Digitalisierung in der Landwirtschaft - ein unumkehrbarer Trend

An anderer Stelle in dieser Ausgabe des De Letzebürger Bauer wird über die Ausführungen zur Digitalisierung in der Landwirtschaft von Professor Lucien Hoffmann, Direktor des Environmental Research and Innovation Department vom LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) vor dem Regionalausschuss der Bauernzentrale berichtet. Auch im diesjährigen Bauerekalenner wird im Zusammenhang mit den Kommentaren zu den Arbeiten im Zusammenhang mit der sogenannten Rifkin-Studie auf diese Thematik eingegangen.

Source : De Letzeburger Bauer
Date de publication : 03/03/2017

 

Sicher wurde hierzulande mit der Rifkin-Studie die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft — Rifk-in spricht in diesem Zusammenhang von der dritten industriellen Revolution — verstärkt in den Mittelpunkt der Diskussionen gerückt.

Allerdings hat die Digitalisierung mit ihren verschiedenen Komponenten seit langem Einzug in unsere Wirtschaft, vor allem auch in die Landwirtschaft gehalten. Im Vergleich zu anderen Bereichen ist die Landwirtschaft vielleicht sogar Vorreiter in der Nutzung digitaler Anwendungen. Viele landwirtschaftliche Betriebe wenden bereits heute digitale Produktionsmethoden mit Robotik und Sensorik an. Dieser Trend steht allerdings erst am Anfang und dürfte sich unumkehrbar fortsetzen, mit Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette und immer weitreichenderen Verknüpfungen der erfassten Daten. Man mag die Frage stellen, wie schnell und in welchem Maß diese Technologien sich verallgemeinern werden. Dabei spielen sicherlich die landwirtschaftlichen Strukturen sowie auch die natürlichen Begebenheiten eine nicht unwesentliche Rolle.

Dennoch gilt es, sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen, mit den Chancen, die sie für die Landwirtschaft bieten, ebenso wie mit den Risiken, die damit einhergehen. Sie bedeuten für die Landwirtschaft und die darin tätigen Menschen neue Herausforderungen und erfordern neue Kompetenzen, wahrscheinlich auch neue Organisationsstrukturen und vor allem einen angemessenen Rechtsrahmen. Es drängt sich somit auf, diese Entwicklungen in die politischen Überlegungen und die Ausrichtung der verschiedenen Politikfelder, d.h. auch in die agrarpolitischen Orientierungen zu integrieren.

Mit der Digitalisierung, der Landwirtschaft 4.0, dem Smart Farming oder der Präzisions-Landwirtschaft — alles Begriffe mit denen die neuen Entwicklungen bezeichnet werden — bieten sich ganz klar Chancen in Richtung Ertrags- und Produktivitätssteigerungen, damit in Richtung einer größeren Wettbewerbsfähigkeit. Chancen bieten sich vor allem auch in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit.

Die Digitalisierung ermöglicht mehr Ressourceneffizienz und größere Wirtschaftlichkeit, mit Verbesserung der Leistungen, des Tierwohlseins und mit umweltund klimaschonenden Produktionsmethoden im Pflanzenbau. Durch einen gezielten, dadurch auch sparsameren Einsatz der Produktionsmittel können nicht nur die natürlichen Ressourcen geschont, sondern auch wirtschaftliche Einsparungen realisiert werden, dies neben Produktions- und Produktivitätsgewinnen. In dem Sinn kann die Digitalisierung eine noch bessere Antwort auf die Anforderungen des Naturschutzes, des Wasser- und des Klimaschutzes bieten, womit sie auch den derzeitigen Ansprüchen der Politik und der Gesellschaft auf nachhaltige Produktionsmethoden nachkommt.

Gewusst ist jedoch auch, dass die Digitalisierung für die Landwirtschaft mit mehr oder minder großen Risiken einhergeht, wobei vor allem die Frage der Big Data, die Frage der Datenhoheit, der Eigentums- und Verfügungsrechte über die Daten zu klären bleibt. Wem gehören die Daten? Wer darf sie nutzen? Für welchen Zweck dürfen sie benutzt werden? Wie sieht es in bezug auf die Haftung aus? Es sind dies nur ein paar der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene stellen. Das Verfügen über die Daten wird zum Wettbewerbsfaktor für die großen Unternehmen, wobei jedoch ein möglichst freier Zugriff auf diese Daten im Konflikt mit geschützten Persönlichkeitsrechten steht. Weitere gewichtige und zu klärende Fragen betreffen die Datenverarbeitungssysteme, die Interkonnektivität bzw. die Interoperabilität der Datensysteme. Unabdingbar ist diesbezüglich ein solider Rechtsrahmen, der Rechtssicherheit für alle implizierten Akteure, d.h. auch die Landwirte schafft, der ebenfalls europäische Standards auf einem hohen Niveau festlegt.

Digitalisierung der Landwirtschaft ist auch ein Schritt in Richtung „Gläserne Landwirtschaft", insofern dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnet wird, sämtliche Daten über das Produkt und dessen Herstellungsprozess abzurufen und somit Informationen über Qualität und Standards entlang der gesamten Lebensmittelkette einzusehen. Man kann dies als Risiko bewerten, man kann es jedoch auch als Chance sehen, um durch eine noch größere Transparenz das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. Aber auch diesbezüglich muss die notwendige Rechtssicherheit gewährleistet sein.

Mit dem Einzug der Digitalisierung kommen zweifelsohne enorm steigende Anforderungen des einzelbetrieblichen Datenmanagements auf die Landwirte zu. Es dürfte dies eine der ganz großen Herausforderungen an die Landwirtschaft werden, die den Erwerb neuer weitreichender Kompetenzen voraussetzt.

Darüber hinaus dürfte die Digitalisierung bis auf weiteres ein besonders kostenintensiver Prozess bleiben und auch in Zukunft mit hohem Investitionsaufwand einhergehen.

Und dennoch stehen auch hierzulande die Akteure aus der Landwirtschaft ebenso wie die politisch Verantwortlichen vor der Herausforderung, sich grundsätzlich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Um die sich stellenden Herausforderungen zu meistern — eine davon bleibt nach wie vor die Sicherung der Lebensmittelversorgung —, genügt es nämlich nicht (dies wurde bereits wiederholt betont), sich in ideologischen Positionen festzufahren, anstatt Visionen für die Landwirtschaft als produktiven, unabkömmlichen Wirtschaftssektor auszuarbeiten. In dem Sinn bleibt auch die Rifkin-Studie, zumindest in Bezug auf den Lebensmittelbereich, eine verpasste Gelegenheit, sich mit den wahren Herausforderungen, die sich der Landwirtschaft, der Gesellschaft und der Politik stellen, auseinanderzusetzen.

Somit kann auch die Rifkin-Studie nicht zum Leitbild einer künftigen agrarpolitischen Orientierung werden. Wünschenswert, weil sinnvoller und nutzbringender wäre es jedenfalls, mit allen implizierten Akteuren eine Strategie auszuarbeiten, um die Digitalisierung der Landwirtschaft bestmöglich umzusetzen und die sich dabei stellenden Herausforderungen anzugehen. Die Ausarbeitung einer sogenannten Road Map, die Ausarbeitung und Durchführung von Pilot-Projekten, die Inklusion der neu zu erwerbenden Kompetenzen in die Aus- und Weiterbildungsprogramme, die Förderung entsprechender Beratungs- und Förderprogramme... sind, neben den rechtlich zu klärenden Aspekten, nur einige der Elemente, mit denen sich prioritär und ohne weitere Verzögerungen befasst werden sollte. Dabei sollte auch die Gelegenheit von den politisch Verantwortlichen genutzt werden, die Landwirtschaft sehr viel stärker als modernen, innovativen und leistungsstarken Zukunftssektor in der Wirtschaft und in der Gesellschaft zu positionieren.

 

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