Schluss mit den unnötigen Staus

LIST-Forscher arbeiten an Mobilitätsanwendungen für 5G – Internetplattform informiert über Mobilfunkstandard.

Source : Luxemburger Wort
Publication date : 08/04/2022

 

Wer jeden Tag auf Luxemburgs Autobahnen unterwegs ist, hat sich daran längst gewöhnt. Nervig ist es trotzdem. Vor allem deshalb, weil man sich als Verkehrsteilnehmer nicht selten fragt: Was war jetzt eigentlich der Grund? Erst wird der Verkehr zähflüssig und dann geht gar nichts mehr. Bis sich der Stau dann plötzlich wieder auflöst. So wie er gekommen ist, verschwindet er auch wieder. Kein Unfall, keine Baustelle und auch kein sonstiges Hindernis.

Phantomstau wird dieses unnötige Phänomen im Straßenverkehr genannt. Und er entsteht meist recht simpel: Der Fahrer im ersten Fahrzeug nimmt einfach nur den Fuß vom Gaspedal, der Fahrer dahinter muss dann leicht bremsen, weil er zu dicht aufgefahren ist und ihm die Reaktionszeit den Abstand weiter verkürzt. Der nächste in der Reihe muss schließlich etwas stärker in die Eisen, der hinter ihm noch stärker.... und das zieht sich dann so lange weiter, bis alles steht.

Die Angst vor Strahlung

Zu den vielen Erwartungen, die an den neuen Mobilfunkstandard 5G geknüpft werden, gehört auch die, die Entstehung von Phantomstaus zukünftig zu vermeiden. Wie das funktionieren kann, zeigt das Projekt „5G-Planet“ , das vom Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) mit finanzieller Unterstützung durch die Abteilung für Medien, Konnektivität und digitale Agenda des Staatsministeriums entwickelt wurde. Kern dieses Projekts ist eine digitale und im Netz für jedermann zugängliche Plattform, die sich mit Fragen rund um das Thema 5G befasst. Und dazu gehören vor allem Fragen aus dem Bereich der Mobilität. Fahrzeuge seien mithilfe von 5G in der Lage, miteinander zu kommunizieren, und das mit einer extrem geringen Latenz, also Verzögerung, erklärt dazu LIST-Projektleiter Sébastien Faye. Daten über Beschleunigung, Geschwindigkeit und Abstand könnten durch den Einsatz von 5G nahezu in Echtzeit von einem Fahrzeug an das andere übermittelt werden, was auch für autonomes Fahren von Bedeutung sei.

Das Thema Phantomstau ließe sich damit abhaken. Und auch die Zahl der Unfälle könnte dadurch drastisch reduziert werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der menschliche Faktor – die Reaktionsfähigkeit – aus der Gleichung eliminiert wird. Dafür aber begleitet eine andere menschliche Eigenschaft die Einführung des 5G-Standards. Und zwar die Angst vor elektromagnetischer Strahlung, die mit jeder drahtlosen Kommunikationsanwendung einhergeht. Denn auch wenn die neue Technik ein Stück weit auf die bereits vorhandene 4G-Netzwerkinfrastruktur zugreifen kann, so ist die Errichtung weiterer Antennen unvermeidbar. Wird eine neue Antenne errichtet, muss im Vorfeld alles genau abgeklärt und der Umfang der elektromagnetischen Strahlung offengelegt werden. Das war bereits bei 4G eine sehr komplexe Angelegenheit gewesen, hat aber mit 5G eine andere Dimension, weil auch die Technik eine andere ist.

Die Antennen der bisherigen Generationen wie 3G oder 4G sind passiv, was bedeutet, dass von ihnen ein einheitlicher Strahl ausgeht, der alles in Reichweite versorgt. Die Strahlung erfolgt also nach dem Gießkannenprinzip. Mit 5G hingegen hat man sehr viele unterschiedliche und auch präzise Strahlen, mit denen man die Geräte gezielt erreichen kann – eine Technik, die sich Massive Mimo nennt. „Dieses neue System ist dynamisch und passt sich den Anwendungen der Nutzer an“, sagt Faye. Das ermögliche auch viel höhere Übertragungsgeschwindigkeiten als die vorherigen Mobilfunk-G enerationen, so der Forscher.

Die Plattform soll zum einen Entscheidungsträger bei der Planung von 5G-Netzen für Mobilitätsanwendungen unterstützen, darüber hinaus aber auch das öffentliche Interesse an dieser neuen Technologie verstärken. Zu diesem Zweck arbeitet 5G-Planet mit einem sogenannten digitalen Zwilling, bei dem die 5G-Infrastuktur des Landes digital nachgebildet wird. „Eine virtuelle Umgebung kann Forschern dabei helfen, die Sicherheit auf Straßen und die Verkehrseffizienz zu erhöhen“, erklärt dazu auf der Plattform LIST Forscherin Niloofar Asadi. Und wenn es dann doch zu einem Unfall kommt, so kann die vernetzte Mobilität zumindest dabei helfen, die Folgen für den Verkehr abzumildern, wie Asadis Kollege Ion Turcanu am Beispiel eines Autounfalls veranschaulicht.

Unfallstellen sofort umfahren

„In einer normalen Verkehrssituation würde dadurch ein Stau entstehen und es würde einige Zeit dauern, bis die Verkehrsmanagement-Systeme den Stau erkennen und die anderen Verkehrsteilnehmer in der Umgebung darauf hinweisen würden“, so Turcano. „Wenn wir aber stattdessen davon ausgehen, dass Fahrzeuge unter Einsatz der 5GTechnologie unmittelbar miteinander kommunizieren, würde es nur Millisekunden, vielleicht auch wenige Sekunden dauern, bis das erste Auto alle anderen über den Unfall informiert hat.“ In Kombination mit der Technik des autonomen Fahrens wären diese Autos dann in der Lage, sofort eine Alternativroute auszusuchen.

Was die Mobilitätsanwenundungen und hierbei vor allem die vernetzte Mobilität betrifft, zu der am LIST geforscht wird, so beschränkt sich diese nicht nur auf die Kommunikation zwischen Fahrzeugen. Sie umfasst auch den Datenaustausch zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur oder aber Fußgängern. Und die Technologie, die diesen Anwendungen zugrunde liegt, ist letztlich auch nur die Brücke zur nächsten – wie bereits der Aufgabenbereich verrät, für den Faye beim LIST zuständig ist. Der Leiter des Projekts ist nämlich laut Visitenkarte 6G Technology & Innovation Line Manager, befasst sich also längst mit der nächsten Generation.

„Die Forschung zu 6G hat bereits begonnen und wird voraussichtlich vor 2030 kommerziell verfügbar sein“, erklärt Faye mit Verweis auf Reaktionszeiten von weniger als einer Millisekunde und Möglichkeiten des Datenaustauschs im Terabit-Bereich. Der nächste Standard soll höhere Frequenzbänder nutzen, die denen der Radartechnologie ähneln. Womit es dann auch möglich wäre, bewegte Objekte, ihre Form und andere Merkmale zu erkennen. „Das öffnet die Tür zu vielen neuen Anwendungen, die allerdings erst noch getestet und verfeinert werden müssen, bevor Investitionen getätigt und Fortschritte erzielt werden“, so Faye.

Netzausbau ist zu langsam

Das Projekt 5G-Planet ist also gewissermaßen eine Spielwiese für das, was in ein paar Jahren mit 6G möglich sein wird. Und wahrscheinlich wird die Einführung des nächsten Standards von ähnlichen Ängsten und Vorbehalten begleitet wie die von 5G. Für Faye ist es deshalb wichtig, dass sich die Forschungsgemeinschaft nicht nur mit zukünftigen Technologien befasst. Entscheidend sei auch die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Dass es aber mit Forschung und Akzeptanz allein nicht getan ist, zeigt das derzeit noch extrem lückenhafte 5G-Netz. So hat der EU-Rechnungshof Anfang des Jahres kritisiert, dass es mit dem Ausbau zu langsam vorangehe. 2030 soll die 5G-Versorgung flächendeckend sein. Doch schon jetzt hängen viele Länder hinterher. Bei 16 Ländern besteht nach Angaben der EU-Kommission bestenfalls eine mittlere Wahrscheinlichkeit und schlimmstenfalls eine geringe Wahrscheinlichkeit, das für 2025 gesteckte Ziel zu erreichen. Bis dahin soll 5G in allen urbanen Regionen und entlang der Hauptverkehrsachsen verfügbar sein. Bis 2030 sollen dann alle EU-Bürger den Standard nutzen können. Dann werden die ersten wahrscheinlich schon mit 6G unterwegs sein – während sich Forscher womöglich schon mit 7G befassen.

Die ersten vier Generationen

Die erste Generation war weit davon entfernt, international standardisiert zu sein. Sie bestand im Wesentlichen aus einem analogen Telefonsystem, das in den 1980er Jahren in Autos eingesetzt wurde – und das mit der zehnfachen Sendeleistung heutiger Smartphones, um Antennen in 100 km Entfernung zu erreichen.

Die zweite Generation, oder 2G, markierte den Beginn der Mobiltelefonie für den Massenmarkt. Das Telefon wurde zu einem tragbaren Gerät, das aber erst nur zum Telefonieren taugte. Die Antennenleistung wurde reduziert, was zu einer Erhöhung der Anzahl der Antennen führte, um alle Gebiete abzudecken. 2G wurde im Lauf der Zeit verbessert, indem unter anderem die Möglichkeit geschaffen wurde, außer Sprache auch Daten zu übertragen.

Die dritte Generation 3G brachte einen besseren Datendurchsatz und eine höhere Datennutzung mit sich als die vorherige Generation, die sich mehr auf Sprache konzentrierte. Mit dieser Generation entstanden intelligente Geräte mit Anwendungen, die immer mehr Daten erzeugen.

Die vierte Generation 4G/LTE verwendet einen einzigen Kommunikationskanal, der Sprache und Daten kombiniert. Auch die Datenübertragungsrate stieg deutlich an und ebnete den Weg für eine Vielzahl neuer vernetzter Anwendungen. Wie schon bei den Vorgängertechnologien hat sich die Anzahl der Antennen drastisch erhöht.

he

 

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