungslandschaft ist nicht nur relativ jung, sondern auch untypisch. Im Gegensatz zu anderen Ländern entstand die 2003 gegründete Universität später als die schon Ende der 80er-Jahre geschaffenen Forschungsinstitute CRP Henri Tudor, CRP Gabriel Lipplann, CRP Santé, und das auf soziologische Forschung spezialisierte Institut Ceps/Instead. Das fusionierte LIST sieht sich vor allem als RTO, eine „Research and technology organisation“, die auf die Bedürfnisse der Kunden aus der Privatwirtschaft zuarbeitet.

Maßnahme 45

Geht es nach der blau-rot-grünen Regierung, ist die Fusion der beiden öffentlichen Forschungszentren Tudor und Lippmann zum „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (LIST) kein Endpunkt. Unter den 258 Maßnahmen im „Zukunftspak“ der Regierung heißt es unter Maßnahme 45: „Regroupement des actuels CRP (Lippmann, Tudor, Santé) et du Ceps dans une seule structure.“ Als am 16. Oktober vergangenes Jahr das Rahmengesetz zu den CRPs in der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurde, erklärte der für Forschung zuständige Staatssekretär Marc Hansen, man müsse darüber nachdenken, „noch näher zusammenzurücken“. Anfang Juli 2014 wurde eine neue gesetzliche Basis für den „Fonds national de la recherche“ geschaffen. Die 1999 gegründete Fördereinrichtung, dessen Hauptaufgabe die Mitfinanzierung von Forschungsprojekten unter Berücksichtigung der festgelegten nationalen Prioritäten besteht, wurde 1999 gegründet. Die gesetzliche Anpassung definiert den Aufgabenbereich des FNR neu, auch wurde die Liste jener Einrichtungen erweitert, die Anspruch auf eine Finanzierung durch den Fonds haben. 

 PIERRE LEYERS

 

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