Die Kühlgeräte der Zukunft

Emmanuel Defay (50) und sein Team vom Department of Materials Science and Technology des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) beschäftigen sich mit elektrokalorischen Materialien. Diese könnten, wenn sie weiter erforscht werden, vielversprechende Kandidaten für Kühlgeräte der Zukunft sein und so etwa eine neue Generation von Kühlschränken einläuten, die umweltfreundlicher sind als aktuelle Geräte. Für ihre Forschung wurden der Materialwissenschaftler und sein Team mit dem FNR-Award „Outstanding Scientific Achievement“ ausgezeichnet.

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 11/18/2021

 

Emmanuel Defay, worum genau ging es in Ihrem Projekt?

Wir versuchen, die Kühlgeräte der Zukunft herzustellen. Dazu entwickeln wir neue Materialien und Technologien, die auf diesen Materialien basieren. In unseren Küchen nutzen wir normalerweise Kompressionskältemaschinen, die Flüssigkeiten beinhalten, die nicht unbedingt gut für die Umwelt sind. Unsere Idee ist es, feste Materialien zu benutzen, bei denen das Material eine Veränderung durchläuft, Phasenwechsel genannt, wenn eine Spannung angelegt wird. Mit den richtigen Materialien kann der Prozess sehr effizient sein. Man braucht dann wenig Energie, um die Kühlkraft in den Materialien zu aktivieren. So können wir effizientere Kühlschränke und Klimaanlagen herstellen, die weniger Energie brauchen.

Warum hat noch nie jemand mit dem von Ihnen genutzten Material gearbeitet?

Manchmal ist man an den Grenzen der Forschung. Es wurde ein Material entdeckt, das diese Temperaturveränderung mitmachen könnte. Unser Beitrag zur Wissenschaft ist nun, dass wir das Material in eine realistische Anwendung eingebracht haben. Jeder einzelne Schritt ist extrem schwierig. Bis man zu konkreten Anwendungen kommt, dauert es Jahre, manchmal Jahrzehnte. Wir haben ein bestimmtes keramisches Material genutzt und waren in der Lage, es mit einer Flüssigkeit zu verbinden und damit die Temperaturdifferenz, die wir herstellen können, zu vergrößern. Vorher war diese auf einige Grad begrenzt. Damit haben wir eine gewisse Hürde genommen, die bisher bei zehn Grad lag, denn wir konnten diese Zahl übersteigen. Es war das erste Mal, dass ein Team das geschafft hat. Wir sind zwar immer noch weit davon entfernt, alle Kühlschränke der Welt damit zu verbessern – aber das Material wird dadurch überzeugender.

Wann könnte es wirklich in die Massenproduktion gehen und was braucht man dazu?

Wir brauchen natürlich Geld und Kooperationspartner. Mit unserem Projekt haben wir auch das Interesse potenzieller Partner geweckt. Jetzt, wo wir unsere Forschung in der Zeitschrift „Science“ veröffentlicht haben, konnten wir bereits zwei neue Partner gewinnen. Mit ihnen versuchen wir die Qualität des Materials und des Wärmetauschers weiterzuentwickeln. Unsere Partner denken über die Industrialisierung nach. Also wie man das Material so günstig wie möglich produzieren kann. Und wir denken natürlich auch über das Recycling nach, darüber, was mit den Geräten passiert, wenn sie alt oder kaputt sind. Wenn alles gut läuft, könnte es die ersten realistischen Anwendungen in etwa fünf bis zehn Jahren geben.

Also forschen Sie auch zukünftig an der Thematik?

Ja, ich würde sogar sagen, dass das jetzt erst wirklich der Anfang ist. Wenn man in bestimmten Zeitschriften Studien veröffentlicht hat, wird man glaubwürdiger. Mit den neuen Partnern und den Geldern, die wir gewinnen konnten, können wir jetzt wirklich erstklassige Forschung auf Weltniveau betreiben.

In welchen Bereichen könnte man die Technik noch anwenden?

Wir haben ein keramisches Material oder ein Polymer, die beide den gleichen Effekt produzieren, den elektrokalorischen Effekt. Wir legen an das Material ein elektrisches Feld an und generieren Kälte. Wir müssen dann einen  thermodynamischen Kreisprozess nutzen, um die Kälte zu sammeln und an einen bestimmten Ort zu leiten. So können wir einen Kühlschrank herstellen. Da das System thermodynamisch ist, kann man den Weg aber auch umgekehrt gehen. Anstatt Kälte zu produzieren, können wir die Materialtemperatur verändern und dadurch Elektrizität erzeugen. Das wollen wir auch erforschen. Man könnte Hitze sammeln, etwa solche, die in Abfallprodukten entsteht, beispielsweise in der Stahlproduktion. An Produktionsstellen, an denen der Stahl sehr heiß ist und man die Hitze loswerden will, könnte man sie mit dem Material sammeln und in Elektrizität umwandeln. Das Ganze wird pyroelektrischer Effekt genannt. Neu ist nicht der Effekt, aber der Umfang des Ergebnisses, wenn man unser Material nutzt.

Was bedeutet der Award für Sie?

Es ist eine großartige Anerkennung. Ich bin froh und stolz auf das Team, denn es war eine echte Teamarbeit. Ich bin Franzose, ich kam vor sieben Jahren nach Luxemburg. Auch in Frankreich habe ich geforscht. Aber seit ich hier bin, habe ich viel mehr Möglichkeiten. Ich kann meine Ideen wirklich voranbringen, so wie ich es möchte. Und ich bin stolz, dass ich das hier so machen kann. Ich habe den Preis auch wegen der Forschungsumgebung bekommen, dafür bin ich Luxemburg wirklich dankbar. Der Award bedeutet mir also sehr viel.

INTERVIEW: SARAH SCHÖTT

 

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