Husten Sie mal!

Wissenschaftler aus Luxemburg arbeiten derzeit an einem Computerprogramm, das Covid-19 an der Stimme und am Husten eines Patienten erkennen soll. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Jeder kann das Vorhaben unterstützen, indem er seine Stimme und seinen Husten zur Verfügung stellt, um den Computer zu trainieren.

Source : Tageblatt
Publication date : 12/07/2020

 

In den letzten Wochen und Monaten wurde über einige innovative Methoden berichtet, mit denen Wissenschaftler gegen Krankheiten vorgehen wollen. Die Corona-Pandemie hat zur Folge, dass diese Forschungen ins Scheinwerferlicht gebracht werden. So erfährt die Öffentlichkeit von interessanten Ansätzen von Wissenschaftlern, die über den Tellerrand hinausschauen. So lernten wir zum Beispiel, dass SARS-CoV-2 neben anderen Viren in Kläranlagen nachgewiesen werden kann und dass diese Daten benutzt werden können, um die Pandemie zu verfolgen und Hotspots frühzeitig zu entdecken. Mittlerweile nutzt die Regierung diese Daten sogar bei ihrer Einschätzung der Lage. Für dieses Projekt verantwortlich zeichnen Forschende am LIST, dem Luxembourg Institute of Science and Technology in Belval.

Das LIST ist auch für ein neues Projekt verantwortlich, in dem Forscher ein Computerprogramm erschaffen wollen, das an der Stimme und am Husten erkennen soll, ob eine Person mit SARSCoV-2 infiziert ist oder etwa mit einem anderen Virus. Finanziert wird das Projekt vom „Fonds national de la recherche“ (FNR). 

Die Forscher verwenden für ihr Projekt eine Methode, die als Maschinenlernen bezeichnet wird – oder populärwissenschaftlich als Künstliche Intelligenz. Damit das funktioniert, werden einem speziellen Computerprogramm Tonaufnahmen von Stimmen und Husten vorgespielt, von Personen, die mit SARSCoV-2 infiziert sind, und solchen, die es nicht sind. So soll das Programm lernen, wie es sich anhört, wenn eine infizierte Person hustet und redet. Danach soll das Programm in der Lage sein, für Menschen, die es noch nie gehört hat, eine Diagnose zu stellen.

Nicht aus der Luft gegriffen

Doktor Muhannad Ismael leitet das Projekt. Noch steckt sein Vorhaben in den Kinderschuhen, aber er zweifelt nicht daran, dass es möglich ist. Forscher weltweit ergründen die Möglichkeit, Audioanalyse zur Diagnostik zu benutzen. Bislang wurde KI bereits eingesetzt, um trockenen und verschleimten Husten zu unterscheiden. Diese Technik ist in der Vergangenheit am „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT) bereits eingesetzt worden, um Alzheimer bei Patienten am Husten zu erkennen. Alzheimer manifestiert sich laut den Forschern nicht nur mit einem Gedächtnisverlust, sondern auch mit einer neuromuskulären Verschlechterung, die die Stimmbänder schwächt.

„Atemwegserkrankungen können mit trockenem Husten und einem gereizten Rachen einhergehen. Das kann sich auf eine besondere Art auf die Stimme des Patienten auswirken“, so Ismael im Gespräch mit dem Tageblatt. Er glaubt, dass SARS-CoV-2 die Stimme eines Patienten so verändert, dass ein Computer die Krankheit erkennen kann – mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zumindest. 

Wissenschaft zum Mitmachen

Derzeit sammelt Ismael Stimmproben für sein Computerprogramm. Parallel dazu feilt er an der Software. In den nächsten Monaten sollen erste Resultate vorliegen. Rund 400 Stimmproben von an Covid erkrankten und gesunden Menschen hat er schon. Daneben steht ihm eine Datenbank des Luxembourg Institute of Health (LIH) mit Proben von 128 an Covid erkrankten Personen zur Verfügung. Ziel ist es, so viele Daten wie möglich zu sammeln. Denn für ein robustes Modell braucht es mehr Daten. Je mehr, desto besser. Deshalb haben die Forscher die Internetseite cdcva.list.lu eingerichtet, über die sich Freiwillige, mit Covid oder ohne, an dem Projekt beteiligen können. Ismael unterstreicht, dass dabei die Datenschutz-Grundverordnung beachtet wird.

Vorerst geht es bei dem Projekt nicht darum, eine konkrete, fertige Anwendung zu entwickeln, wie etwa eine App, mittels der man sich selbst diagnostizieren kann, sondern darum, den Beweis zu erbringen, dass so etwas möglich ist. Im Jargon der Wissenschaftler: es geht um die Proof-of-concept. 

Ismael betont, dass sein Programm keine hundertprozentige Diagnose stellen wird. Es kann höchstens sagen, ob jemand wahrscheinlich erkrankt ist. Ein Ersatz für einen PCR-Test ist das Programm – wenn es einmal funktioniert – also nicht.

Forscher des MIT, die an einem ganz ähnlichen Projekt arbeiten, berichten über sehr gute Resultate. Das Programm stufte in Tests die große Mehrheit der Fälle richtig ein. Allerdings verfügt das MIT über wesentlich mehr Ressourcen als Ismael. Nach Angaben des MIT haben die Forscher mehr als 70.000 Aufnahmen zusammengetragen. Insgesamt enthalten die Aufnahmen rund 200.000 Tonproben von Husten. Etwa 2.500 der Aufnahmen stammen von Menschen, die nachweislich Covid-19 haben.

Yves Greis

 

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