Klimafolgenforscher

Welche Auswirkungen bringt der Klimawandel in Luxemburg? - Interview mit Dr. Andrew Ferrone

Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 27/11/2015

 

Er vertritt Luxemburg beim Weltklimarat (IPCC), und als wissenschaftlicher Berater der Regierung wird Dr. Andrew Ferrone ab diesem Montag auch beim Weltklimagipfel in Paris live mit dabei sein. Der Klimaforscher der Umweltabteilung des "Luxembourg Institute of Science and Technology" (LIST) schätzt die Erwartungen an die COP2I als hoch ein. Im Gegensatz zur Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, an der er auch teilgenommen hat, seien sie diesmal allerdings auch realistisch. Die Ausgangslage sei diesmal besser, weil bereits im Vorfeld die Vorschläge von 150 Staaten, die fast 80 Prozent der weltweiten Emissionen abdecken, auf dem Tisch liegen, erklärt Ferrone im "Journal" -Interview.

Wie der Klimaforscher aber betont, erwarte er sich kein "Abkommen, das das Klima retten wird. Auf dem Weg zu einer Reduzierung von Emissionen wird Paris einen wichtigen Schritt darstellen, aber es sind auch darüber hinaus Anstrengungen notwendig", sagt Ferrone. Denn die vorliegenden Selbstverpflichtungen würden auf eine Klimaerwärmung von schätzungsweise 2,7 Grad bis Ende dieses Jahrhunderts hinauslaufen. Das sei zwar eine Verbesserung im Vergleich zu den 3,5 Grad, um die sich die Erde erwärmen würde, wenn es bei den derzeit geltenden Maßnahmen bleiben würde. "Aber es ist auch klar, dass wir das Zwei-Grad-Ziel verfehlen", sagt der Klimaforscher. Einer regelmäßigen Evaluierung und gegebenenfalls einer Verschärfung der getroffenen Übereinkommen, wie vorgeschlagen in einem Rhythmus von fünf Jahren, misst Ferrone deshalb große Wichtigkeit zu.

Seit 2013 vertritt Ferrone Luxemburg beim 1998 gegründeten Weltklimarat. Aufgabe des "Intergovernmental Panel an Climate Change" (IPCC) ist es, in einem Rhythmus von etwa sechs bis sieben Jahren den Stand der Klimawissenschaft in einem Bericht festzuhalten. Innerhalb des IPCC gibt es drei Gruppen. Die erste Arbeitsgruppe befasst sich mit den physikalischen Aspekten und analysiert die Funktionsweise des Klimasystems.

Große Fortschritte sieht Ferrone vor allem bei den zwei anderen Arbeitsgruppen, die sich mit der Verwundbarkeit von sozioökonomischen und ökologischen Systemen durch Klimaveränderungen beziehungsweise mit der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels befassen. "Die Auswirkungen des Klimawandels lassen sich heute besser quantifizieren und es lässt sich besser einschätzen, welche Maßnahmen beschlossen werden können, um die Emissionen zu senken", erklärt er. Ferrone weist darauf hin, dass es nicht Aufgabe des IPCC sei, Empfehlungen zu machen, sondern aufzuzeigen, mit welchen Folgen in bestimmten Erwärmungsszenarien gerechnet werden kann. In einem Zwei-Grad-Szenario müsste dem Weltklimarat zufolge wahrscheinlich der Luft CO2 entnommen und beispielsweise unter der Erde gelagert werden - mit Reduzierungen allein sei diese Grenze nicht zu erreichen.

Einmal Eiszeit und zurück

Die Erde erwärmt sich also weiter und die Folgen sind bereits heute zu spüren. Doch wie viel macht ein Grad mehr oder weniger aus? Der Klimaforscher gibt ein Beispiel, um das zu verdeutlichen.

"In der letzten Eiszeit war die Atmosphäre rund vier Grad kälter im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Zu diesem Zeitpunkt war der Norden Europas von Kilometer dicken Gletschern bedeckt, der Meeresspiegel lag 40 Meter tiefer als heute, also insgesamt eine ganz andere Welt", erläutert Ferrone. Bei einer Erwärmung von vier Grad, die nicht unrealistisch ist, ginge die Entwicklung in die andere Richtung. Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sei etwa der heutige Meeresspiegel auf Grund der Erwärmung von fast einem Grad um 20 cm gestiegen.

Die Klimafolgenforscher am LIST haben analysiert, dass es in diesem Jahr inzwischen bis zu fünf tropische Nächte mit einer minimalen Temperatur von über 20 Grad gab, die von den Wetterstationen im Land gemessen wurde. In einem mittleren Szenario bei einer Erwärmung zwischen drei und vier Grad gäbe es in Zukunft bis zu 15 dieser Nächte im Süden und im Norden acht. "Die extremen Ereignisse werden zunehmen", sagt Ferrone. Zum Vergleich: In den vergangenen 30 Jahren gab es durchschnittlich eine tropische Nacht im Jahr.

Zwei Dinge gibt Ferrone allerdings zu bedenken. Zum einen handelt es sich bei diesen Gradangaben um Durchschnittswerte, die man differenziert betrachten muss. Beim Thema Hitzestress, also die Belastung durch Hitze beim Menschen oder Pflanzen, müsse man beispielsweise Faktoren wie die Luftfeuchtigkeit und die Sonneneinstrahlung berücksichtigen. 30 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit sind bekanntlich etwas anderes als bei trockener Luft. Bedenken müsse man zudem, dass sich beispielsweise die Kontinente in einem Zwei-Grad-Szenario um fast vier Grad erwärmen.

Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Landwirtschaft

Herauszufinden, was die Auswirkungen der Klimaerwärmung für Luxemburg bedeuten und welche Vorbereitungen getroffen werden können, ist eine Aufgabe der Klimafolgenforschung am LIST. "In der Klimafolgenforschung geht es im Endeffekt darum, das Land für den Klimawandel fit zu machen", erklärte Dr. Michael Eickermann in einem früheren Interview mit dieser Zeitung. "Wir wenden dazu regionale Klimamodelle an, die gegenüber weltweiten Berechnungen den Vorteil einer deutlich höheren Auflösung von bis zu 1,4 Kilometern haben", führt Ferrone aus.

Zum Beispiel gehen die Forscher der Frage nach, wie sich eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf das für Pflanzen verfügbare Wasser im Boden auswirkt. Entstehen neue Probleme durch Trockenheit? Und wie wirkt sich dieses Szenario auf Schädlinge aus? Andere Fragestellungen sind: Wird künftig im Ösling verstärkt Mais angebaut werden? Oder wie sieht es mit Rotwein an der Mosel aus und welche Waldzusammensetzung wird für die zukünftigen klimatischen Rahmenbedingungen von Vorteil sein?

In der Landwirtschaft wachse beispielsweise die Vegetationsperiode von 250 auf 300 Tage im Jahr. "Das klingt zwar zuerst nach einer guten Nachricht, dennoch steigt, durch den vorzeitigen Beginn der Vegetationszeit im Frühjahr, das Risiko von Frostschäden", erklärt der Physiker.

Ein anderes Problem: Im Winter könnten bis zu 30 Liter mehr Regen pro Quadratmeter fallen, im Sommer hingegen bis zu 60 Liter weniger - bei einem gleichzeitigen Rückgang der Regentage. "Der diesjährige Sommer könnte zum Ende des Jahrhunderts ein ganz typischer sein", sagt Ferrone.

Zwar gebe es bei den Niederschlägen, ein zentraler Faktor, bisher keine durch den Klimawandel bedingte Veränderungen, allerdings: "Bei den Temperaturen sieht man aber deutlich die Tendenz nach oben", sagt Ferrone.

ZUR PERSON

Von Haus aus Physiker


Dr. Andrew Ferrone hat Physik an der "Université catholique de Louvain" in Belgien studiert, wo er 2011 mit dem Schwerpunkt Klimatologie seinen Abschluss machte. Von 2011 bis 2013 war Ferrone am Karlsruher "Institute of Technology". Anschließend kehrte er nach Luxemburg zurück, wo er am CRP-Gabriel Lippmann als Senior Researcher arbeitete. Seit der Fusion mit dem CRP-Henri Tudor arbeitet Ferrone offiziell als "R&T Associate" am LIST. Seit 2013 vertritt der Klimaforscher Luxemburg beim Weltklimarat. Zuvor war der Luxemburger Mitglied der belgischen Delegation im Jahr 2007. Außerdem ist er wissenschaftlicher Berater der Regierung für die COP 21.
 

BLOCK CHRISTIAN

 

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