Überall ist nachhaltiges, grünes Bauen auf dem Vormarsch - auch in Luxemburg
Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 10/03/2017
Es ist das alte Dilemma: Mitten im Grünen zu wohnen und zugleich Mitten in der Stadt widerspricht sich. Natürlich: Man kann neben einem Stadtpark wohnen. Aber das ersetzt den eigenen Garten nicht. Ein Balkon mit einer Topfpflanze ist so ziemlich das Beste an „Gartenfeeling“, das ein Stadtmensch bekommen kann. Außer man wohnt in dem „Vertikalen Wald“ in Mailand.
Der Architekt Stefano Boeri hat in der norditalienischen Stadt zwei Wohntürme bauen lassen, die komplett bewaldet sind. Die beiden 110 und 76 Meter hohen Gebäude beherbergen 900 Bäume sowie 20.000 weitere Pflanzen. Auf flachem Land bräuchte man 7.000 Quadratmeter für all die Bäume.
Jedes Appartement hat einen Balkon mit Bäumen. „Im Winter lassen sie das Sonnenlicht rein, während sie im Sommer Schatten spenden und die Temperaturschwankungen zwischen drinnen und draußen reduzieren. Sie absorbieren Partikel verschmutzter Luft und produzieren Sauerstoff“, erklärt Boeri. Zudem bauen die Pflanzen Kohlenstoffdioxid ab und dämmen den Stadtlärm. Eine grüne Oase in der City.
Die Bewässerung der Pflanzen wird durch die Filterung und Wiederverwendung des durch das Gebäude erzeugten Grauwassers unterstützt. Darüber hinaus fördern Photovoltaik und Windkraft die Selbstversorgung des Turms.
60 Kilogramm Sauerstoffpro Tag generiert
Derzeit werden zwei weitere „Vertikale Wälder“ in Nanjing, Ost-China, gebaut, die ersten in Asien. 2018 sollen sie die rund 100 und 200 Meter-Türme mit 1.100 Bäumen fertig sein. Sie werden 25 Tonnen Kohlenstoffdioxid abbauen und 60 Kilogramm Sauerstoff pro Tag produzieren.
Diese „Vertikalen Wälder“ wirken kurios, doch sie sind bloß ein Beleg für eine globale Entwicklung hin zu einer grünen, nachhaltigen Bauweise und Stadtplanung. Das ökologische Bewusstsein wird zunehmend sensibler. Zudem werden natürliche Rohstoffe knapper. Auch hier in Luxemburg machen sich etliche Menschen darüber Gedanken. Beispielsweise das „Centre for Ecological Learning Luxembourg“ (CELL), welches Katy Fox 2010 gründete und „Vorarbeit für eine postfossile Zeit leistet“. Aktuell plant sie mit Kollegen in Redingen ein sogenanntes Erdschiff zu bauen, ein autarkes Haus, das Strom durch Solarzellen auf dem Dach und durch Windturbinen gewinnt, Regenwasser auf dem Dach sammelt und umfassend nutzt. Das Konzept kommt aus New Mexiko. Das Projekt ist staatlich gefördert. Luxemburg misst der nachhaltigen Entwicklung der nationalen Wirtschaft und dem Umweltschutz große Bedeutung bei. Seit Dezember ist Luxemburg zudem prospektives Mitglied des „World Green Building Council“, einem globalen Netzwerk aus mittlerweile 74 Staaten, das sich für grüne, nachhaltige Gebäude stark macht.
Europäischer Leuchtturm Luxemburg
„Nachhaltige Städte sind Teil einer langfristige Perspektive“, sagt Lucien Hoffmann, Direktor der Abteilung „Environmental Research and Innovation“ (ERIN) am „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (LIST). Seine Abteilung verbindet mit einem Team aus 170 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus verschiedensten Bereichen die notwendigen interdisziplinären Kenntnisse und Fähigkeiten, um die großen Umweltprobleme unserer heutigen Gesellschaft zu bewältigen: Klimaschutz, Ökosystem-Resilienz, nachhaltige Energiesysteme, effiziente Nutzung erneuerbarer Ressourcen, Umweltschutz und mehr. „Luxemburg-Stadt hat ein einzigartiges Potenzial in Europa, sagt Hoffmann. „Sie hat viele Stärken und kann auf die Kompetenz öffentlicher Forschungseinrichtungen setzen.“ Was Innovation und Nachhaltigkeit betrifft, könne Luxemburg-Stadt ein europäischer Leuchtturm werden.
Aber auch andere Städte im Land ziehen mit. In Düdelingen etwa entsteht ein ganzes, neues, grünes Stadtviertel auf dem Gelände des früheren Arbed-Walzwerks: das „Écoquartier“. 1.000 Wohnungen sollen dort in den nächsten Jahren entstehen. Wenn alles gut laufe, so Bürgermeister Dan Biancalana, würden die ersten Erschließungsarbeiten bereits im kommenden Jahr stattfinden.
JAN SÖFJER