Überfälliges Wagnis

Klare Worte bei der Nachhaltigkeits-Konferenz „Life Cycle Management“

Source : Lëtzebuerger Journal
Date de publication : 05/09/2017

Das „Luxembourg Institute of Science and Technology“ lud am gestrigen Montag gemeinsam mit seinen Partnern, der Universität Luxemburg und dem Stahlriesen ArcelorMittal, zur nunmehr achten „Life Cycle Management“-Konferenz im Konferenzzentrum auf dem Kirchberg. Hier kamen fast 700 internationale Experten und Fachleute aus der Industrie und aus Startups zusammen, um gemeinsam über Projekte zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu beraten. Das Leitthema dieses Jahres war eine klare Ansage: „From science to innovation“ - nachhaltige Technologien, Produkte für eine bessere Welt. Der gemeinsame O-Ton der geladenen Redner lautete entsprechend: Neue Ideen für eine bessere Zukunft wagen.

Nachhaltigkeit durch Gewichtsersparnis

Dabei haben Industrie-Größen das Zepter in der Hand: Brian Aranha von ArcelorMittal war sich am gestrigen Montag sicher: „Die Autoindustrie steht kurz vor einer Revolution.“ Die Technologie und ihre Fortschritte veränderten die Schwermetall- und Autoindustrie gleichermaßen, weshalb neue Entwicklungen und Wagnisse unabdingbar seien. „Moderne Stahlverfahren bieten härteren, dichteren Stahl bei gesunkenem Gewicht“, erklärt er. „Das ist enorm wichtig für ein modernes Auto, das leichter sein muss, weiter fahren muss, sparsamer unterwegs sein muss - und möglichst sogar in Teilen eingeschmolzen wiederverwertet werden kann.“ Um aus Elektroautos und Hybriden das Maximum herauszuholen, sei es unabdingbar, Gewicht zu sparen.

„Knapp die Hälfte des Gewichtes eines herkömmlichen Autos kommt vom verwendeten Stahl“, meint Aranha. „Da können Anbieter wie ArcelorMittal mit großen Fortschritten bei der Produktion auf dem Markt viel bewirken.“ So biete man seit 2010 ein neues Produkt, das eine Gewichtsersparnis von fast 20 Prozent bei gesunkenem Materialaufwand mit sich bringe.

„Das macht es in der Produktion bereits effizienter für uns, ist aber gleichzeitig verwindungssteif und damit perfekt, um als Tür-Rahmen in Autos eingesetzt zu werden“, meint er. Autohersteller wie Honda setzten bereits auf den Stahl aus der ArcelorMittal-Produktion und konnten unter anderem in Crashtests überzeugen. Derweil habe der Hersteller Volvo bei seinem Oberklassemodell ebenfalls das Gewicht dramatisch reduzieren können; für Aranha ein wichtiger Schritt für die Zukunft.

„Die Gewichtsersparnis ist nicht nur ein Faktor für die Nachhaltigkeit, sondern auch für die Sicherheit“, erklärt er weiter. „Ein leichteres Auto hat nicht dieselbe Aufprallwucht.“ Jetzt sei es wichtig, dass führende Hersteller sich an den neuen Fertigungsmethoden und Stahl-Produkten ebenso interessieren und auch weiter an deren Forschung arbeiten. ArcelorMittal werde zudem an weiteren Stahlprodukten forschen, um das Verfahren noch zu verbessern; auch weil Stahl nach seiner Auffassung perfekt in die Kreislaufwirtschaft passt. „Stahl lässt sich viel besser wiederverwerten als Titanium oder Aluminium beispielsweise“, betonte Aranha. Früher oder später könne alles wieder eingeschmolzen und weiterverwertet werden, was die nachhaltige Wirkung von sauber verarbeitetem, hochwertigem Stahl nur weiter steigere.

Pioniergeist und Fortschritt

Wie wichtig der Beitrag neuer Entwicklungen zu einer nachhaltigen Wirtschaft sei, unterstrich auch der Ehrengast und Redner Bertrand Piccard in seiner Präsentation. Der Pionier kam zu weltweiter Berühmtheit, nachdem er den Globus in einem Heißluftballon und später in der „Solar Impulse“ umrundete - einem Flugzeug, das nur durch Solarenergie angetrieben und deshalb rund um die Uhr ohne fossile Brennstoffe fliegen konnte. Damit zeigte der Himmelsstürmer, dass das nachhaltige Fliegen bereits heute möglich ist.

Bei dem Unterfangen habe er bei der Industrie auf Granit gebissen: „Kein Flugzeughersteller und kein Unternehmen in der Flugzeugindustrie wollte mit uns zusammenarbeiten“, erklärte er. „Die Industrie war einfach nicht dazu bereit.“ Deshalb habe man im Team exklusiv auf Mitglieder setzen müssen, die nicht aus der Industrie stammten. „Das hat uns aber auch gezeigt: Wir brauchen mehr Ideen außerhalb der gesetzten Norm“, erklärt Piccard. „Was uns gefehlt hat, war ein Denken außerhalb der Normen.“ Das Motto müsse immer lauten: „Take it further“ - immer weiter. Stillstand, das unterstrich Piccard ganz stark, sei mit einer Vision einer nachhaltigen Welt ganz und gar unvereinbar.

Leider hieße das auch, dass die Industrie manchmal einen kleinen Denkanstoß brauche: „Die Glühbirne wurde schließlich nicht von dem besten Kerzenmacher erfunden“, witzelte er. Sie brauche einerseits ein Interesse am Fortschritt, andererseits brauche sie aber auch neue Ideen, „Pioniergeist und einen Paradigmenwechsel.“ Deshalb führe er inzwischen interessante Startups mit Branchenriesen zusammen, um neue Ideen in die Industrie zu kriegen. Weil er überzeugt ist: „Wir müssen unbedingt frischen Wind in den Sektor kriegen“, erklärt er. „Schauen Sie sich doch an, was wir bereits jetzt geschafft haben. Das Ziel muss immer sein, mehr zu schaffen“, meint Piccard abschließend. Nur so sei es möglich, eine bessere Zukunft für alle zu schaffen. „Der Wechsel zu einer sauberen und nachhaltigen Zukunft ist möglich, machbar und mehr als überfällig“, unterstrich er.

DANIEL OLY

 

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